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Indien – Schutzkommandos für die Liebe

Indien - Schutzkommandos für die Liebe | Bild: WDR

Die Liebe versteckt sich. An einem schmutzigen Ort. Irgendwo in Delhi.
Es muss alles ganz schnell gehen.
Niemand soll sehen, wohin wir gehen.
Als würden wir den Geheimdienst treffen.
Tun wir aber nicht. Wir treffen ein Liebespaar.

Anjali und Dipesh müssen sich verstecken.
Gemeinsam mit anderen Paaren.
In den Räumen der Love Commandos. Hier sind sie sicher.
Auf wenigen Quadratmetern. Nur hier müssen sie nicht um ihr Leben fürchten.
Außerhalb will man sie töten. Hier dürfen sie glücklich sein.

Anjali und Dipesh haben sich an der Uni kennengelernt.

Anjali Paliwal

»Er lebte 20 Kilometer entfernt. Wenn ich ihm gesagt habe, ich würde dich gern sehen, dann kam er sofort, hat seine Arbeit liegengelassen. Er hat mich nie sitzengelassen. Sogar, wenn es im Monsun heftig regnete.«

Dipesh Paliwal

»Ich bin immer auf dem Markt, um Gemüse zu kaufen. Einmal habe ich drei Stunden auf sie gewartet. Dann kam sie endlich. 10 Sekunden. Sie musste wieder gehen, weil ihre Eltern zu Hause waren. Da habe ich all das Gemüse vor Wut in den Fluss geworfen.«

Dipesh und Anjali dürfen sich nicht lieben. Sagen ihre Eltern.
Ihr Vater ist Geschäftsmann, sein Vater Beamter.
In Indien wird Heiraten organisiert wie ein Autokauf.
Liebe ist halb so wichtig, es geht um Geld, Beruf. Und Kasten.
Dipesh gehört einer höheren Kaste an als sie.
Statt sich über die Liebe der Kinder zu freuen, haben die Eltern sie angezeigt.
Jetzt sucht die Polizei nach ihnen.

Anjali Paliwal

»Die denken nicht an uns. Die denken nur daran, was die anderen sagen. Unser Leben ist denen egal. Es geht ihnen nur darum, dass sie in der Gesellschaft akzeptiert sind. Das war’s.«

Die beiden haben vor wenigen Wochen geheiratet.
Die Hochzeits-Bilder sind perfekt.
Aber die Familie fehlt. Nur fremde Menschen sind dabei.
Dieses Album ist der einzige Beweis.
Dokumente konnten sie nicht mitnehmen.
Und die Hochzeitsreise war eine Flucht.

Anjali Paliwal

»Mein Vater sagte deutlich: 'Wenn ich euch noch einmal zusammen sehe, bringe ich euch um.'«

Manche Paare bleiben Wochen, andere Jahre.
Die Love Commandos haben eine Hotline. Wer Hilfe braucht, ruft an.
Sieben Verstecke haben sie allein in Delhi. 200 im gesamten Land.

Harsh Malhotra ist der oberste Krieger der Kommandos.
Seine Frau hat den Schmuck verkauft. Er sammelt Spenden.
Auch er hat sich einst verliebt, einfach so.
Weil er eine falsche Nummer wählte und so seine Frau kennenlernte.

Harsh Malhotra

»Ja, gute Frage, warum wir uns Liebeskommandos nennen. Wir dachten: Wir schützen die Liebe. Wir wollen den Kampf auch mit Liebe gewinnen. Nicht mit Krieg. Die Liebe also durch Liebe schützen.«

Liebe ist gefährlich
Liebe ist gefährlich

Wenn es so einfach wäre.
Liebe kann lebensgefährlich sein.
Harsh Malhotra zeigt uns Fotos von Abdul, Mehvish. Und ihrer Tochter.
Sie versteckten sich auch bei den Love Commandos.
Als sie ins Dorf zurückkehrten, wurde Abdul erschossen.

Wir fahren dorthin, wo es geschah. Nach Uttar Pradesh.
Von dort waren Abdul und Mehvish geflohen.
Es begann als Teenager Liebe in der Schule.
Ihre Eltern waren strikt dagegen.
Jetzt, wo Abdul tot ist, lebt Mehvish bei den Schwiegereltern.

Mehvishs Familie ließ ihn erschießen.
Drei Wochen später wurde Zoya, die zweite Tochter, geboren.

Mehvish

»Als ich schwanger wurde, hat er sich so gefreut. Er hat sich so gesorgt. Und dann das! Es fühlt sich so an, als hätte ein großer Stein mich begraben.«

Mantasha - die älteste Tochter erkennt ihren Vater auf den Fotos.
Mehvish hat ihr noch nicht gesagt, dass er nicht mehr wiederkommt.
Wie soll sie es auch erklären?

Mehvish

»Haben wir etwas verbrochen? Nein, wir haben uns nur geliebt! Wenn Liebe ein Verbrechen ist: Warum lieben dann Eltern ihre Kinder? Warum liebt ein Bruder seine Schwester? Sie haben meinen Mann umgebracht. Ohne einen Grund.«

Sicherheit in den Räumen der Love Kommandos
Sicherheit in den Räumen der Love Kommandos

Mehvish steckt voller Wut.
Im Nachbardorf – keine 500 Meter entfernt – leben ihre Eltern.
Noch immer laufen einige der Täter frei herum.
Manchmal könnte sie alle töten, sagt sie. Sie tut es nicht.
Wir laufen nach drüben.
Überwinden eine Grenze, die die Familie trennt.
Wieder geht es geht um Kasten. Mehvish stammt aus einer höheren als Abdul.
Dabei sind beide Familien muslimisch.
Auf einmal steht Mehvishs Mutter vor uns.

Sabman

»Sehen Sie, wie schlecht es mir geht. Sie alle glauben nur diesem Mädchen. Und uns lässt keiner in Frieden.«

Für sie war der Mord nur ein tödlicher Streit.
Als wir gehen wollen, bittet sie uns, ihr zu helfen. Die Tochter wiederzusehen.
Dabei könnte sie doch einfach selbst nach drüben laufen.

In Delhi verstecken sich Anjali und Dipesh nun schon Wochen.
Sie wollen zu ihrer Liebe stehen.
Die ganze Welt, soll von ihnen erfahren.

Dipesh Paliwal

»Ich hoffe, meine Familie akzeptiert uns. Irgendwann. Ich vermisse sie schon sehr. Und ich weiß, sie vermissen mich auch.«

Manchmal trauen sie sich wenige Minuten raus.
Die Love Commandos haben sie gewarnt.
Denn draußen ist ihre Liebe bedroht.

Autor: Gábor Halász/ARD Studio Neu-Delhi

Stand: 13.06.2014 12:12 Uhr

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Westdeutscher Rundfunk
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