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USA: Drei Jobs zum Überleben

USA: Drei Jobs zum Überleben | Bild: WDR

Glänzende Aussichten für die amerikanische Wirtschaft. Das Wachstum – bei satten 3%. Die Börse – auf Rekordjagd. Die Arbeitslosenquote – so niedrig wie seit Jahren nicht mehr.

O-Ton Barack Obama:

»Seit 2010 haben die USA mehr Jobs geschaffen als Europa, Japan und jede andere führende Wirtschaftsnation zusammen.«

Die nackten Zahlen klingen toll – doch die Realität sieht für die Mehrheit der Bevölkerung...gar nicht so rosig aus. Wie jeden Morgen steht Leah Lipska um 5 Uhr auf. Ihr Mann und die drei Kinder schlafen noch, wenn sie sich auf den Weg zur Arbeit macht. Eine Stunde Fahrt liegt vor ihr.

Die 33jährige ist im öffentlichen Dienst des US-Bundesstaates Wisconsin beschäftigt, sie vermarktet die Produkte, die Häftlinge im Knast herstellen. Ein Vollzeit-Job – der hier nicht ausreicht, um eine fünfköpfige Familie zu ernähren. Leah parkt ein paar Straßen vom Büro-Parkplatz entfernt. Denn Parkgebühren gehören zu den vielen Dingen, die sich die Alleinverdienerin nicht leisten kann:

O-Ton Leah Lipska:

»Das sind 12 Dollar, die ich lieber in Milch und Brot investiere, als fürs Parken auszugeben.«

Die Zeiten, in denen eine Stelle reichte, um über die Runden zu kommen, sind vorbei.

Achteinhalb Stunden später – der erste Job ist geschafft. Ein Zweitjob beim Schulamt füllt die Familienkasse etwas auf.

Überall in den USA haben Familien dasselbe Problem wie die Lipskas: seit Jahren dümpeln Löhne und Gehälter vor sich hin. Während gleichzeitig Lebenshaltungskosten enorm gestiegen sind.

Deshalb ist Leah auf Essensmarken angewiesen.

O-Ton Leah Lipska:

»Die mehr als 50 Dollar im Monat extra für Brot und Milch helfen sehr. Aber die Leute schauen Dich an, als wärst Du abartig, wenn Du mit den Marken einkaufst. Ich fühle mich furchtbar dabei, weil ich mir vorstellen kann, was die Kassierer jedes Mal denken. Wobei mir das noch egal ist. Schrecklicher ist, was die Freunde meiner Kinder denken. Was meine Kinder durchmachen müssen.«

Weil sie ihre Situation nicht tatenlos ertragen will, engagiert sich Leah in einer Gewerkschaft. In vielen US-Bundesstaaten, wie hier in Wisconsin, haben konservative Regierungen Tarif-Verhandlungen gesetzlich ausgehebelt. Ein Hauptgrund, warum in den USA Gehälter so stagnieren.

Ich will wissen, wer alles im Bekannten-Kreis Leute mit mehreren Jobs kennt.

»Und das ist mittlerweile normal? Ja, dieser Tage ist das so.«

Normal ist auch, dass Leah Lipska ihre drei Kinder unter der Woche oft nur kurz vorm zu Bett gehen sieht. Ehemann Mickey ist Hausmann – würden beide arbeiten, die Kinderbetreuung würde das zusätzliche Gehalt nur auffressen.

Trotz aller Schwierigkeiten, halten sie die Familie zusammen – aber viele Wünsche ihrer Kinder können sie nicht erfüllen.

Vielleicht wäre alles anders gekommen, vielleicht hätte sie einen besser bezahlten Job, fragt sich Leah manchmal, wenn sie studiert hätte.

O-Ton Leah Lipska:

»Er bezeichnet mich immer scherzhaft als Teilzeit-Mutter, weil ich meist erst heimkomme, wenn die Kleinen schon im Bett sind. Manchmal lässt er sie extra länger aufbleiben für mich. Aber...es ist hart.«

O-Ton Phoenix Lipska:

»Manchmal sehen wir sie, manchmal nicht. Aber wir sehen sie eher nicht so oft.«

Doch ob ein Hochschul-Studium wirklich die Lösung aller Probleme gewesen wäre?

Drei Auto-Stunden weiter südlich, in Chicago.

Roger Fierro hat einen Abschluss, von der renommierten University of Chicago. Und einen Schuldenberg von ca. 100.000 Dollar Studien-Gebühren.

Sein Kumpel Philip hat sogar noch mehr Uni-Schulden – und die Flucht nach vorn angetreten. Er hat eine Doktor-Arbeit begonnen. Denn so lange er eingeschrieben ist, muss er keine Kredite abstottern.

O-Ton Philip Lambert:

»Ich habe noch nie in meinen eigenen vier Wänden gelebt. Ich muss immer noch in einer WG wohnen. Es ist frustrierend, denn das ist nicht das Leben, das ich mir mit 30 vorgestellt hatte.«

»Es heißt immer, Du musst nur bestimmte Regeln befolgen, um in Amerika Erfolg zu haben. Aber als ich feststellte, ich komm trotzdem auf keinen grünen Zweig, hab ich beschlossen, mein Leben so zu leben wie ich es will.«

O-Ton Roger Fierro:

»Ich werde wohl die nächsten 30 Jahre meine Kredite abbezahlen. Das ist nicht fair, es macht mich wütend, aber das bringt mich auch nicht weiter.«

Seit Ende der 90er Jahre sind die Studiengebühren in den USA um mehr als die Hälfte angestiegen. Gleichzeitig sind die Einstiegs-Gehälter für Absolventen deutlich gesunken.

Deshalb kann auch Roger sich nur mit mehreren Jobs gleichzeitig über Wasser halten. Wieder hat Kumpel Philip ihn zu einem Vorstellungs-Gespräch gefahren. Roger ist ständig auf der Suche nach der einen Stelle, die zum Leben reicht.

O-Ton Roger Fierro:

»Der amerikanische Traum ist für mich ein gestutzer Traum geworden. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Aber jetzt muss ich eben akzeptieren wie es ist, und das Beste daraus machen.«

Der amerikanische Traum – er verspricht jedem: Du kannst es hier schaffen, Du musst Dich nur anstrengen. Offensichtlich reicht das nicht.

Autor: Ingo Zamperoni/ARD Studio Washington

Stand: 19.01.2015 08:56 Uhr

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Westdeutscher Rundfunk
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