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USA: Bitcoin-Boom und Klimafresser

USA: Bitcoin-Boom und Klimafresser | Bild: WDR

Klimaziele oder Kryptowährung: für Yvonne keine Frage. Im Bus geht es nach Buffalo zur  Umweltbehörde. Mit ihrer Bürgerinitiative will sie ein Moratorium für das Bitcoin-Schürfen in New York unterstützen. Ihre Bewegung mag klein sein, aber sie sind kampferprobt. Ihnen geht es nicht nur darum, ihre eigene Region zu retten, sondern um Klimaschutz für alle. "Das Schürfen von Kryptowährung verbraucht mehr Energie als ganze Länder wie Argentinien, Schweden oder Pakistan", sagt die Vizepräsidentin von 'Seneca Lake Guardian'.

Auf ihrer Seite haben sie die Abgeordnete Anna Kelles. Sie hat ein Gesetz auf den Weg gebracht, das eine dreijährige Pause für die Bitcoin-Vorstellung fordert, um Umweltschäden zu untersuchen. "Wir müssen die Kryptowährungen daran hindern, Kraftwerke zu kaufen – besonders fossile. Denn das wird jedes bisschen unserer Anstrengungen im Klimawandel zunichtemachen", erklärt Anna Kelles.

Ein Kraftwerk, das die ganze Region beeinflusst

Die Geschichte spielt im kleinen Örtchen Dresden, hier will man die großen Krypto-Schürfer stoppen. Der Seneca See, etwa vier Autostunden nördlich von New York, ist Schauplatz einer beispielhaften Auseinandersetzung. Hier in der Region der Finger Lakes lebt man vom Tourismus, der Landwirtschaft und schon seit dem 19. Jahrhundert dem Weinbau.

Und dann kam Bitcoin. Abi zeigt uns, welche Auswirkungen die digitale Währung auf ihr kleines Paradies hat. Eine riesige Röhre ragt in den Seneca-See, hier wird Kühlwasser ohne Filter aus dem See gepumpt. Fische und Pflanzen werden mit eingesogen. "Wir haben Luftprobleme, Wasserprobleme und Geräuschbelästigung. Wenn das so bleibt, zerstört es unser Leben hier und in jeder anderen Stadt, in der solche Bitcoins und andere Kryptowährungen hergestellt werden", erzählt die Aktivistin.

USA: Eine riesige Röhre ragt in den Seneca-See, um Kühlwasser aus der See zu pumpen
USA: Eine riesige Röhre ragt in den Seneca-See, um Kühlwasser aus der See zu pumpen | Bild: WDR

Ihre Wut richtet sich gegen die Firma 'Greenidge Generation'. Die hat ein stillgelegtes fossiles Kraftwerk gekauft und mit einer alten Genehmigung zu neuem und schmutzigen Leben erweckt, um den Energiebedarf von für das Schürfen von Bitcoin möglichst billig zu decken. Hier wird jetzt wieder Gas verbrannt. Das zeigt Greenidge stolz auf der eigenen Website. Die Server stehen demnach direkt in der Halle. Geschätzte Produktion derzeit: 19 Megawatt – genug um eine Kleinstadt zu versorgen. Damit ist die Firma der erste Bitcoin-Schürfer mit einem eigenen Kraftwerk. Abi und Yvonne beraten über weitere Strategien gegen Greenidge, sie wollen den See retten und die Bitcoin-Schürfer in ihre Grenzen weisen.

Beide sind entschlossen, das Unternehmen zu stoppen und ein Gesetz gegen die Nutzung von stillgelegten fossilen Kraftwerken durchsetzen. Für Yvonne ist es eine Herzenssache, der See ist ihre Heimat: "Ich trinke dieses Wasser, es ist in jeder Zelle meines Körpers. Es bedeutet mir viel im Hinblick auf meine Familie. Das Haus meiner Urgroßeltern auf dem Hügel ist nach meiner Großmutter benannt, die Straße auch. Das hat große Bedeutung für mich."

Dass Greenidge das erhitzte Kühlwasser über einen Bach ganz legal zurück in den See leiten darf, bedeute extremen Stress für die Fische, auch Algenblüten häufen sich schon jetzt. "Wenn diese Anlage den Seneca-See zum Umkippen bringt, wird es Jahrzehnte dauern, bis sich der See wieder erholt, wegen seiner Tiefe und Größe könnte das sehr lange dauern", erzählt Yvonne.

Auch die örtlichen Winzer machen sich Sorgen. Schon seit einigen Jahren wird es immer wärmer, die Feuchtigkeit ist höher denn je, es gibt mehr Ungeziefer. "Die Herausforderungen für den Traubenanbau sind sowieso schon groß. Dieses Projekt mit der Aussicht, noch mehr Treibhausgase in die Atmosphäre zu blasen, beeinflusst nicht nur den Seneca-See, sondern es wird die Trauben in der Region und darüber hinaus betreffen", warnt Winzer Vinnie Aliperti.

Geld schlägt Klimaschutz... noch

Schon jetzt ist die Luftbelastung mit CO2 in der Seenregion durch das Kraftwerk gewaltig. Dabei läuft es derzeit mit nur 13 Prozent Kapazität. Greenidge will das durch Ausgleichs-Zertifikate kompensieren.

Der Umweltwissenschaftler Robert Howarth macht sich Sorgen, dass noch mehr Bitcoin-Minen ans Netz gehen. Hier an der Cornell-Eliteuniversität hat er sich auf Treibhausgase spezialisiert und berät den Staat New York beim Erreichen der Klimaziele. "Wir wollen in acht Jahren nur noch 15 Millionen Tonnen CO2 produzieren, aber schon dieses eine Werk verursacht bei Volllast eine Million. Wenn wir womöglich noch weitere 18 fossile Kraftwerke zulassen, ist das mehr als der Stromverbrauch des gesamten Staates. Dann erreichen wir unser Klimaziel nicht – und das ist eine ernste Sache", sagt der Cornell-Professor.

Geldgier schlägt Klimaschutz, finden die Aktivisten. Denn längst haben auch andere Hersteller von Digitalgeld das Modell Billigstrom aus alten Dreckschleudern entdeckt. Auch wenn ihr Gesetz im ersten Anlauf im Abgeordnetenhaus gescheitert ist, sie werden weiterkämpfen. Greenidge Generation hat auf unsere mehrfachen Interviewanfragen nicht reagiert. Man will sich wohl nicht so gerne in die Karten sehen lassen.

Autorin: Christiane Meier / ARD Studio New York

Stand: 04.07.2021 20:34 Uhr

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