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USA: Die geheime religiöse Gemeinschaft

Ein Hotel in Washington, abgeriegelt zur Festung. Noch bevor der Tag anbricht, treffen hier Wirtschaftsbosse, Geistliche, Staatenlenker aus aller Welt und amerikanische Spitzenpolitiker ein. Sogar Präsident Trump fährt vor. Die Mächtigen der USA versammeln sich über Parteigrenzen hinweg, um gemeinsam zu beten.

Kein Präsident will auf den Einfluss der christlichen Elite verzichten

USA: Präsident Trump beim 'Nationalen Gebetsfrühstück' – für alle US-Präsidenten ein Pflichttermin
USA: Präsident Trump beim 'Nationalen Gebetsfrühstück' – für alle US-Präsidenten ein Pflichttermin

"Wir sind eine Familie. Nenn' es die amerikanische Familie oder die Weltfamilie. Wir sind Brüder und Schwestern in einem gesegneten Land", sagt Lewis, Kongressabgeordneter. Bei diesem sogenannten 'Nationalen Gebetsfrühstück' hat seit 1953 jeder US-Präsident gesprochen. Von Dwight D. Eisenhower über John F. Kennedy bis hin zu Barack Obama. Auf den Einfluss der christlichen Elite will kein Präsident verzichten. Auch Trump buhlt hier um ihre Gunst. Donald Trump: "Wir haben gewaltige Fortschritte gemacht. Ihr wisst, was wir getan haben. Ich glaube, niemand hat so viel getan wie wir alle zusammen in den letzten drei Jahren. Und es war mir eine Ehre."

Damit meint er seinen Kampf für ein Abtreibungsverbot, für das Recht auf politische Predigten in Kirchen und für Gebete in Schulen. Organisiert wird das 'Nationale Gebetsfrühstück' von einer Gruppe, die sich 'die Familie' nennt und über diese Veranstaltung hinaus nur selten öffentlich in Erscheinung tritt.

Sie sollen in Zukunft die Geschicke Amerikas lenken

USA: Gemeinsames Beten beim 'Nationalen Gebetsfrühstück' in Washington
USA: Gemeinsames Beten beim 'Nationalen Gebetsfrühstück' in Washington

Die 'Familie' sei ein Geheimbund christlicher Fundamentalisten, der die amerikanische Politik beeinflusst. Davon ist der investigative Journalist Jeff Sharlet überzeugt. Der 'Familie' gehe es nicht darum die Massen zu bewegen, sondern auf die Entscheidungsträger einzuwirken. "'Die Familie', auch bekannt als 'die Gemeinschaft', ist die älteste und einflussreichste christlich-konservative politische Bewegung in den USA. Sie funktioniert durch die Rekrutierung von Führungsfiguren aus Politik, Wirtschaft und manchmal Militär. Sie treffen sich in kleinen Gruppen, die sie Zellen nennen, und in denen sie Jesus von Mann zu Mann begegnen können", erzählt Jeff Sharlet, investigativer Journalist.

Für das, was zunächst klingt wie eine Verschwörungstheorie, hat Sharlet Beweise gesammelt. Denn er hat mit einer Gruppe von jungen Männern in einem Haus gelebt, die 'die Familie' für auserwählt hält. Sie sollen in Zukunft die Geschicke Amerikas lenken. Das Netzwerk lebe von gegenseitiger Abhängigkeit.

"Die Intimität in dieser Gebetsgruppe unter den Brüdern war groß. Alles, Alles war auf dem Tisch. Es herrschte eine absolute Geständniskultur. Genau das ist ja die Methode von seelisch missbräuchlichen Bewegungen. Du gestehst Deine tiefsten, dunkelsten Geheimnisse. Und jetzt bist Du an uns gebunden", erzählt Jeff Sharlet.

