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Türkei: Wahlkampf im Erdbebengebiet

Türkei: Wahlkampf im Erdbebengebiet | Bild: WDR

Samandağ die Stadt in der Provinz Hatay ist noch immer stark vom Erdbeben gezeichnet. Auf den Straßen: Kaum Wahlplakate. Es gibt keine großen Kundgebungen, Veranstaltungen finden ohne Musik statt. Es ist diesmal ein leiser Wahlkampf. Er versucht es mit Süßigkeiten: Hüseyin Yayman, Abgeordneter der türkischen Regierungspartei AKP.

Türkei: Hüseyin Yayman ist lokaler Abgeordneter der türkischen Regierungspartei AKP.
Türkei: Hüseyin Yayman ist lokaler Abgeordneter der türkischen Regierungspartei AKP. | Bild: WDR

Doch Umfragen könnten aber besser sein. Die Begeisterung hier sicherlich auch. "Bei meinen Treffen sage ich immer. Ich bin nicht hier, um Politik zu machen. Ich bin hier, um euer Leid zu teilen. Um gemeinsam die Wunden zu heilen", sagt der Abgeordnete. Doch das Zeltlager neben dem Süßwarenladen ignoriert Yayman. Aber dann sieht er in einer Seitenstraße eine Frau mit ihren Kindern vor einem Zelt. Ein willkommener Termin. "Hallo. Wie geht’s euch? Wie geht’s dir Prinzessin? Wo ist Deine Familie?", fragt er. Und er verspricht, dass ihre Wünsche erfüllt werden. Und dass jeder innerhalb kurzer Zeit ein Haus oder eine Wohnung bekommen soll.

Dann geht es weiter zu Geschäftsbesitzern. Die AKP ist bekannt für Wahlgeschenke. Denn die Regierungspartei steht unter Druck: Schlechte Wirtschaftsdaten, Missmanagement beim Erdbeben. Vetternwirtschaft. Es könnte also knapp werden, bei den Wahlen.

Die Opposition sieht Chancen

Darauf hofft sie: Suzan Sahin, Abgeordnete der Oppositionspartei CHP. Die Anwältin besucht in Iskenderun ein Lager mit Erdbebenopfern. Sahin, die aus der Gegend stammt, dort stark verwurzelt ist, geht auf die Menschen zu, spricht mit ihnen, hört zu. Sie findet: Die Regierung im Krisenmanagement versagt. "Hier wird es bald unerträglich heißt werden. Müssen die Menschen hier unter diesen Umständen leben? Es sind drei Monate vergangen, ganze drei Monate. Menschen bauen Häuser in drei Monaten. Hat unser Staat nicht die Möglichkeiten dazu?", fragt Suzan Sahin.

Türkei: Suzan Suhin, Abgeordnete der Oppositionspartei CHP, will den politischen Wechsel.
Türkei: Suzan Suhin, Abgeordnete der Oppositionspartei CHP, will den politischen Wechsel. | Bild: WDR

In einem Vorort von Iskenderun schwört Suzan Sahin die Parteianhänger auf die heiße Phase ein. Die Befürchtung: Die Regierung könne Auszählung manipulieren. Deshalb soll jede Wahlurne bewacht werden. "Jetzt haben wir einen Kampf, den wir führen müssen. Diesen Kampf führen wir für die gesamte Türkei. Der Wohlstand der Menschen, momentan ist es katastrophal, hängt von dieser Wahl ab", sagt die Abgeordnete.

Hüseyin Yaymans Wahlkampfstrategie: Islam, die Nation. Und Erdogan. Er besucht das konservative Bergdorf KAPI-SUYU in der Nähe von Samandag. Ein Heimspiel. Yaymans gesteht zwar Fehler am Beginn des Erdbebens ein, verweist aber darauf, dass jetzt alles richtig laufe. Die Menschen hier würden das auch so sehen, sagt er: "Ich selbst schaue kaum auf die Umfragen. Ich achte eher auf das, was ich auf der Strasse  von den Menschen höre. Wir wollen eigentlich keine Politik machen, aber die Menschen wollen das. Ich denke, dass das Erdbeben sehr wenig am Wahlverhalten ändern wird."

Yayman ist sicher, dass auch diesmal die religiösen und konservativen Wähler:innen hinter seiner Partei stehen. Und der alte auch der neue Präsident sein wird. Ein Wahlkampf mit viel Pathos. "Die Menschen in Hatay wollen das Gefühl von Sicherheit und Zuneigung haben. Natürlich brauchen wir vieles. Aber wichtig sind vor allem Liebe, Zuneigung und das Nicht-Vergessen werden", sagt Hüseyin Yaymans.

Der Schmerz sitzt immer noch tief

"Ich weiß nicht was ich machen soll, ich habe Angst vor diesen Wahlen", sagt dieser Ladenbesitzer zu Suzan Sahin. Nur mit Liebe und Zuneigung könnten die Menschen nicht überleben, meint die Abgeordnete bei einem Rundgang im Geschäftsviertel von Iskenderun. Viele Geschäfte haben zwar offen, aber machen keinen Umsatz. Sahin will das mit einem Regierungswechsel ändern: "Es gibt keinen anderen Ausweg für dieses Land. Die Menschen hier fühlen das noch mehr als die Menschen in den anderen 70 Provinzen. Denn wir wurden vergessen, wurden alleine gelassen."

Trauer überwiegt in diesen Zeiten. Suzan Sahin zeigt uns, wo sie am Tag nach dem Erdbeben war. Hier weinte eine Frau um ihren toten Sohn und ein Junge verlor beide Beine. Weil keine Hilfe kam. Und dann ist auf einmal der Wahlkampf ganz weit weg.

Autor: Markus Rosch / ARD Studio Istanbul

Stand: 08.05.2023 09:05 Uhr

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