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Sambia: Kleinbauern müssen Großfarmen weichen

Sambia: Kleinbauern müssen Großfarmen weichen | Bild: SWR


Fast zwei Stunden lang ist das ARD Team durch den Busch gelaufen, auf der Suche nach Bauern, die ihre Dörfer verlassen mussten. Vertrieben worden seien sei, erklären sie. Fast zwei Stunden laufen auch diese Bauern täglich, um Wasser zu holen. Manche der Kinder gehen nicht mehr zur Schule – der Weg ist zu weit. Dort wo die Familien früher wohnten, wirtschaften heute Großfarmen – Investoren aus dem Ausland.

Um international konkurrenzfähig zu werden und Arbeitsplätze zu schaffen, setzt die Regierung des Landes auf diese industrialisierten Betriebe. Und auch, weil die Kleinbauern es nicht schaffen, die dringend benötigten Nahrungsmittel für Sambia zu produzieren. Eine Mischung aus beidem wäre die Lösung. Der Weg dahin ist allerdings holprig, wie Thomas Denzel (ARD-Studio Johannesburg) beim Wandern durch den Busch erfahren hat.

Frauen sitzen im Wald auf dem Boden
Viele der Familien, die verjagt wurden, leben jetzt im Wald. | Bild: SWR

Ein Waldgebiet in Sambia – irgendwo hier leben die Familien, die den Großfarmen weichen mussten. Nur Trampelpfade gibt es hier. Am Ende kommen wir nur noch zu Fuß weiter. Ein Menschenrechtsanwalt führt uns her – er will den Leuten hier helfen. "Die Menschen, die so abgelegen leben, tun das natürlich nicht freiwillig", erklärt Brigadier Siachitema von der Hilfsorganisation SALC. "Nur so weit entfernt konnten sie Land finden, auf dem sie wenigstens vorläufig bleiben können." Wie weit die Leute fliehen mussten erfahren wir hautnah – erst nach fast zwei Stunden Fußmarsch kommen wir an. Hier muss nun auch diese Familie leben – von ihrer alten Farm wurden sie vertrieben, sagen sie. Neun Kinder, Vater Bernard Mwape und seine Frau Edna. Regelmäßig kommt Anwalt Siachitema in den Wald und trifft die Leute hier. Er hört sich ihre Geschichten an, um die Fälle, wenn möglich, vor Gericht zu bringen. "Ein weißer Farmer sagte uns, dass wir weg müssen", erzählt Mwape. "Dann hat er rund um unser Dorf alles niedergemacht und Bäume gefällt. Wir hatten Angst einer könnte auf unser Haus fallen. Wir fühlten uns nicht mehr sicher und hatten keine andere Wahl als zu gehen."  

Familien leben jetzt im Wald

Wo sie jetzt leben haben sie kein Wasser. Die Kinder und ihre Mutter müssen täglich mit Plastikcontainern zu einer Wasserstelle laufen – und die ist eine Stunde entfernt. "Wo wir früher wohnten konnte ich die Kinder auch alleine schicken", sagt Edna. "Hier würde ich mir Sorgen machen." Über 50 Familien, die verjagt wurden, leben nun hier im Wald, sagt die Organisation "Human Rights Watch". Landesweit seien es tausende Menschen. Die Leute erzählen, viele ihrer Kinder könnten nicht mehr zur Schule gehen, weil die nun zu weit entfernt sei. Irgendwo hier lag einst die kleine Farm von Familie Mwape – heute wird hier industrielle Landwirtschaft betrieben, von einem Großfarmer aus dem Ausland.

