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Afghanistan: Mutige Frauenrechtlerin

Afghanistan: Mutige Frauenrechtlerin  | Bild: ARD

Ganz schön mutig. Aber Sahar lässt sich nichts gefallen.
Warum, das zeigt sie uns. Dreht heimlich, was sie täglich erlebt.
Wenn sie nur auf ein Taxi wartet.

Komm steig ein, rufen die Männer. Willst du Spaß haben?

Sahar, Afghanin:

»Die haben alle gefragt, ob ich mit ihnen mitkomme. Wir können nicht einmal 10 Minuten auf der Straße stehen und auf ein Taxi warten. Das ist so verstörend. Diese Männer denken, wir sind Prostituierte und können mit ihnen schlafen.«

Mit ihrer Kamera dokumentiert die 19jährige täglich die Belästigungen von Männern.
Mit ihrer Kamera dokumentiert die 19jährige täglich die Belästigungen von Männern.

Sahar ist 19. Kabul ihre Stadt. Afghanistan ihr Land, das sie ändern will. Sie hat das Zeug, eine Revolution anzuzetteln.

Sahar, Afghanin:

»Wir haben es satt zu schweigen. Die Generation meiner Mutter hat geschwiegen. Deswegen haben wir nun die Probleme. Und jeder Tag heißt für uns. Kämpfen, kämpfen, kämpfen.«

Sahar arbeitet als Journalistin. Was sie tut ist gefährlich. In Afghanistan. Sie mag ihr Kopftuch nicht gern tragen. Will sich nicht zwingen lassen, zu Hause zu sitzen. Studiert, verdient Geld. Meistens fährt Sahar Taxi. Sie kann es sich leisten. Sicher ist auch das nicht. Wohl fühlt sie sich nie.

Sahar, Afghanin:

»Das Erste, was die Fahrer machen ist: Sie stellen sich den Spiegel so ein, dass sie uns sehen können. Körper und Gesicht. Einmal schaute der Fahrer mich an. Nach ein paar Minuten merkte ich, dass er masturbierte. Das war so schrecklich, es machte mir Angst. Ich dachte, er könnte mich vergewaltigen. Jeden Moment.«

Dass eine afghanische Frau so offen spricht, passiert kaum. Millionen andere schweigen. Sahar besucht viele von ihnen und erzählt die unerzählten Geschichten.
Uns nimmt sie mit: Zu einer Frau, die ein ganz anderes Leben führt als sie selbst. Ohne Sahar würde sie niemals mit uns sprechen.

Sahar fordert mehr Rechte für die Frauen in Afghanistan.
Sahar fordert mehr Rechte für die Frauen in Afghanistan.

Es muss schnell gehen. Der Ehemann weiß nicht, dass wir hier sind. Wenn er von der Arbeit kommt, müssen wir verschwunden sein. Anisa wurde als Kind verheiratet. Zur Schule durfte sie nicht. Sie kann nicht lesen und schreiben. Ist verurteilt zu Hause zu sitzen. Vom eigenen Ehemann.

Anisa, Afghanin:

»Manchmal frage ich ihn, ob ich nicht noch zur Schule gehen könnte. Wie andere Frauen auch. Dann sagt er nur. Nein. Oder ich frage, ob ich nicht arbeiten könnte. Es würde ja der Familie helfen. Aber wenn ich in das anspreche, schlägt er mich.«

Anisa hat zwei Töchter. Sie ist so verzweifelt, dass sie alles auch vor den Kindern erzählt. Ihre Mutter hat es geschafft, dass sie zur Schule gehen. Auch wenn sie dafür immer wieder verprügelt wurde. Ihre größte Sorge ist trotzdem:
Irgendwann könnte den Töchtern das gleiche Schicksal drohen.

Anisa, Afghanin:

»Es gibt keine Lösung. Denn was könnte ich tun? Ich kann abhauen oder mich umbringen. Aber egal was ich tue, es würde bedeuten, dass mein Mann die Kinder schlägt und quält. Deswegen halte ich es einfach nur aus.«

Sahar hat es geschafft. Ihre Eltern geben ihr die Freiheit. Sind sogar stolz. Stolz, dass die Töchter heute das Geld verdienen. Die Familie folgte immer den Traditionen. War nie besonders modern. Es waren die Kinder, die alles umgeworfen haben.

Sayeed Mir Agha Hosaini, Vater:

»Es ist ein Kampf. Aber wir sollten ihn kämpfen. Sogar mein Bruder ist gegen mich.Viele Verwandte und Freunde beschimpfen uns. Aber das ist ihr Problem. Das hier ist meine Sache. Mein Leben. Ich lasse mir nichts vorschreiben.«

Vier Töchter haben sie. Einen Sohn. Keines der Kinder ist verheiratet.

Nafesa, Mutter:

»Mein Leben ist vorbei. Und ich bin froh, dass meine Töchter es anders machen als ich. Sie studieren, sie arbeiten. Das macht mich froh.«

Doch diese Familie steht nicht für alle. Denn Afghanistan ist ein Land, wo die Männer bestimmen. Ungerecht ist es schon ganz früh. Jungs. Spielen, toben, dürfen wild sein. Mädchen stehen an der Seite.

Täglich angepöbelt - die 19jährige Saher wehrt sich.
Täglich angepöbelt - die 19jährige Saher wehrt sich.

Sahar schreibt auch Gedichte. Die Revolution ist mühsam. Manchmal zum Verzweifeln. Ihren Freundinnen geht es ähnlich. Einmal pro Woche treffen sie sich. Und wenn sie sich die Gedichte vorlesen, geht es ihnen schon besser.

Sahar, Afghanin:

»Leute nennen uns Hardcore-Feministen. Die denken wir sind Radikale. Kriegerinnen. Dabei wollen wir doch nur gleichberechtigt leben. Wollen ein Leben als freie Menschen führen.«

Sie trauen sich. Sie sagen, was sie denken. Sie schreiben Gedichte. Nicht mehr. Aber selbst das geht nur, weil das Restaurant von Mauern und Stacheldraht geschützt ist.

Sahar, Afghanin:

»Ich kam ohne Rückfahrticket.
Von einer langen Reise.
Voller Hoffnung und Zweifel.
Und dem täglichen Kampf.
Ich kenne die Hürden. Sehe den Wandel.
Erlebe Angst und Schlaflosigkeit.
Ich bin nicht ich.
Und auch nicht der Junge, um den meine Mutter gebeten hat.«

Die Revolution beginnt auf der Straße. Auch auf dem Fahrrad. Die meisten sagen, das gehört sich nicht für eine Frau. Aber Sahar ist das egal. Sie fährt einfach weiter, bis sich alle an sie gewöhnt haben.

Sahar, Afghanin:

»Früher haben sie mit Steinen und Tomaten nach mir geworfen. Um es mir schwer zu machen. Es ist schwer etwas zu verändern. Aber nicht unmöglich.«

Die Jungs finden es sogar ganz cool, mit einem Mädchen unterwegs zu sein. Diese kleinen Männer denken anders als ihre Väter. Da hat Sahar schon viel erreicht.

ARD Studio Neu Delhi/Autor: Gábor Halász

Stand: 23.03.2015 11:35 Uhr

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