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Kasachstan: Chinas Kampf gegen die Minderheiten

Kasachstan: Chinas Kampf gegen die Minderheiten | Bild: BR

Sie zeichnet, was sie in China erlebt hat. Ein Jahr wurde die junge Kasachin in einem chinesischen Lager festgehalten, hinter meterhohen Mauern. Den ganzen Tag schallten Lieder der kommunistischen Partei aus Lautsprechern. Es war wie im Gefängnis. Fotos aus dem Innenleben der Lager gibt es keine - zu gefährlich. Doch Sophia zeichnet, um zu dokumentieren und das Erlebte zu verarbeiten.
Der Vorwurf der chinesischen Behörden: zu enge Kontakte zu ihrem Herkunftsland Kasachstan.

Sophia erzählt: "Wir durften nur einmal in der Woche 15 Minuten lang duschen, selbst wenn wir dann noch Shampoo im Haar hatten. Überall waren Kameras, selbst in der Dusche und auf den Toiletten - die totale Überwachung. Sie konnten jeden von uns jederzeit beobachten."
Aus Angst vor den chinesischen Behörden ist sie nach Kasachstan geflohen und erst einmal untergetaucht.

Lagerhaft für Kasachen

Die Schneiderin Rachima griffen sie auf, weil sie eine kasachische SIM-Karte benutze. Sie stülpten ihr einen schwarzen Sack über den Kopf. Ein Jahr lang wurde sie in einem Lager festgehallten, bis sie sich nach Kasachstan absetzen konnte: "Sie nennen sie Umerziehungs- oder Trainingszentren, aber sie sperren uns weg. Das ist doch kein Training. Die Teilnahme müsste freiwillig sein. Aber sie übten Druck auf uns aus. Keine körperliche Folter, aber mentale wie im Gefängnis. Sie haben uns eingesperrt und uns unserer Freiheit beraubt. Den ganzen Tag haben sie uns Chinesisch eingebläut und Lieder und Reden der kommunistischen Partei."
Die Menschen saßen ein wegen Nichtigkeiten. Die Chinesen geben vor, so gegen Terroristen vorzugehen, doch die meisten, die dort landen, seien gar nicht religiös, klagt sie: "Die Menschen in den Lagern fühlen sich schlecht. Weggesperrt. Sie haben Angst, vor allem vor den Befragungen. Warum bin ich hier, ohne Verurteilung, einfach so, fragen sie sich. Warum nimmt man mir meine Freiheit."

Suche nach den Verwandten

Das wollen auch die Verwandten in Kasachstan wissen: Hier in der Menschenrechtsorganisation Atajurt in Almaty in Kasachstan suchen tausende Kasachen ihre Angehörigen in China: Die Frau sucht ihre Schwester, eine Künstlerin. Seit Monaten hat sie nichts mehr von ihr gehört. Das waren die letzten Fotos. Seither - kein Lebenszeichen mehr. Nachbarn glauben, dass sie in einem Internierungslager sei. Es gehe ihr sehr schlecht. Die Organisation wird eine Suche starten, einen Aufruf, täglich mehrere: Es sind vor allem Intellektuelle, Schriftsteller, Lehrer, Krankenschwestern – herausgerissen aus dem Leben.

Berish Zerikshan sammelt die Hinweise und das seit Monaten, auch weil die Chinesen die Existenz der Lager leugnen. Die Beweise sind erdrückend, meint er: "Unsere Organisation hat so viele Informationen gesammelt. Jeden Tag stehen hier mehr als 150 Menschen. Diese sogenannten Umerziehungslager sind schlimmer als Gefängnisse. Die Menschen werden dort gefoltert, geschlagen, ihnen wird Nahrung und Schlaf verweigert. Wir gehen davon aus, dass 500.000 Kasachen in Internierungslagern sind oder waren."

Mit einem Aufruf auf YouTube will der Menschenrechtler Zerikshan die Künstlerin frei bekommen.

Diesen Aufruf startete die Hilfsorganisation im Sommer letzten Jahres. Der Fünfjährige Akjol sucht verzweifelt seinen Vater, einen Koch, der in China arbeitete, weil er dort besser verdient. Plötzlich war er nicht mehr erreichbar, sein Handy ausgeschaltet.
Fünf Monate später: die kleine Familie ist wiedervereint in Almaty. Aus Angst vor dem langen Arm der chinesischen Behörden will sich Berek nicht zu erkennen geben: "Sie haben uns von morgens bis abends chinesische kommunistische Lieder eingetrichtert und uns ständig getestet, ob wir sie auswendig können."
Methoden, die an Maos Kulturrevolution erinnern: "Wir durften nichts gegen die Wärter sagen. Sie haben uns ständig gegängelt und uns leiden lassen. Wir wurden ständig angeschrien und geschlagen. Und wir durften nichts sagen. Sie haben uns wie Tiere behandelt."

Flucht aus China

Seit 2016 geht China so gegen die sogenannten Turkvölker, zumeist Muslime, in der nordwestlichen Provinz Xinjiang vor. Dort leben Kasachen, Kirgisen und Uiguren.
Wie Rachima, ergreifen derzeit viele Kasachen die Flucht, oft nur mit ein paar Habseligkeiten. Rachima hat alles zurückgelassen und will nun in Alamty neuanfangen als Schneiderin: "Wir Kasachen können in China nicht mehr frei leben, weil sie unsere Kultur zerstören wollen, die Kultur der Minderheiten von uns Kasachen, den Kirgisen und Uiguen. Sie wollen diese Ethnien zerstören und aus uns Chinesen machen. Aber ich will meine Religion behalten, meine Identität, meine Wurzeln."
Sie glaubt nicht, dass man mit Lagern, Hi-Tech-Überwachung und Folter Menschen umerziehen kann. Am Ende fördert das nur Hass, meint sie.

"Sie sind wie Wölfe: Kalte Augen, arrogant. Man muss sie stoppen!" Und deshalb zeichnet Sophia alles, was sie im Lager erlebt hat.

Autorin: Birgit Virnich, ARD Moskau

Stand: 12.09.2019 22:51 Uhr

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