Mo., 29.10.12 | 04:50 Uhr
Das Erste
Weltspiegel
Ukraine: Vitali Klitschko im Politik-Ring:
Den Weltmeistertitel im Schwergewicht will der Boxer in seiner Heimat bald mit einem ganz anderen Titel ergänzen: 2015 möchte er angeblich Präsident der Ukraine werden, so pfeifen es die Spatzen in Kiew von den Dächern. Am kommenden Sonntag wählt die Ukraine aber erst mal ein neues Parlament. Und Vitali Klitschko führt die aussichtsreichste Oppositions-partei an. Die heißt abgekürzt UDAR - auf Deutsch "Schlag" und hat der grassierenden Korruption im Land das k.o. angesagt. Im Wahlkampf ist er der absolute Publikumsliebling, für viele Ukrainer der einzige Hoffnungsträger. Vom Boxer zum Politiker - kann das funktionieren? Udo Lielischkies konnte dem älteren der Klitschko-Brüder in seiner alten Heimat ein wenig auf den Zahn fühlen.
Autor: Udo Lielischkies / ARD Moskau
Venezuela: Leben in der Hochhausruine: Eine Hochausruine mitten im Geschäftsviertel von Caracas: 45 Stockwerke hoch, keine Aufzüge, wenige Fensterscheiben. Den Investoren war das Geld ausgegangen, über viele Jahre gammelte der Torre de David im Leerstand vor sich hin. Dann kamen die Besetzer und richteten sich in dem Gebäude irgendwie ein. Sie verlegten Stromleitungen und Wasserrohre und verschlossen offene Fensterhöhlen mit Plastik. Jetzt leben etwa 800 Familien mit über 2500 Menschen in der Bauruine, darunter viele Kinder. Der gefährliche Rohbau mit offenen Treppen und Abgründen ins Nichts wurde zum bunten Mikrokosmos, eine selbstverwaltete Stadt in der Stadt. Nicht immer zur Freude der Nachbarn im Viertel. Zugang für Fremde und Journalisten wird fast immer verwehrt. Unser Korrespondent Peter Sonnenberg durfte die Bewohner im größten besetzten Haus der Welt jetzt drei Tage lang mit der Kamera begleiten.
Autor: Peter Sonnenberg / ARD Mexiko-City
Italien: Chinesen erobern Textilstadt Prato: Die alte Textilstadt Prato vor den Toren von Florenz hat 180.000 Einwohner, 10.000 davon sind Chinesen. Illegal soll es sogar 50.000 Chinesinnen und Chinesen in der Stadt geben - versteckt in vielen kleinen Textilmanufakturen. Anfangs als Investoren im kriselnden Textilstandort Prato erwartungsvoll begrüßt, entwickelt die chinesische Gemeinde eine eigene und unheimliche Dynamik: Da wird rund um die Uhr und jenseits aller europäischen Tarife und Arbeitsbestimmungen geschuftet. Und im Ergebnis können die chinesischen Geschäftsleute mit chinesischem Material und chinesischen Löhnen ganz billig "Made in Italy" produzieren. Damit lässt sich weltweit viel Geld verdienen. Nach Angaben der Polizei wird dabei allein in Prato jährlich eine Milliarde Euro Steuern hinterzogen, in Zeiten von Sparpolitik in der Eurokrise für viele Italiener nicht mehr akzeptabel.
Autorin: Ellen Trapp / ARD Rom
China: Vor dem Parteitag - Vom Armenhaus zur Supermacht: Am 8. November beginnt in Peking der Parteitag der Kommunistischen Partei. Ein Ereignis, das nur alle 10 Jahre stattfindet und für China genauso wichtig ist wie die Präsidentschaftswahlen für die USA. Und in diesem Jahr fallen beide Großereignisse - in Zeiten rasanten Wandels - in einer Woche zusammen. Die alte und die kommende Supermacht, die größte und die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt: wo stehen sie und wie sind sie aufeinander angewiesen? Die Volksrepublik China erneuert komplett ihre politische Führung und ein neues Wirtschaftsprogramm soll das Riesenreich endgültig auf die globale
Überholspur bringen. Optimismus, Dynamik, Selbstbewusstsein und ein schon fast religiöser Fortschrittsglaube beherrschen nicht nur das offizielle China. Auch junge Chinesen, die die besten Unis in den USA besucht haben, kehren jetzt in ihre Heimat zurück, weil sie in China die besseren Zukunftsperspektiven sehen. Da wurde der amerikanische inzwischen zum chinesischen Traum.
Autorin: Ariane Reimers / ARD Peking
USA: Vor der Präsidentschaftswahl - Die Supermacht zittert vor China: Amerika bangt um seine Führungsrolle in der Welt: politisch, wirtschaftlich und moralisch. Weit über 20 Millionen Arbeitslose, ein riesiger Schuldenberg und eine Mittelschicht, die um ihre Existenz kämpft. Die Kluft zwischen arm und reich wird immer größer, eine zutiefst gespaltene Gesellschaft scheint den Glauben an den amerikanischen Traum verloren zu haben. Depression und Selbstzweifel statt Optimismus und Fortschrittsglaube. In solchen Zeiten braucht man dringend ein Feindbild und da eignet sich das wirtschaftlich prosperierende und damit für die Wirtschaft der USA bedrohliche China ganz hervorragend: Plagiatsvorwürfe, Dumpingpreise, Industriespionage, Währungsmanipulation, das alles wird im Wahlkampf offensiv ins Feld geführt. Dabei ist allen klar: beide Großmächte sind in Zeiten der Globalisierung aufeinander angewiesen. Die USA brauchen das chinesische Kapital und China den US-Markt. Zwei Supermächte, zwei Wirtschaftsgiganten in völlig unterschiedlichen politischen Rahmenbedingungen: eine Standortbestimmung kurz vor der Wahl.
Autor: Stefan Niemann / ARD Washington
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