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Polen: Hilfe und Sicherheit für Flüchtlinge

Polen: Hilfe und Sicherheit für Flüchtlinge  | Bild: WDR

Dorohusk – einer der acht Grenzübergänge an der polnisch-ukrainischen Grenze. Ich kannte solche Bilder aus dem Fernsehen. Aber die Anspannung, die Angst, diese verlorenen Blicke, die sah ich jetzt zum ersten Mal in echt. Wir waren gerade live auf Sendung und ich konzentrierte mich auf meinen Text, da sah ich aus dem Augenwinkel eine Frau mit roter Mütze und Kind. "Was erlebst du dort an der Grenze?"

"Ich steh hier gerade an dieser Grenze, diese Dame ist auf mich zugekommen und sie spricht deutsch. Ich muss mal fragen, was sie zu sagen hat", sagt Isabel Schayani und die Frau antwortet: "Ich heiße Oksana, ich bin Deutschlehrerin, ich bin mit meinem Kind aus Kiew gekommen. Am zweiten Tag des Krieges. Mein Ehemann sagt, wir sollen bleiben, es wird alles stabil sein." Wie lang mussten sie warten? Nicht so lang.

Keine Bleibe auf Dauer

Immerhin hat sie erstmal eine Adresse in Polen für eine Woche. Bei Verwandten. Das haben viele hier an der Grenze nicht. Ich bleibe mit Oksana in Kontakt. Sie schreibt: Sie wohne jetzt in Krakau mit sieben Personen in einem Zimmer. Eine Woche später fahren wir zu ihr. Und schon ist die Sache mit der Gastfreundschaft ein großes Thema. "Sie hat uns für eine Woche eingeladen. Es ist schon der sechste Tag. Ich verstehe, es wird anstrengend. Für ihren Partner", erzählt Oksana.

Wir sollen besser nicht die Wohnung zeigen, denn Oksana möchte das Verhältnis zu den Gastgebern nicht überstrapazieren. Schlechtes Gewissen und dünnes Eis. "Gestern habe ich mit meinem Ehemann telefoniert. Er ist in Kiew geblieben. Und ich habe gesagt: Hey, dürfen wir zurückkommen. Und er hat gefragt. Noch eine Woche sollen wir hier bleiben, damit klar wird, ob Belarus auch direkt am Krieg teilnimmt."

Polen: Millionen Menschen fliehen vor dem Krieg aus der Ukraine
Polen: Millionen Menschen fliehen vor dem Krieg aus der Ukraine | Bild: WDR

Weil es in dem Zimmer zu siebt eng ist, gehen sie schon vor dem Frühstück in den Park. Was macht man, wenn man nicht weiß, was morgen ist? Geschweige denn nächste Woche?
Schlafen, Kochen, Spazieren. In Kiew hat Oksana Deutsch studiert und unterrichtet. Seit unserer Begegnung an der Grenze und auch hier in Krakau beobachte ich, dass sie – auch hier in Polen – diesen Krieg nicht los wird. Ihre Mutter hat sie auch hierher mitgebracht. "Das war mein Hauptziel, warum ich geflohen bin, dass das Kind diese schrecklichen Momente nicht sieht."

Stefanie wurde hier in Krakau erstmal krank. Dafür hat sie jetzt die Oma immer bei sich. Sie schlafen zu dritt auf einem Sofa. Oksana sorgt jetzt für ihre Mutter und ihre Tochter. Vieles, was ihr Mann früher machte, muss sie übernehmen. Alles ist für alle neu. Darüber ein kleiner Austausch mit Stefanie.

"Ich habe hier keine Freunde. Mein Freund Kostja ist in Wollin. Kostja ist mit Kira schon weggefahren. Kostja ist Kiras Bruder." "Wann ist dein Geburtstag?" "Am 26. August." "Wen wirst du einladen?" "Ich weiß ja nicht, wo das dann sein wird. Aber wenn es zu Hause ist, dann kommen Kostja, Kira und das ist alles."

 Ungewisse Zukunft für Ukrainer:innen

Mittlerweile sind hier einige andere Mütter mit ihren Kindern auf diesem Krakauer Spielplatz. Aber wir hören nur noch Ukrainisch und Russisch. Und stellen fest: Es sind alles Frauen aus der Ukraine. Viktoria und ihre Tochter Lolita sind aus dem zerbombten Charkiv geflohen. Übrigens auch: Oma, Mutter, Tochter. "Wir sind zum zweiten Mal hier. In Krakau gibt es ja viele Drachen. Meine Tochter mag die. Wir haben diesen hier schon gekauft. Einen ukrainischen Drachen natürlich, mit unserem blau und gelb. Und alle wissen jetzt, dass wir Ukrainer sind", erzählt sie. "Wie lange können Sie hier bleiben?"
"Ich weiß nicht. Ich weiß es nicht, wir hoffen, dass wir bald heimkehren können." "Wir sind bei unseren Verwandten." "Sind Sie Reisende?" "Kann man sagen. Reisende. vielleicht."

Die Mütter beobachten sich von weitem. Und auch die Kinder halten Abstand. Oksana fällt auf, dass Viktoria russisch spricht. Sie geht noch mehr auf Distanz. "Was haben sie jetzt beobachtet?" "Dass sie russisch sprechen. Ich wollte einfach erklären, dass meine Stefanie nur Ukrainisch spricht und ich verbiete, auf russisch zu sprechen. Wenn ich jetzt weiß, dass sie aus Charkiv ist und die Stadt ist fast zerstört, diese Menschen haben vielleicht die Häuser verloren. Dann ist die Sprache nicht so wichtig. Aber wenn ich russisch höre, dann komme ich zu den Menschen nicht", sagt Oksana.

Und  nun beobachten wir ein kleines Spielplatzglück: Die anderen ukrainischen Kinder nehmen Stefanie einfach an die Hand und spielen mit ihr – da ist jemand froh. In den ersten sechs Tagen haben sie die Rente der Mutter bereits aufgebraucht. Es ist unklar, wovon sie leben werden. Wie soll ihr Mann ihnen Geld nach Polen schicken. Sie sparen, vor allem am Essen. Die Ladenbesitzerin bemerkt, das Oksana Ukrainerin ist. Wie sie selbst.

Autorin: Isabel Schayani

Stand: 14.03.2022 16:30 Uhr

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Westdeutscher Rundfunk
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