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Pakistan: Kaschmir-Konflikt ohne Ende

Pakistan: Kaschmir-Konflikt ohne Ende | Bild: dpa / picture-alliance

Sie sind verheiratet und doch durch eine Demarkationslinie getrennt. Mushaal Malik ist eine bekannte Künstlerin und lebt im pakistanischen Teil Kaschmirs. Ihren Mann, Yasin Malik, bekommt sie so gut wie nicht zu Gesicht. Er lebt im indischen Teil Kaschmirs. Er sieht sich als eine Art Gandhi, der auf friedlichem Weg die Wiedervereinigung des geteilten Kaschmirs erreichen will. Sehr oft wird er deshalb eingesperrt.

Die Familie ist zerrissen wie das Gebiet, in dem sie leben. Kaschmir: Das sind mehrere Kriege, tausende Tote, Waffenstillstände, die nicht halten, weil zwei Atommächte, Pakistan und Indien, um das Territorium streiten. Seit 70 Jahren. Markus Spieker (ARD Neu Delhi) über einen Konflikt, der einfach nicht enden will.

Verletzte im Krankenhaus
Immer wieder kommt es an der Grenze zu Schießereien.  | Bild: SWR

Kaschmir, pakistanische Seite. Die Grenze zu Indien ist fünfzig Kilometer entfernt. Viel näher dürfen ihr Fremde nicht kommen. Auch keine westlichen Kamerateams. Warum, sieht man hier. In Muzaffarabad, der regionalen Hauptstadt. Im Militärkrankenhaus liegen Menschen aus den Grenzdörfern, die hinein geraten sind in die regelmäßigen Schusswechsel an der Frontlinie zwischen pakistanischen und indischen Sicherheitskräften. "Ich war mit einem Bus unterwegs", erzählt der Student Jawad Sultan, "als die indische Armee das Feuer eröffnet hat. Sie haben den Fahrer erschossen und zwei meiner Onkel. Ich habe mich hinter den Leichen verschanzt, aber auch zwei Kugeln abbekommen." Es gibt hohen Besuch, von einer Frau, die hier als Heldin verehrt wird. Mushal Malik kämpft für einen eigenen Staat Kaschmir – unabhängig von Pakistan, aber auch von Indien mit seiner von vielen Kaschmiris verhassten Hindu-Regierung. "Das ist ein Segen, dass die Menschen in Kaschmir auf beiden Seiten die Selbstbestimmung wollen. Und Indien versucht das mit Gewalt zu verhindern."

Gegenseitige Vorwürfe

Stadtansicht Srinagar
Die Lage in den Städten der Grenzregion ist angespannt. | Bild: SWR

Hundert Kilometer weiter, auf der indischen Seite. Auch hier sind die meisten Menschen Muslime. Die Hauptstadt heißt Srinagar und auf den Straßen wimmelt es von Soldaten und Polizisten. Schutz gegen den fast alltäglichen Terror. Der örtliche Chef der hinduistischen Regierungspartei BJP, unterwegs zu einem Krisentreffen. Wie soll man umgehen mit den letzten Bombenanschlägen, vor allem auf Schulen. Bekannt hat sich dazu niemand. "Natürlich steckt Pakistan dahinter", sagt Ali Mohammad Mir von der BJP. "Es unterstützt Terroristen. Pakistan hat wegen Kaschmir mehrere Kriege angezettelt und dabei nichts erreicht. Jetzt wiegeln sie die Leute hier gegen Indien auf. Aber das wird nicht klappen."

Und was sagen die Schüler? Für sie ist längst nicht so klar, wer hinter den Anschlägen steckt. "Keine Ahnung, ob Terroristen den Anschlag verübt haben oder vielleicht sogar die indischen Behörden", sagt die Schülerin Abida Rehman. "Jedenfalls sollten die Schuldigen streng bestraft werden, bevor sie wieder eine Schule attackieren." Wegen der zerstörten Klassenzimmer gibt es nur eingeschränkten Unterricht. Die Schüler gehen nicht nur deshalb einer unsicheren Zukunft entgegen. Die Jugendarbeitslosigkeit in und um Srinagar ist hoch. Kein Wunder, wer will hier schon investieren?

