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Myanmar: Engel im Bürgerkrieg

Myanmar: Engel im Bürgerkrieg | Bild: WDR

Durch den Dschungel schleichen ein paar Gestalten. Sie haben Kameras in der Hand. Die Männer sind Menschenrechtsverletzungen auf der Spur. In Sichtweite bauen Dörfler eine Straße, sie schleppen schwere Steine: Zwangsarbeit - im Auftrag der burmesischen Armee.

Beinah unbemerkt von der Welt bekriegen sich im Urlaubsland Myanmar Regierungstruppen und die christlichen Kachin.
Beinah unbemerkt von der Welt bekriegen sich im Urlaubsland Myanmar Regierungstruppen und die christlichen Kachin. | Bild: WDR / WDR

Thet Naing, Free Burma Ranger:

»Wir sind nur 500 Meter vom Camp der burmesischen Armee entfernt, flüstert Thet Naing. Die Patrouillen sind ziemlich nah. Man kann ihre Stimmen hören.«

Nur Flüstern. Gesten. Äußerste Vorsicht. Hier oben, im Nordosten Burmas, herrscht Krieg. Versteckt vor den Augen der Welt. Seit fast 60 Jahren. Das Volk der Kachin kämpft für einen eigenen Staat. Die burmesische Armee hält dagegen. Mit Raketen und Kampfhubschraubern.

Zwischen den Fronten: hunderte Freiwillige. Sie nennen sich die Free Burma Ranger.

Ihr Traum: ein friedliches, demokratisches Myanmar. Jahr für Jahr durchstreifen sie heimlich das Kriegsgebiet und dokumentieren das ganze Grauen des Krieges. Und sie wollen denen helfen, die am meisten unter den Kämpfen leiden: Der Bevölkerung. Dafür setzen die Ranger immer wieder selbst ihr Leben aufs Spiel.

Do Seh, Missionsleiter Free Burma Ranger:

»Der Friede hier - ist wie eine Fata Morgana in der Wüste, erzählt Do Seh, einer der Anführer. Du kommst dem Wasser nahe und dann merkst Du, da ist gar kein Wasser. So geht das seit Jahrzehnten. Die Menschen hier sind hungrig nach Frieden.«

Waffen tragen die Ranger nur zur eigenen Verteidigung. Und wenn es besonders gefährlich wird immer tiefer fahren sie hinein ins Gebiet der Kachin. In Bum Sit Pa, einem Flüchtlingslager, werden die Ranger schon erwartet.

Die freiwilligen Free Burma Rangers helfen den Menschen im Kriegsgebiet von Myanmar.
Die freiwilligen Free Burma Rangers helfen den Menschen im Kriegsgebiet von Myanmar. | Bild: WDR / WDR

Die Helfer halten eine mobile Sprechstunde ab. Blutdruck messen. Medikamente verteilen, Zähne ziehen. Weit über eine halbe Million Menschen haben die Free Burma Ranger bisher medizinisch behandelt. Ohne ihre Hilfe wären all diese Menschen wohl verloren.

Thet Naing, Free Burma Ranger:

»Wenn Du in die Gesichter schaust, dann bekommst Du ein Gefühl, dafür, was die Menschen hier durchmachen. Deswegen habe ich mich den Free Burma Rangern angeschlossen. Ich will mein Bestes geben für die Menschen.«

Set langem verhandeln Kachin und Regierung über Frieden. Bisher wurden alle Waffenstillstände gebrochen. Zehntausende Menschen leben ein Leben auf der Flucht.

Mai Aung unterrichtet Flüchtlingskinder. Die Lehrerin hat früher in Nam Lim Pa gelebt, einem Bergdorf. Auch sie musste vor den Bomben der Burmesen fliehen.

Mai Aung, Lehrerin:

»Ich wurde von einer Granate getroffen. Elf Eisen-Splitter stecken bis heute in meinem Rücken. Eine andere Granate hat einen meiner Schüler getötet. Der Junge war erst acht Jahre alt.«

Im Schutz der Nacht sammeln sich die Ranger. Die Männer wollen sich ein eigenes Bild machen. Vom Krieg in Nam Lim Pa. Allein dieser Trip wird drei Tage dauern. Ein Gewaltmarsch. Körperlich anstrengend und gefährlich.

Do Seh, Missionsleiter Free Burma Ranger:

»Wir gehen nachts los. Um der burmesischen Armee auszuweichen. Wir wollen ja nicht kämpfen. Wir sind hier, um den Menschen zu helfen.«

Das Gebiet der Kachin ist etwa so groß wie Bayern. Tagelang laufen die Männer durch den dichten Wald. Soldaten der Kachin gehen vorweg. Sie schützen die Free Burma Ranger auf ihrer gefährlichen Mission. Dann erreichen die Männer Nam Lim Pa. Im vergangenen Jahr hat die burmesische Armee das Dorf angegriffen. Alle flüchteten voller Angst. Nur sieben Bewohner blieben. Eine ältere Dame erzählt den Rangern, was geschah.

Lahpai Nang Bang, Überlebende:

»Mit uns war noch ein Junge hiergeblieben. Als die Soldaten kamen, hat er sie mit einer Schleuder beschossen. Sie wollten sein Schwein schlachten. Es gab ein Handgemenge. Sie haben ihn gefesselt und umgebracht.«

In Kachin dreht sich ein ewiger Kreislauf von Krieg und Frieden. Aufbau und Zerstörung. Die Schule: von Granaten schwer getroffen. Jetzt läuft Thet Naing, der Ranger, durch die verlassenen Klassen und hält fest – was vom Krieg noch übrig ist.

Thet Naing, Free Burma Ranger:

»Mir tut’s so Leid für die Kinder, sagt Theit Naing. Die burmesische Armee behauptet, hier sei alles friedlich. Es gibt keinen Krieg. Aber hier in Kachin wird doch die ganze Zeit gekämpft.«

Im Lager der Free Burma Ranger macht eine neue, grausige Nachricht die Runde:

Zwei Kachin-Mädchen. Vergewaltigt und erschlagen. Vermutlich von burmesischen Soldaten. Den Rangern stehen die Tränen in den Augen. In der Abendsonne bauen die Männer ihre Satellitenanlage auf. Sie wollen mit der Welt teilen, was sie im Dschungel Myanmars erleben. Zwangsarbeit, Vergewaltigung, Mord. Die Free Burma Ranger – Sie geben den Lebenden eine Stimme und den Toten ihre Würde.

Autor: Philipp Abresch und Carsten Stormer/ARD Studio Singapur

Stand: 31.05.2015 20:35 Uhr

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Westdeutscher Rundfunk
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