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Bolivien: Kriegsmarine auf dem Titicacasee

Bolivien: Kriegsmarine auf dem Titicacasee | Bild: SWR

Die bolivianische Marine. Bei einer militärischen Übung. 3.800 Meter über dem Meeresspiegel, auf dem Titicacasee. Diaz meint: "Die Übungen sind wichtig. Wir bereiten uns auf mögliche militärische Operationen vor. Wenn wir zurückkehren zum Meer, müssen unsere Leute gut trainiert sein." Eine Seestreitmacht ohne Meer. Doch trotzdem der ganze Stolz des Landes. Jedes Jahr bewerben sich mehr junge Bolivianer für den Kriegsdienst in der Marine als es Plätze gibt.

Ein Soldat der bolivianischen Marine.
Ein Soldat der bolivianischen Marine. | Bild: SWR

Dieses Jahr tritt zum ersten Mal eine Division von Kampftaucherinnen an. Für Frauen ist der Kriegsdienst nicht verpflichtend. Alle hier haben sich freiwillig gemeldet. Und alle hier träumen von einer pazifischen Seemacht. Eine Kampftaucherin sagt: "Wir haben keinen Meereszugang mehr. Aber wir sehnen uns danach. Das Meer wäre eine Lösung für so viele Probleme – außerdem will ich es gerne kennenlernen."

Vor mehr als 130 Jahren hat Bolivien den eigenen Küstenstreifen im sogenannten Salpeterkrieg an Chile verloren. Ein nationales Trauma bis heute. Zudem könnte Bolivien heute mehr denn je einen eignen Meereszugang gebrauchen. Denn die bolivianische Wirtschaft floriert. Ein Wachstum von 6,5 Prozent im vergangenen Jahr. Genügend Rücklagen und kaum noch Staatsverschuldung. Bolivien boomt. Das südamerikanische Land hat unter Präsident Evo Morales ein neues Selbstbewusstsein entwickelt und will sich seine Küste von Chile zurückholen. Friedlich.

Evo Morales, Präsident Boliviens, fordert: "Die Rückkehr zum Meer ist das Recht des bolivianischen Volkes. Aus diesem Grund ist eine Aufgabe der Streitkräfte, das maritime Bewusstsein zu stärken. Alle Bolivianer sollten bereit sein für den Moment, wenn unser Land den Zugang zum Meer zurückgewinnt. Mit friedlichen Mitteln."

Zum Beispiel vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Morales hat seinen Vorgänger Carlos Mesa mit der "Maritimen Sache", wie er sie nennt, beauftragt. Er soll Bolivien in Den Haag vertreten.

Carlos Mesa, Ex-Präsident Boliviens, erklärt: "Es geht nicht um eine direkte Klage im Sinne von: hier, dieses Stück Land gehört uns und Chile soll uns das zurückgeben. Es ist auch kein Grenzkonflikt oder ein Territorialstreit. Chile soll von Den Haag verdonnert werden, sich zurück an den Verhandlungstisch zu setzen und mit uns offen über Lösungen zu sprechen." Die angedachte Lösung: Ein eigener souveräner Hafen, dringend nötig, wenn Bolivien wirtschaftlich weiter wachsen wolle.

Täglich fahren hunderte LKW über das Hochplateau Richtung Chile, Richtung Meer. Beladen mit Soja, Holz und Zucker. Warten im Stau an der chilenischen Grenze, auf knapp 5.000 Metern Höhe. Eusebio Paca, LKW-Fahrer erzählt: "Die chilenischen Grenzbeamten sind gemein. Wir brauchen hier einen ganzen Tag an der Grenze. Die durchsuchen uns von oben bis unten. Das hat etwas mit unserer Forderung nach dem Meerzugang zu tun. Die können sich halt nicht anders rächen, als uns mit Papierkram zu schikanieren."

Das Ziel der LKW: Arica. Den chilenischen Hafen darf Bolivien nutzen - sogar mit Begünstigungen, die im Vertrag von 1904 festgelegt wurden. Und der Hafen profitiert vom Wachstum Boliviens – die bolivianischen Exporte und Importe machen mehr als 80 Prozent der Abwicklungen aus. Marcelo Hozven Donoso, Terminal Puerto Arica sagt: "Der bolivianische Handel ist unglaublich wichtig für diesen Hafen. Unsere Herausforderung ist es, unsere Dienstleistungen immer weiter zu verbessern und an unsere Bolivianischen Klienten anzupassen."

Der Hafen von Arica platzt aus allen Nähten. Investitionen wären dringend nötig – und Bolivien wäre bereit, sich daran zu beteiligen. Ein Kompromiss, ein Gemeinschaftshafen mit Chile. "Bolivien hat mittlerweile große Reserven", sagt Carlos Mesa, Ex-Präsident Boliveniens, „mit denen es eine solche Investition locker machen könnte. Ganz anders als noch vor ein paar Jahren, da konnten wir nicht einmal im Traum daran denken.“

Nicht weit weg von Arica liegt Cobija der einstige bolivianische Hafen und Meereszugang. Wo früher Gold und Mineralien verschifft wurden, döst jetzt ein kleines Fischerdorf. Selbst wenn Bolivien dieses Stück Küste zurückbekäme – hier einen neuen Hafen aufzubauen, wäre viel zu teuer. Und die etwa 100 Bewohner von Cobija, alles Chilenen, sind ganz und gar nicht begeistert. Gullermo Primero Obregón Flores, chilenischer Fischer, regt sich auf: "Chile hat eben damals den Krieg gewonnen, Mensch. Es ist doch lange alles gut gewesen – jetzt macht Bolivien Terz. Wir haben doch den Peruanern schon Land abtreten müssen, jetzt wollen die Bolivianer auch noch ans Meer."

Matrosen der bolivianischen Marine bei einer Übung.
Matrosen der bolivianischen Marine bei einer Übung. | Bild: SWR

Die Marinedivision am Titicacasee trägt jedenfalls noch immer den Namen der früheren bolivianischen Küste: Calamar. Schiffskapitän Adalid Alfaro sagt: "Das bleibt Teil unseres Landes, auch wenn wir es verloren haben. Wir schärfen unseren Seeleuten ein, dass wir niemals unsere alten Territorien an der Meeresküste vergessen dürfen."

Aber noch träumen die bolivianischen Matrosen nur vom Meer. Und trainieren auf dem Titicacasee, dem bolivianischen Ersatz-Ozean. Immerhin der höchste der Welt.

Autorin: Karin Feltes, ARD-Studio Rio de Janeiro.

Stand: 26.08.2014 08:40 Uhr

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