Als Terror-Unterstützer verdächtigt

Flüchtling Yaseen Mir
Yaseen Mir | Bild: SWR

Auch sie kommen aus der Gegend von Srinagar, wurden aber aus dem indischen Teil ausgewiesen und leben nun in einer Flüchtlingsunterkunft auf der pakistanischen Seite. Der Vorwurf der indischen Behörden: Sie würden Terroristen decken. "Ich bin ein einfacher Mann", sagt der Flüchtling Yaseen Mir, "aber sie behaupteten, ich hätte Kontakt zu pakistanischen Terroristen, ich sollte ihnen Hinweise geben. Sie haben mich schwer gefoltert. Gucken Sie sich mein Bein an." Arbeiten kann er nicht mehr. Mit seiner Familie lebt er von weniger als einem Euro am Tag. Besuch und Hilfe von seinen Verwandten im indischen Teil – unmöglich.

Das Schicksal teilt er mit vielen Menschen im Kaschmir. Die meisten haben jenseits der Grenze Verwandte, die sie seit Jahren nicht gesehen haben. Auch Mushal Malik ist von ihrem Mann getrennt. Er ist geboren in Indien, lebt auch dort – aber meistens im Gefängnis. Er sieht sich als eine Art Gandhi, kämpft gewaltlos für ein vereintes und unabhängiges Kaschmir. Mushal, die aus einer pakistanischen Familie stammt, heiratete ihn vor sieben Jahren und hat ihn, genau wie die gemeinsame Tochter, seit zwei Jahren nicht gesehen. "Ich hätte mich auch für ein normales Leben entscheiden können", meint Mushal Malik. "Aber meine Seele ist nun mal unruhig und sie hat sich mit ihm verbunden gefühlt. Das Leben ist so kurz, und ich will mein Leben für die Menschlichkeit einsetzen."

Kommt die Wiedervereinigung?

Fluss und Berge in der Kaschmirregion
Kaschmir war lange Zeit eine Brücke zwischen unterschiedlichen Welten und Kulturen. | Bild: SWR

Genau wie ihr Ehemann. Der ist auf der indischen Seite gerade wieder einmal aus dem Gefängnis entlassen worden. Er hatte im Dezember zu einer Demonstration aufgerufen, war deshalb verhaftet worden. "Mein Eindruck ist, die indische Regierung fürchtet sich mehr vor gewaltlosen Protesten als vor echtem Terror", so Yasin Malik. "Sie verbietet Demonstrationen, geht mit brutaler Gewalt dagegen vor, tötet sogar Demonstranten." Das war vor allem im letzten Jahr der Fall. Die indische Armee hatte einen angeblichen Terroristen getötet. Dessen Anhänger gingen dagegen auf die Straße. Die Polizei schoss scharf. Zahlreiche Demonstranten wurden getötet.

Dennoch hoffen viele Kaschmiris auch nach siebzigjähriger Teilung auf eine Wiedervereinigung – auch wenn im Moment wenig dafürspricht. "Als Deutschland noch geteilt war, hat doch auch kein Intellektueller an eine Wiedervereinigung geglaubt. Aber am Ende hat sich dort der Volkswille durchgesetzt." Für ein geeintes Kaschmir wirbt seine Frau auf einer Pressekonferenz nach der anderen. Die pakistanischen Behörden dulden das, wohl um die Indische Regierung zu provozieren. Von den dortigen Menschenrechtsverletzungen solle die Welt endlich Notiz nehmen. "Wenn, Gott bewahre, Terroristen in den USA zuschlagen, dann sind alle sofort alarmiert", sagt Mushal Malik. "Aber es gibt kaum Interesse für unseren Freiheitskampf, der berechtigt und friedlich ist, zumindest ist er im Moment noch größtenteils friedlich." Derzeit deutet allerdings nichts darauf hin, dass sich nach 70 Jahren des Konfliktes die vielen Gegensätze überbrücken lassen. Dass Kaschmir wieder das wird, was es lange war: eine Brücke zwischen unterschiedlichen Welten und Kulturen.

Stand: 13.07.2019 20:58 Uhr

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