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Taiwan: Solidarität mit Hongkong

Buchhändler Lam Wing-kee
Buchhändler Lam Wing-kee hofft auf einen Neuanfang in Taiwan. | Bild: NDR

Die Gedanken müssen fliegen können. Das sagt Lam Wing-kee, Buchhändler aus Hongkong. Doch in Hongkong flogen seine Gedanken nur noch um die Angst, nach China ausgeliefert zu werden. Seit Ende April lebt er nun in Taipeh. Mit 63 Jahren fängt er neu an: „Ich bin an einen Ort geflohen, an dem ich Freiheit genieße. In Hongkong musste ich die ganze Zeit um meine Sicherheit fürchten, weil der Druck durch China immer größer wird.“

2015 hielten ihn chinesische Beamte für acht Monate gefangen, weil er heikle Bücher über Pekings Parteiführer verkauft hatte. Als die Behörden ihn zurück nach Hongkong lassen, geht er mit seiner Geschichte an die Öffentlichkeit. Bücher aber hat er seitdem nie wieder verkaufen können. „Der Buchladen war so ein großer Teil meines Lebens. Deshalb habe ich schon länger mit dem Gedanken gespielt, hierherzukommen, weil ich wusste, hier kann ich wieder Buchhändler sein.“

"Bedrohung durch China weltweit"

Am Friedens-Gedenk-Park in Taipeh: Hier wird Solidarität mit den Opfern der Pro-Demokratiebewegung in Hongkong gezeigt. Auch Ho Wing Tung ist Hongkongerin, lebt aber bereits seit fünf Jahren in Taipeh. Die Studentin und ihre Freundin organisieren jetzt Solidaritätskundgebungen für ihre Heimatstadt. "Die Bedrohung durch China spürt doch längst die ganze Welt. Die internationale Gemeinschaft sollte sich wehren, nicht nur für Hongkong oder Taiwan, sondern aus ihrem ureigenen Interesse", sagt Ho Wing Tung.

Helme und Atemschutzmasken für Hongkong

In der Presbyterianischen Kirche von Taipeh heißt es: packen für Hongkong. Koa Khé-an, der Leiter der Jugendkirche, sagt: "Seit dem Sommer haben wir Tausende Helme und Atemschutzmasken dorthin geschickt. Aus Solidarität mit den Demonstranten, aber auch um ein Zeichen zu setzen als unabhängige Taiwanesen gegen den mächtigen Nachbarn. Die chinesische Regierung hält Taiwan für ein politisches Risiko, für einen Schandfleck in der Geschichte Chinas. Weil wir Taiwanesen nicht vergessen, was uns die Chinesen angetan haben."

Khé-an berät in der Kirche Derek. Er ist einer von zahlreichen Studenten, die seit Juni aus Hongkong geflohen sind. Der 21-Jährige will aus Angst nicht erkannt werden. Die Kirche unterstützt bei Visa-Angelegenheiten und Wohnungssuche. Derek hofft auf eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung. Aber kann er sich hier wirklich sicher fühlen? "Taiwan ist das nächste Ziel, das China ins Visier nimmt. Sie versuchen hier auf die Wahlen Einfluss zu nehmen. Das Thema Vereinigung oder Unabhängigkeit wird schon lange heiß diskutiert. Ich hoffe, dass die Taiwanesen begreifen, dass man China auf keinen Fall trauen kann. Die Menschen hier sollten weise wählen, um sich zu schützen", sagt Derek.

China versucht mit viel Geld Einfluss zu nehmen

Chinas Krieg gegen Taiwan hat längst begonnen, glaubt auch Khé-an. Peking versuche mit viel Geld Einfluss zu nehmen – auf die Parteien und die Politik in Taipeh. Sollte das mächtige Nachbarland irgendwann nicht nur Geld, sondern auch Soldaten schicken, werde er kämpfen, sagt der Reservist. Wichtiger als eine starke Armee, ist seiner Meinung nach ein starker Wille. "Wir Jungen machen uns große Sorgen über die Zukunft. Aber die Älteren wirken irgendwie ziemlich apathisch. Das macht uns Angst. Es geht schließlich um unsere Demokratie und unsere Freiheit."

Buchhändler Lam Wing-Kee darf von seinem neuen Laden nicht mehr nur träumen. Eine Internetplattform hat einen Spendenaufruf für ihn gestartet. Umgerechnet mehr als 175.000 Euro Startfinanzierung hat er schon zusammen. Lam ist optimistisch: "Der wesentliche Unterschied zwischen Hongkong und Taiwan ist, dass Hongkonger nicht frei sind und keine wirklich freien Wahlen haben, Taiwanesen schon. Sie können über ihr Land selbst bestimmen." Lam Wing-kee ist manchmal melancholisch: Denn er wird vermutlich nie wieder nach Hongkong zurückkehren. Die Stadt sei verloren, sagt Lam. Doch er sieht auch Risiken für Taiwan: "Die Taiwanesen sollten sich schnell über ihr Selbstverständnis einigen. Viele fühlen sich kulturell als Chinesen. Aber wenn sie zu ihrer eigenen politischen Identität stehen, haben sie eine Chance gegen China." Lam Wing-kee setzt auf Taiwans Zukunft in Freiheit. Denn nur in Freiheit können seine Gedanken fliegen.

Autorin: Sandra Ratzow, ARD Singapur

Stand: 07.12.2019 16:21 Uhr

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