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Ukraine: Drohen und Gegendrohung

Ukraine: Drohen und Gegendrohung | Bild: picture alliance/dpa/Lithuanian Ministry of National Defense/AP

ARD-Korrespondent:innen berichten über die militärische Antwort auf den russischen Militäraufmarsch. ARD-Studios Moskau, Wien und Stockholm. Im Studio ein Gespräch mit dem deutschen Ex-Botschafter in Moskau, Rüdiger von Fritsch.

Litauen: NATO-Truppen zur Verstärkung

"In Litauen sind die Anspannungen derzeit deutlich spürbar. Denn im baltischen Land sagt man sich: Wenn Russland wirklich irgendwann einmal die Ukraine angreift, sind wir vielleicht die nächsten! In Litauens Nachbarland Belarus stehen bereits russische Streitkräfte. Sie planen in den nächsten Tagen eine militärische Übung, sagt die belarussische Regierung. Auch deshalb freut man sich gerade in Litauen über jede Hilfe aus dem Westen." Die Verstärkung kommt aus der Luft. Vier dänische F-16 Kampfflugzeuge landen am Donnerstag auf der Litauischen Airbase Siauliai. Mit einer zusätzlichen Fregatte will Dänemark das baltische Land unterstützen. Verteidigungsminister Anušauskas nimmt die Jets persönlich unter die Lupe. Angesichts der russischen Truppen in der Region sei die Abschreckung der NATO jetzt besonders wichtig. "Wir wissen nicht, wie lange die russischen Truppen bleiben und wir kennen ihre Aufgabe nicht. Aber die NATO sollte sehr wachsam sein. Denn so eine große Anzahl an russischen Soldaten ändert die Situation in der gesamten Region."

Bundeswehrfahrzeuge auf Eisenbahnwagen
Die Bundeswehr ist in Litauen präsent  | Bild: SWR

Litauen ist seit 2004 in der EU und in der NATO. Deshalb sind auch 500 deutsche NATO-Soldaten hier. In Rukla führen sie eine internationale NATO-Kampftruppe an. Hagen Ruppelt ist ihr Kommandeur. Gerade werden Fahrzeuge aus Deutschland geliefert. Keine Aufstockung der Truppen, betont er, sondern ein regulärer Tausch. "Die rund 1.200 Soldaten der sechs Nationen, die hier die Batllegroup formen, sind ausreichend, um gemeinsam mit den Litauern die Verteidigung des Landes zu trainieren. Und wir werden immer wieder phasenweise bei bestimmten Übungen Verstärkungskräfte aus Deutschland reinverlegen. Und das ist aus meiner Sicht ein gutes Paket, was wir hier schnüren. Auf der einen Seite hier eine glaubwürdige Abschreckung zu demonstrieren und auf der anderen Seite nicht zu provozieren." Für Kommandeur Ruppelt geht es in ein paar Tagen mit seinen Truppen wieder nach Hause. Dann kommen neue deutsche NATO-Soldaten nach Litauen − in eine angespannte Lage. 

Rumänien und Bulgarien: NATO zeigt Präsenz

Rumänien fordert schon lange, dass die NATO-Ostflanke endlich verstärkt werden soll – das wird wohl jetzt Realität werden. Frankreich hat angekündigt Rumänien mit Truppen zu unterstützen. 800 Soldatinnen und Soldaten sollen hier her verlegt werden. Und auch die Bundeswehr wird sich beteiligen. Die deutsche Luftwaffe wird ab Mitte Februar Eurofighter nach Rumänien schicken. Aus Sicherheitskreisen heißt es außerdem: Falls die Ukraine angegriffen wird, schickt die NATO sofort weiter 1.000 Soldaten. Schon jetzt zeigt das Militärbündnis Präsenz und Stärke. Regelmäßig hält die NATO groß angelegte Militärübungen auf rumänischem Gebiet ab. Die könnten immer wichtiger werden, denn die Landgrenze zur Ukraine beläuft sich auf 650 Kilometer.

Mehrere Panzer im Manöver
Immer wieder übt die NATO in Rumänien | Bild: SWR

Das Vertrauen der Rumänen in die NATO ist in letzter Zeit deutlich gestiegen. 70% der Menschen glauben, dass die NATO Rumänien im Falle eines Krieges verteidigen wird. Die Sympathien liegen momentan klar bei den USA, nicht bei Russland. "Die gegenwärtige Krise zeigt wieder einmal was ich im Kreis der Alliierten immer wieder gesagt habe: Der Präsenz der Alliierten an der NATO-Ostflanke zu stärken, auch in meinem eigenen Land, ist sehr wichtig für die regionale Stabilität", so Klaus Iohannis, Präsident Rumäniens. In Bulgarien ist die Lage ähnlich. In der letzten Parlamentsdebatte wurde deutlich: die Armee ist nicht auf modernstem Stand, einige Flugzeuge kommen noch aus Sowjetzeiten. Um sich im Falle eines Krieges verteidigen zu können, braucht Bulgarien die NATO. Widerstand gegen die Stationierung der zwei geplanten Kampflugzeuge, die die Niederlande schicken, gibt es nicht. Im Gegenteil. Bulgarien ist gerne Teil der Drohgebärde gegen Osten, freut sich auch über die zwei angekündigten Marineschiffe aus Spanien, die im schwarzen Meer patrouillieren sollen.

Ukraine: Kriegsangst und Zuversicht

Über 100.000 russische Soldaten stehen an der Grenze. Viele Menschen in der Ukraine befürchten, dass es zum Krieg kommen könnte. Nach einer aktuellen Umfrage glauben 48 Prozent der Ukrainer das. Doch 39 Prozent denken, dass es zu keiner Invasion kommen wird. Kriegsangst und Zuversicht auf eine friedliche Lösung halten sich also annähernd die Waage. Bilder der Nachrichtenagentur Reuters vom vergangenen Donnerstag. Normalität in der Hauptstadt Kiew. "Ich denke es wird keine Lösung geben", sagt ein Mann. "Das geht so träge voran, wie es zuvor auch schon war." Eine Frau meint: "Ich hoffe auf eine friedliche Lösung. Ich kann kaum darüber reden, ohne zu weinen. Ich bin für friedliche Verhandlungen."

Mehrere Haubitze
Die Ukraine bereitet sich auf den Fall der Fälle vor  | Bild: SWR

Warum glauben so viele Ukrainer, dass es keinen Krieg geben wird. Das habe ich den Soziologen Wladimir Paniotto gefragt. Er hat die Umfrage durchgeführt. "Grundsätzlich sind rund 40 Prozent der Menschen Russland gegenüber positiv eingestellt. Manche Leute glauben einfach nicht, dass Russland die Ukraine angreifen könnte." Im Grenzgebiet üben Soldaten der ukrainischen Armee. Man will vorbereitet sein – auch wenn man noch an eine diplomatische Lösung glaubt. Der ukrainische Präsident Selenskyj jedenfalls warnt. Selbst "angesehene Staatschefs" sprächen davon, dass es morgen Krieg geben wird. "Diese Panik brauchen wir nicht."

Autoren: Christian Blenker, ARD-Studio Skandinavien und Baltikum, Anna Tillack, ARD-Studio Südosteuopa, Joachim Angerer, ARD-Studio Moskau

Stand: 01.02.2022 14:03 Uhr

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