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Russland: 870 Jahre Stadtgründung – Moskau putzt sich raus

Russland: 870 Jahre Stadtgründung – Moskau putzt sich raus | Bild: BR

Eintänzer auf der Twerskaja, der Prachtstraße im Zentrum Moskaus: Attraktionen an jeder Ecke. Und vor dem Bolschoi-Theater eine Runde Beach-Volleyball. Die Rekordsumme von über zehn Millionen Euro spendierte die Stadtverwaltung für die diesjährige Geburtstagsfeier – fast so, als hätte sie etwas gut zu machen…

Feier auf dem Roten Platz
Feier auf dem Roten Platz | Bild: BR

Zur offiziellen Eröffnung der Geburtstagsparty auf dem Roten Platz kam dann auch ein Präsident, der dem Moskauer Bürgermeister Sobjanin demonstrativ den Rücken stärkte und sagte: "Eine Sanierung ist immer schwierig und lästig so wie eine Wohnungsrenovierung. Aber früher oder später muss man damit anfangen."

Renovierung für die Innenstadt

Neue Gehwege für Moskau!
Neue Gehwege für Moskau! | Bild: BR

Trost nach einem regelrechter Horror-Sommer für die Moskowiter! Zwar wird das Stadtzentrum seit Jahren in der Ferienzeit betoniert und gefliest, geteert und getüncht, aber noch nie war fast ganz Moskau eine Großbaustelle: vier Monate Ausnahmezustand, über alle Klassengrenzen hinweg. Doch wer will schon laut meckern, wenn danach 80 Straßen, 3000 Hinterhöfe und 30 Parks und 20 Kilometer neuer Fahrradwege den Stolz der Hauptstadt mehren?

Arbeiten in der Twerskaja
Arbeiten in der Twerskaja | Bild: BR

Straßenbau, Stadtsanierung, das hat in Moskau etwas von Blitzkrieg und Materialschlacht: Die Twerskaja, eine zentrale Prachtstraße, wurde mal eben als Tagewerk erneuert. Der Trick: Vollsperrung statt Dauerstau.

Kollateralschäden der Großoffensive: Pfusch am Bau, von kritischen Bloggern penibel im Internet dokumentiert. Vergessene Kanalisation, ein fehlender Meter, Beton gewordene Unfähigkeit: Erregungsstoff aber wohl eher für Kleingeister. Das große Ganze zählt! Die meisten Patzer wurden längst behoben.

Gastarbeiter machen die Arbeit

Möglich machen die Großoffensive billige Arbeitskräfte aus Zentralasien und dem Kaukasus. 800.000 Gastarbeiter haben sich in diesem Jahr in Moskau registrieren lassen. Für 400 Euro Monatslohn im Durchschnitt bauten sie im Akkord fast die gesamte Moskauer Innenstadt um. Billig ist die Rundumsanierung der Stadt trotzdem nicht geworden: 1,3 Milliarden Euro - das ist mehr als der Jahreshaushalt jeder anderen russischen Stadt, mit Ausnahme Petersburgs. Ein teures Prestigeobjekt, doch im nächsten Jahr warten Präsidentschaftswahl und Fussball-WM. Und ein Teil der Riesensumme wird ohnehin in dunklen Kanälen verschwinden, glauben viele Russen resigniert, wie bei allen Großprojekten im Land.

Der Endspurt in dieser Woche: Viele Moskowiter, die nach den Sommerferien erst jetzt zurückkehren, erkennen ihre Stadt kaum wieder. Allein 800 neue Bushaltestellen mit WiFi und Ladestationen für Smartphones.

Ein neuer Park für die Stadt

Der Sarjadje-Park
Der Sarjadje-Park | Bild: BR

Ähnlich fieberhaft auch die Arbeiten am Sarjadje-Park, im Herzen der Stadt: Drei Schichten rund um die Uhr, sieben Tage pro Woche für künstliche Biotope, russische Landschaften, frostsicher dank Erdheizung. Der Park ist das Filetstück der Stadt: Über Jahrzehnte massakrierte hier ein sowjetischer Betonklotz den Blick auf den Kreml: das Hotel Rossia für 5000 Gäste. Sein Abriss machte den Weg frei für den Park. Für die Bevölkerung blieb der Park heute gesperrt, Zugang hatten zunächst Journalisten und Ehrengäste. Sie erlebten völlig neue Perspektiven der Moskauer Innenstadt: Neben Naturflächen gibt es auch Restaurants und eine Konzerthalle mit Öffnung ins Freie. Das Konzept des Parks wird von fast allen Seiten gelobt.

Vom Park aus führt eine mutige Brückenkonstruktion die Besucher über die Uferpromenade hinweg hinaus auf die Moskwa. Die Lebensqualität der Moskauer solle besser werden, so Putin heute zum Umbau der Stadt – immerhin sei Moskau eine große Megapolis dieser Welt und Vorbild für ganz Russland.

Worte, die den meisten Moskauern gefielen, Kritik kam, wenn, in Nebensätzen: "Wir sind sehr froh. Nur wir glauben auch, dass man diese Gelder vielleicht für Krankenhäuser, Kindergärten und Schulen hätte ausgeben können." Im teuer aufpolierten Zentrum wohnt nur ein Bruchteil der Moskauer, doch die sind sich einig: "Grandios, wunderbar!" "Mir scheint, das Geld wurde klug eingesetzt." "Moskau wird jedes Jahr besser!" "So eine Stadt habt ihr doch in ganz Deutschland nicht", sagt dann noch jemand stolz.

Ihr Alltag mag für viele hier deutlich weniger Glanz haben, aber dieser Widerspruch ist nichts wirklich Neues.

Autor: Udo Lielischkies, ARD Moskau

Stand: 20.07.2019 18:17 Uhr

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