Getreide in Hand von Farmer
Ein Großfarmer betreibt jetzt industrielle Landwirtschaft. | Bild: SWR


Jason Sawyer kam aus dem Nachbarland Simbabwe, er wurde von dort vertrieben, erzählt er uns. So wie viele andere weiße Farmer. Nun soll er in seiner neuen Heimat selbst Menschen verjagt haben. Er weist das von sich. "Wir wollen hier bleiben", sagt er. "Ich will meine Kinder hier aufziehen und mein Vater will hier begraben werden. Deshalb haben wir ein Interesse daran, bei den Umsiedlungen einen Kompromiss zu finden, der alle glücklich macht." Fest steht: Sawyer hat das Land von der sambischen Regierung erhalten – und im Besitz des Staates ist es vorher gewesen. Er erzählt uns, dass er 80 Arbeitsplätze geschaffen hat. Und dass es die Regierung war, die ihn dazu verpflichtet hat, die noch ansässigen Kleinfarmer auf Land in der Nachbarschaft umzusiedeln. "Es stimmt, dass wir mit unseren Feldern immer näher an ihre Häuser herankamen", sagt er. "Aber wir haben sichergestellt, dass dabei niemand in Gefahr gerät. Wir haben den Leuten nicht einmal gesagt, dass sie weg müssen. Die meisten wussten schon Bescheid und sind einfach von selbst gegangen."

Abhängigkeit von den Investoren

Für einige der umgesiedelten Menschen hat Sawyer Häuser aus Stein bauen lassen. Er zeigt uns das Haus, in dem nun Dickson Chisenga lebt. Es war Sawyer, der uns unbedingt hierher führen wollte – und wir spüren seinen Stolz. Der Bewohner soll als Positivbeispiel auftreten – sagt dann aber etwas ganz anderes. "Ich bin hier sehr unglücklich" sagt Dickson Chisenga. "Mein altes Haus war grösser: es hatte 3 Zimmer, eine Küche, Toilette und Bad. Hier sind es nur zwei Zimmer – und der Ackerboden hier ist nicht so gut." Jason Sawyer ist verärgert – aber er will im Gespräch mit Chisenga und seiner Familie bleiben. Uns versichert Saywer, er habe bisher nie Beschwerden von ihnen gehört.

Dickson Chisenga
Dickson Chisenga ist unzufrieden mit seinem neuen Zuhause.  | Bild: SWR


Konflikte wie dieser entstehen, weil die Regierung Sambias auf die industrielle Landwirtschaft setzt: sie hofft auf mehr Arbeitsplätze und mehr Lebensmittel. Export erlaubt sie deshalb erst, wenn der Bedarf im eigenen Land gedeckt ist. Investoren wie Jason Sawyer lockt sie mit günstigen Landpreisen nach Sambia. Und die Umsiedlung der noch ansässigen Menschen ist Teil dieses Entwicklungsplans. Wir sprechen mit dem lokalen Regierungsbeauftragten – und spüren schnell wie abhängig Sambia von den Investoren ist. "Wir wollen ja nicht, dass sie wieder zusammenpacken und gehen", meint Francis Kalipenta, Regierungsbeauftragter für den Distrikt Serenje. "Als Entwicklungsland brauchen wir Investoren. Aber sie sollten das nicht ausnutzen und uns erpressen, indem sie unsere Regeln für die Umsiedlung missachten."

Ein neues Feld hat Bernard Mwape angelegt – mitten im Wald. Doch ihre Lebensbedingungen sind weit entfernt von dem was die Regierung vorschreibt: kein Krankenhaus ist in der Nähe und keine Schule. Anwalt Siachitema sagen sie: niemand habe ihnen je eine neue Bleibe angeboten. Und ihre alte Heimat sei ohne ihr Wissen vom Stammesoberhaupt weggegeben worden. Hier sieht der Anwalt eine Chance. "Wenn die Betroffenen nicht eingeweiht waren, dann lief das nicht korrekt", erklärt Brigadier Siachitema. "Vor Gericht werden wir deshalb beantragen, den Vertrag rückgängig zu machen. Das Land sollte wieder seinen ursprünglichen Besitzern gehören." Doch das könnte schwierig werden – und noch lange dauern. Bis dahin muss die Familie noch Wasser schleppen – täglich zwei Stunden.

Stand: 01.08.2019 02:30 Uhr

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