So., 15.10.23 | 18:30 Uhr
Das Erste
Südafrika: Black Rugby
Rugby steht in Südafrika beim Sport ganz oben. Aber lange Zeit galt auch dort die Apartheid. Es gab eine Liga der weißen Clubs und eine der schwarzen. Erst jetzt wird die lange Tradition des Schwarzen Rugby erforscht.
"Wir müssen die komplette Geschichte des Rugbys erzählen"
Die Gegner, das sind Looser. Skandiert der Einpeitscher. Die Rugbymannschaft der Hudson-Schule in East-London stürmt das Feld. Rugby ist der Sport Südafrikas. An den Turnier-Wochenenden heben die Fans regelrecht ab. "Rugby ist für uns, was für euch Fußball ist. In der Schule sprechen wir eigentlich nur über Rugby. Dafür brennen wir."
Sporthistoriker Philani Nongogo forscht zu der Geschichte des Rugbys. Vor allem aber auch zum "Schwarzen Rugby", denn bisher ist nur die Geschichte des Sports der Weißen in Südafrika erzählt. "Wir müssen dieser Geschichte ein humanes Gesicht geben, eine Stimme, und vor allem müssen wir die komplette Geschichte des Rugbys erzählen. Hier haben wir einen ganz guten Mix an Hautfarben, den du allerdings nicht in Johannesburg findest, oder in anderen Provinzen." Hier scheint die Apartheid überwunden zu sein, jene Politik, mit der weiße rassistische Regierungen die Gesellschaft spalteten.
Schwarze wurden jahrzehntelang ausgegrenzt
1984 während der Apartheid sah Rugby so aus: Weiß. Die Spieler und die Zuschauer! Schwarze wurden medial systematisch ausgeblendet. Und das war eine große Täuschung. Denn Schwarze spielten auch Rugby – schon lange. Zum Beispiel in Grahamstown. Hier bei dieser Kirche wurde schon 1887 der schwarze Rugby-Club Winterrose gegründet, einer der ersten überhaupt. Ein historischer Ort, den so gut wie niemand kennt, für Philani ein wichtiger Teil der Geschichte des schwarzen Rugbys.
Hier auf diesem Feld haben sie damals schon den Sport der Weißen gespielt, den Sport der Menschen, die Ihnen ihr Land geklaut hatten. "Das erste Mal, das Afrikaner Rugby gesehen haben, war als englische Soldaten es gespielt haben", erklärt Philani Nongogo. "Die haben es ihnen aber nicht beigebracht, sie durften nur zuschauen. Beigebracht haben es ihnen die Missionare, hauptsächlich schottische Missionare. Sie spielten eine große Rolle, sie brachten es ihnen nicht nur bei, sondern sie trainierten sie auch." Damit begann die Geschichte des Schwarzen Rugbys. Überall am Kap entstanden Clubs. Aber weil schon die britischen Kolonialherren ein rassistisches System eingeführt hatten, mussten die Schwarzen unter sich bleiben.
In King Williams Town, am Kap von Südafrika, ist im Amathole-Museum eines der wichtigsten Archive südafrikanischer Rugby-Geschichte. Für Sporthistoriker Philani eine wahre Fundgrube mit Zeitungen aus dem zwanzigsten und neuzehnten Jahrhundert. Hier liegen auch Dokumente der nicht-weißen Rugby-Tradition. "Die Schwarzen gründeten eine interessante Institution Die Südafrikanische Sportvereinigung, die setzte sich nicht nur für die Öffnung von Rugby für Schwarze ein, sondern für eine Liberalisierung aller Sportarten." Mit wenig Erfolg. Rugby wurde während der Apartheid zunehmend politisch. Es gab eine Liga der weißen Clubs und eine der schwarzen – nie spielten sie gegeneinander.
Rugby als Weg in eine bessere Zukunft
Philani trifft sich mit Thandi August. Der Ex-Rugby Spieler wurde bei einem Spiel sehr schwer verletzt. Seitdem ist er querschnittsgelähmt. Er ist ein wichtiger Zeitzeuge für Philani, denn er spielte Rugby in den Siebzigern, der Hochzeit der Apartheid. "Wir hatten keine Sportplätze. Auf den Feldern auf den wir spielten war kein Gras, sondern Schotter. Man konnte sich sehr leicht verletzen. Das war Teil der Apartheid-Systems, wir sollten dort bleiben, wo wir waren. Die weißen Schulen, die waren viel besser ausgestattet. Hatten Trainingsgeräte, Spielfelder und diese Dinge." Erst mit der Präsidentschaft von Nelson Mandela wurde die Apartheid auch im Rugby abgeschafft. Für Nelson Mandela war es das Symbol, das die Nation einigen sollte: Persönlich überreichte er die Trophäe als das gemischte südafrikanische National-Team 1995 die Weltmeisterschaft holte.
Philani trifft Emani Watiwane, der in einem kleinen Dorf lebt. Für ihn ist die Zeit der Apartheid weit weg. Der 16jährige strebt eine Rugby-Karriere an und ein Jurastudium. Der Sport könnte für Emani ein Weg in eine bessere Zukunft sein. Das Potential hat er. Noch ist es nur ein Traum, denn auch heute noch schaffen es nur wenige Schwarze aus der Provinz in die Topliga. Die großen Rugby-Vorbilder sind meist immer noch weiße Spieler. "Ich habe ihn gesehen. Die Art wie er auf der Flanke spielt. Nicht so wie die anderen. Ich wollte nicht spielen wie die. Nein! Ich will spielen wie Evan Roos." Eines ist gleichgeblieben. Schulen und Clubs, in denen vorwiegend Weiße spielen, haben bessere Trainingsbedingungen. Auch das gehört zur Realität des schwarzen Rugbys. Immerhin ein Talentsucher hat Emani entdeckt und zu einem Turnier in Johannesburg eingeladen.
Autor: Alexander Stenzel
Stand: 16.10.2023 17:36 Uhr
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