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Türkei: Aufwind für Nationalisten?

Türkei: Aufwind für Nationalisten? | Bild: BR

Anatolien: Auf dem Weg in die knapp 6000-Einwohner-Stadt Tefenni. Ein Gebet für nach Mekka reisende Gläubige. Sie tragen deshalb grüne Kopfbedeckung. Tefennis Bewohner sind konservativ und religiös. Die Mehrheit wird jedoch voraussichtlich am 31. März bei den Kommunalwahlen keinen Bürgermeister der Erdogan-Partei AKP wählen.

Bürgermeister mit österreichischer Vergangenheit

Der jetzige, das ist der in Österreich geborenen Ümit Alagöz. Er tritt für die nationalistische Rechtsaußenpartei MHP an. Ein bisschen kann er noch die Sprache seiner Kindheit. Tefenni soll wie eine österreichische Stadt werden, sagt Alagöz: „Mein Traum ist, ein kleines Österreich hier einbauen. Jede Straße, habe ich Traum, zum Beispiel die Stadt Salzburg in Österreich. Ist eine sehr schöne Stadt und ich vermisse die Stadt. Und die Stadt wollte ich hier sehen, also in Tefenni.“

Tefenni ist beschaulich. Viele junge Menschen haben die Stadt in der Vergangenheit verlassen, sind in die Großstädte Istanbul oder Ankara gezogen. Alagöz sagt, er konnte durch verschiedene Projekte die Abwanderung bremsen. Langsam würden Arbeitsplätze entstehen. So produziere die Kommune selbst den Kies für Straßen- und andere Bauprojekte. Das sei auch nötig, denn das Geld aus Ankara reiche nur für die Gehälter der Mitarbeiter der Stadtverwaltung: „Wir spüren die Wirtschaftskrise aufgrund der zurückgehenden kommunalen Einnahmen. Manche Bewohner können ihre Wasser- und Stromrechnung oder ihre Grundsteuer nicht bezahlen. In den letzten sechs Monaten sieht man das deutlich.“

Klare Kante gegen Kurden

Die nationalistische Partei MHP forderte stets die härtesten Maßnahmen gegen Vertreter oder Sympathisanten der als Terrororganisation eingestuften kurdischen PKK. Für die meisten Kurden ist es undenkbar einem MHP-Mann die Stimme zu geben. Doch in Tefenni könnte selbst das möglich sein, wie der Kurde Ibrahim Ayhan bestätigt: „Ich würde ihn wählen. Bei dieser Wahl darf man nicht eine Partei wählen. Wer für die Stadt arbeitet, den soll man wählen.“

Alagöz gilt als fleißig. Das ist einer der Gründe, warum ihn die Menschen in Tefenni wählen. Doch er vertritt auch knallharte nationalistische und radikale MHP-Positionen. So fordert Alagöz für Landesverräter die Todesstrafe: „Mit Landesverrat meine ich folgendes: Die Türkische Republik ist eine Einheit. Ihre Fahne ist die mit dem Halbmond und dem Stern. In jeder Ecke des Landes weht diese Fahne. Wer immer auch das Land mit einer anderen Fahnen symbolisieren möchte, wer auch immer auf türkische Streitkräfte schießt, ist ein Landesverräter. Und für diese Landesverräter muss die Todesstrafe kommen.“

Der Wahlkampf der MHP

Bis zur Wahl treffen sich die MHP-Anhänger regelmäßig abends im Parteibüro. Die Propagandamaschine für Ümit Alagöz läuft. Türkischer Nationalismus kennt keine Springerstiefel oder Bomberjacken. Der gemeinsame Nenner ist der Kampf gegen die PKK und gegen Linke. Auch Türken, die lange in Deutschland gelebt haben, kennen keine Berührungsängste. Im Gegenteil, wie ein MHP-Anhänger sagt: „Ich bin ein Adolf Hitler-Fan. Glauben sie mir. Wie soll ich sagen? Ich war 13 mit der MHP, jetzt bin ich 54, bin immer noch bei der MHP.“

In Tefenni gibt es einen Kandidaten der MHP und einen Kandidaten der Erdogan-Partei AKP. Auf kommunaler Ebene wird konkurriert. Auf nationaler Ebene haben Erdogan und die MHP ein Bündnis geschlossen und auch in den meisten Großstädten. Umfragen zeigen, dass die AKP ohne die MHP dort die Wahl nicht gewinnen würde.

Schulterschluss zwischen MHP und AKP

50-jähriges Jubiläum der Nationalisten in Adana: Die Basis feiert mit dem Wolfsgruß – das Zeichen der MHP-Anhänger. Rechts und links neben Parteichef Bahceli stehen AKP-Politiker. Anhänger schimpfen auf die vier Millionen syrischen Flüchtlinge im Land und glauben, der Rest der Welt habe sich gegen die Türkei verschworen.

Seitdem Bahceli mit Erdogan kooperiert, fragen sich viele warum. Die MHP hat keinen Ministerposten in Erdogans Kabinett. Bahceli ist nicht einmal stellvertretender Staatspräsident.

Bürgermeister Alagöz sagt, nach dem Putschversuch im Juli 2016 wurden viele Soldaten und Polizisten festgenommen, weil sie als Umstürzler verdächtigt wurden. Die Erdogan-Partei lasse nun zu, dass deren Posten durch MHP-Anhänger besetzt werden. Das bringt die MHP natürlich in eine wichtige Position. Damit hat die Partei das Sagen bei der Verteidigung des Landes. Das ist Macht. Auf alle Fälle.

Die Jugendorganisation der MHP Nationalisten, die Grauen Wölfe in Tefenni. Der deutsche Verfassungsschutz stuft die fast überall in der Türkei aber auch in Deutschland aktiven Grauen Wölfe als rechtsextrem und rassistisch ein. Der Wolfsgruß wurde vor kurzem in Österreich verboten. Auch in Deutschland wurde ein Verbot diskutiert. Graue Wölfe sind in der Türkei die Polizisten und Soldaten von morgen, erklärt deren Anführer.

Fleiß und Nationalismus – das kommt an in Tefenni, weiß Bürgermeister Alagöz. Auf das Dach des Marktes will er Solaranlagen bauen; deutsche Technologie, die sei am Besten. Die Wirtschaftskrise in der Türkei führe dazu, dass mehr Türken statt der AKP die MHP wählen, glaubt der Nationalist und geht davon aus, dass er bis zu 70 Prozent bei der Wahl Ende März bekommt.
Der Wolf am Ortseingang der anatolischen Stadt zeigt Besuchern wer auch in Zukunft hier das Sagen hat.

Autor: Oliver Mayer-Rüth, ARD Istanbul

Stand: 10.03.2019 21:57 Uhr

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