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Türkei/Griechenland: Grund für einen Krieg?

Türkei/Griechenland: Grund für einen Krieg?  | Bild: dpa / picture-alliance

Es gab auch Zeiten, da war die Nähe des türkischen Kaş und der griechischen Insel Kastellorizo förderlich für die Aussöhnung der beiden Staaten. Damals besuchten sich die Menschen wöchentlich, Griechen gingen auf den türkischen Markt, Türken nahmen das Fischerboot zum Kaffeetrinken auf der Insel. Wenige Kilometer trennt die Türkei hier von Griechenland. Die Zeiten haben sich geändert. Jetzt ist die Meerenge Aufmarschgebiet für Militärschiffe beider Nationen. Der Gasstreit heizt sich immer mehr auf. Und hier sind Menschen direkt betroffen.

Kontakt zu Freunden nur noch per Telefon

Kastellorizo – das nur neun Quadratkilometer große Inselchen in der südlichen Ägäis könnte ein Traumort für Touristen sein. Glasklares Wasser und eine blaue Grotte, die es mit Capri aufnehmen kann. Yorgos Karayanni lebt von Bootstouren um die Insel und ans türkische Festland. Das war in den letzten Jahren eine lukrative Einnahmequelle. Jetzt fährt er fast nur noch Einheimische und seine Existenz steht auf dem Spiel. "Dieses Jahr werden wir uns nicht mehr erholen. Wegen der Pandemie. Aber ich hoffe, dass eines Tages alles vorbei sein wird und dass die Menschen unsere Insel wieder besuchen können. Dass wieder bessere Tage kommen für die ganze Welt und auch hier für uns"

Yorgos Karayanni auf seinem Boot
Schwere Zeiten für Yorgos Karayanni und seine Bootstouren  | Bild: SWR

Zur Corona-Krise kommt jetzt aber noch die politische Krise. Griechenland und die Türkei beanspruchen beide die Hoheitsgewässer zwischen der Insel und dem Festland. Damit gerät Yorgos mit seinem Geschäft mitten in einen internationalen Konflikt und einen Streit, den es für ihn nie gab. "Die Situation hat sicher Folgen, aber die guten Beziehungen halten an. Sie rufen uns ständig an, um zu fragen, wie es uns geht, und wir rufen immer zurück. So sind die Beziehungen immer noch gut". Telefonieren, das ist derzeit der einzig mögliche Kontakt zu Freunden und Verwandten im gegenüberliegenden Kaş.

Streit um das Erdgas im Mittelmeer

Kaş. Von dort fährt der Tauchlehrer Yusuf täglich mit Schülern in das zwischen dem türkischen Festland und der griechischen Insel Kastelorizo umstrittene Gewässer. An der engsten Stelle sind Insel und Festland nur zwei Kilometer voneinander entfernt. Alles sieht nach Urlaub und Erholung aus. Doch eine türkische Fregatte in einer der Buchten macht deutlich, wie angespannt die Lage in der Region derzeit ist. Athen beansprucht dieses Gebiet als exklusive Wirtschaftszone. Die Türkei wehre sich dagegen zurecht, so Yusuf. "All das hier wäre dann griechisches Gewässer. Das halte ich für sehr ungerecht. Das ist Blödsinn." Griechenland beruft sich auf ein internationales Seerechtsabkommen. Jede Insel vergrößert demnach das Gebiet im Meer, das von einem Land beansprucht wird. Die Türkei hat dieses Abkommen jedoch nie unterzeichnet. 

Tauchlehrer Yusuf
Die griechische Insel Kastelorizo ist in Sichtweite  | Bild: SWR

Der Streit um Ansprüche auf Gewässer rund um Kastelorizo hat allerdings noch eine viel größere Dimension. Die Türkei sucht im östlichen Mittelmeer nach Erdgas. Die türkische Marine begleitet das Forschungsschiff Oruc Reis. Und auch dieses Gewässer ist zwischen Ankara und Athen umstritten. Einer von Yusufs Tauchschülern ist zwar kein Unterstützer des türkischen Staatspräsidenten. Doch er findet auch, die Türkei sollte an den Erdgasvorkommen in der Region beteiligt sein. "Wenn es ein Recht gibt, dann sollten wir dieses Recht in Anspruch nehmen", meint Erkan Avci. "Wenn es unser Recht ist nach Erdöl und Gas zu suchen, dann sollten wir das auch machen."

Wunsch nach Normalität

Von weitem sieht Yusuf immer wieder auch griechische Fregatten. Vor ein paar Wochen kollidierten ein griechisches und ein türkisches Marineschiff. Das Säbelrasseln hat ein gefährliches Ausmaß angenommen. "Das ist der Hafen von Kastelorizo, da lag gestern eine griechische Fregatte. Wir haben auf der anderen Seite unser Kriegsschiff. Manchmal fliegen Kampfhubschrauber und Kampfflugzeuge." Plötzlich kommt ein Funkspruch der griechischen Marine. "Verlassen sie sofort das griechische Territorium", so die Warnung. Man spürt die Spannung in diesem Gewässer. Yusuf ignoriert den Funkspruch. Sein Schiff könne gar nicht gemeint sein, sagt der Tauchlehrer. Außerdem sei ja auch umstritten, wo die Grenze liegt.

Kykkos Mayafis und Hurigul Mayafi
Kykkos Mayafis und Hurigul Mayafi: ein griechisch-türkisches Ehepaar | Bild: SWR

Zurück auf der Insel. Diese Taverne betreiben Kykkos Mayafis und seine Frau Hurigul. Er aus Kastellorizo, sie aus Kaş. Vor acht Jahren haben sie geheiratet. Ein Thema waren die Nähe zur Türkei und die politischen Reibereien immer, aber kein Problem wie jetzt, erinnert sich das Paar. "Es gab nicht diese Trennung, der Grieche und die Türkin, als wir geheiratet haben", erzählt Hurigul Mayafi. "Wir waren doch jahrelang Freunde, Kastellorizo und Kaş." Und Kykkos Mayafis meint: "Am Anfang war es schon etwas merkwürdig, denn es war die erste Ehe zwischen Kastellorizo und Kaş. Danach war aber alles normal und als ich nach der Hochzeit das erste Mal nach Kaş reiste, kannte ich die Einheimischen schon, das war ganz vertraut und überhaupt nichts Unbekanntes für mich dort " Auf der Insel wünschen sich alle die Normalität zurück, aber auf höherer Ebene nehmen die Spannungen von Tag zu Tag zu.

Und das spüren die wenigen ausländischen Gäste. "Ich denke, es wäre klug, ein wenig besorgt zu sein", sagt eine britische Touristin. "Als wir hier angekommen sind, haben wir sehr viele Soldaten aus der Fähre aussteigen sehen." Die kleine Insel Kastellorizo und ihre Bewohner sind in den Mittelpunkt eines aggressiver werdenden Konflikts geraten. Kykkos hofft, dass die Zeiten wieder besser werden und die Leute in seine Taverne kommen. Jedoch: So weit weg wie jetzt war die türkische Küste noch nie.

Autoren: Anja Miller, ARD-Studio Rom und Oliver Mayer-Rüth, ARD-Studio Istanbul

Stand: 07.09.2020 11:15 Uhr

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