Der Einfluss der 'Familie' auf die Mächtigen ist dokumentiert

USA: Die geheime religiöse Gemeinschaft
USA: Die geheime religiöse Gemeinschaft

Es sei kein Zufall, dass der Hauptsitz der Familie ähnlich aussehe wie das Weiße Haus. Das Anwesen befindet sich in der Nähe des Machtzentrums Washington. Senatoren, Kongressabgeordnete und Minister gingen hier ein und aus. Die 'auserwählten' Nachwuchskräfte würden nicht nur die Bewirtung übernehmen. Als Ausdruck ihrer Demut schrubbten sie sogar die Toiletten der Politiker, berichtet Sharlet. Der Einfluss der 'Familie' auf die Mächtigen ist in tausenden von Akten dokumentiert, die von Mitgliedern der Gruppe angelegt wurden. Sharlet selbst entwickelte nach dem Tod seiner Mutter ein großes Interesse für Religion. Ein Freund führte ihn in die Familie ein. Zum Ausstieg entschloss er sich, als er beim Lesen der Akten herausfand, dass die 'Familie' autoritäre Regime in Afrika unterstützte, zum Beispiel in Uganda.

"Sie hielten den langjährigen Diktator dort an der Macht, stellten ihn mächtigen amerikanischen Politikern vor und machten ihn zum Stellvertreter für amerikanischen Einfluss in der Region. Ein Parlamentsabgeordneter, der Teil der Organisation war, schlug ein Gesetz vor, das die Todesstrafe für Homosexuelle vorsah oder langjährige Haftstrafen", so Jeff Sharlet.

Am Ende trat das Gesetz auf internationalen Druck hin nicht in Kraft. Doch Sharlet hatte genug gesehen und verließ die Gemeinschaft. Der Chef der Familie ist Doug Burleigh. Interviewanfragen lehnte er lange ab. Dann empfängt er uns überraschend doch auf dem Anwesen. Man sei kein Geheimbund, aber lege viel Wert auf Privatsphäre. Die früheren Kontakte seiner Familie zu Diktatoren räumt er ein. Die Rechtfertigung: Man handele im Auftrag von Jesus und wolle Frieden verbreiten.

Viele Wählerstimmen bei der 'Familie'

"Wir haben kürzlich hochrangige Ukrainer und Russen bei einem Dinner zusammengebracht. Wie soll man Probleme lösen, wenn man nicht miteinander spricht? Wir möchten, dass Palästinenser und Israelis am selben Tisch sitzen, Inder und Pakistani, Russen und Ukrainer. Kommunikation ist wichtig, um Barrieren von Hass und Misstrauen einzureißen", sagt Dough Burleigh, Leiter von 'The Family'.

Er selbst sei wegen seiner Russland-Kontakte sogar schon vom FBI verhört worden, aber man habe ihm nichts vorwerfen können. Außerdem bitte er Politiker auch nicht direkt um Gefallen, wie er am Beispiel eines US-Kongressabgeordneten veranschaulicht, der zur Familie gehört.

"Tony Hall kam in den Kongress und ein Jahr später traf er Jesus. Niemand aus dieser Familie hat ihm jemals gesagt, was er beim Thema Abtreibung tun soll. Aber er las die Heilige Schrift und erkannte, dass man keine ungeborenen Kinder tötet. Niemand musste ihn davon überzeugen oder ihm das sagen", so Doug Burleigh.      

Auch all den Präsidenten sage die Familie bei ihrem Nationalen Gebetsfrühstück nicht direkt, was sie von ihnen erwarte. Sehr zufrieden zeigt Burleigh sich bis jetzt mit Donald Trump.

"Viele wirklich gute Dinge sind passiert. Ich kann nicht in sein Herz schauen. Ich weiß nicht, was er denkt. Aber ich weiß, dass er ein Kind von König Jesus ist. Er wurde als Ebenbild Gottes geschaffen. Und die Heilige Schrift sagt mir, dass ich für ihn beten muss. Und das tue ich", sagt Doug Burleigh. 

Nicht nur Gebete, sondern auch Wählerstimmen kann sich Trump von der einflussreichen Familie erhoffen. Wohl auch deshalb wirkt der Präsident beim Nationalen Gebetsfrühstück sehr zufrieden.

Autor: Jan Philipp Burgard/ARD Studio Washington

Stand: 16.02.2020 20:27 Uhr

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