So., 03.12.23 | 18:30 Uhr
Das Erste
Norwegen: Die Kohlenstoff-Verpresser
Kohlendioxid CO2 ist ein wichtiges Spurengas in der Erdatmosphäre. Ohne CO2 wäre unser Planet kalt und unbelebt. Denn CO2 und andere so genannte Treibhausgase sorgen dafür, dass die Atmosphäre sich erwärmt. Seit der Industrialisierung gelangt durch menschliches Wirken aber immer mehr CO2 in die Atmosphäre, was in der Konsequenz zu globaler Erderwärmung führt. CO2 entsteht in großen Mengen bei der Produktion von Zement. In Norwegen soll das in einem Zement-Werk von Heidelberg Materials entstehende CO2 aufgefangen, abgeschieden und dann verflüssigt tief unter den Meeresboden verpresst werden.
Ein CO2-Filter für das Zementwerk
Diese drei sollen dabei helfen, ihr Zementwerk klimaneutral zu machen. Hier in Brevik im Süden Norwegens haben sie direkt neben dem Zementofen eine Filteranlage gebaut. Und lernen nun, wie sie damit bald das Treibhausgas Kohlendioxid einfangen können. "Wir nutzen Dampf, Chemikalien, Wasser, hohen Druck, sehr hohe Temperaturen", erklärt Tessa Knutsdatter von Heidelberg Materials. "Alles das muss zusammenspielen." Die Zementindustrie ist für große CO2 Emissionen verantwortlich. Denn wenn in den heißen Öfen Kalkstein verbrannt wird, entsteht besonders viel Kohlendioxid. Hier in Brevik wagen sie deshalb etwas Neues: Mit ihrer Anlage wollen sie 400.000 Tonnen des Treibhausgases im Jahr reduzieren, erklärt Tor Gautestad, der für das Projekt verantwortlich ist. "Der eigentliche Abscheidungsprozess ist relativ einfach. Er findet im so genannten Absorber dort hinten statt. Dort fangen wir das CO2 bei niedriger Temperatur ein, in dem wir ein Amin-Lösungsmittel verwenden. Denn diese Chemikalie hat die Eigenschaft, das CO2 zu absorbieren."
In speziellen Behältern werden die Abgase also zunächst abgekühlt. Dann wird eine Chemikalie hinzugegeben und das Gemisch wird wieder erhitzt, um das CO2 abzuspalten. Unter hohem Druck wird es dann schließlich verflüssigt. Ein aufwendiger Prozess, der viel Energie frisst. Aber auch dafür haben sie eine Lösung. "Die Energie für den Abscheidungsprozess kommt hauptsächlich aus dem Zementofen", erklärt Tor Gautestad. "Wir nutzen die Abwärme. Also das, was sonst aus dem Schornstein kommt, leiten es um und nutzen es für den Prozess." Seit drei Jahren bauen sie hier schon an der Abscheidungsanlage. Finanziert wurde sie auch vom norwegischen Staat.
Der Plan: jedes Jahr 1,5 Mio. Tonnen CO2 einlagern
In Brevik wird das verflüssigte und gekühlte CO2 weitergeschickt: Per Schiff geht es über viele Kilometer entlang der Westlüste nach Kollnes, eine Autostunde von Bergen entfernt. Mitten in der traumhaft schönen Fjordlandschaft an Norwegens Westküste haben sie ein Zwischenlager gebaut. Die 12 riesigen Tanks für das verflüssigte Treibhausgas stehen schon. Hier treffen wir Sverre Overå. Der Projektleiter erwartet im kommenden Jahr nicht nur verflüssigtes CO2 aus dem norwegischen Zementwerk. Auch aus den Niederlanden und Dänemark sollen Lieferungen per Schiff kommen. Die Lage, sagt der Norweger, sei als Knotenpunkt ideal. "Hier unten bauen wir einen Tunnel für unsere Pipeline. Der geht auf 270 Meter runter. Dann geht das Rohr weiter auf dem Meeresgrund Richtung Norden und dann nach Westen hinaus in die Nordsee."
Mit der Pipeline geht es über 100 Kilometer raus auf’s Meer. Hier wird das verflüssigte CO2 dann in 2.600 Metern Tiefe für immer gelagert. 1,5 Millionen Tonnen wollen sie hier unten jährlich im Meeresboden verpressen. Ein sicherer Lagerort finden sie. Sverre Overå zeigt uns an einer Gesteinsprobe warum. "Wie du hier unten siehst, gibt es Platz zwischen diesen Steinen. Und so hat auch der Sandstein unter dem Meeresboden Zwischenräume. Hier lagern wir das CO2. Über dem Sandstein liegt eine 75 Meter dicke, feste Schieferschicht. Zusammen ergibt das eine hervorragende dauerhafte Lagerstelle."
CO2 aus ganz Europa dauerhaft speichern
Norwegen hat bereits Erfahrung beim Verpressen von CO2 gesammelt. Hier weit draußen in der Nordsee. Über dem Sleipner-Gasfeld fördern sie Erdgas und pumpen das freigesetzte Kohlendioxid direkt wieder in den Untergrund. Und das schon seit 25 Jahren.
Norwegens Ministerpräsident Jonas Gahr Støre zeigt sich im "Weltspiegel"-Interview überzeugt, dass sein Land ganz Europa dabei helfen könne, die ehrgeizigen Klimaziele zu erreichen. "Wir haben genug Platz, um in den kommenden Jahrzehnten das CO2 ganz Europas dauerhaft zu speichern. Wir arbeiten derzeit an einer Wertschöpfungskette für die Industrie. Damit sie das CO2 per Schiff und eines Tages per Pipeline zu uns bringen. Wir wollen, dass es sich wirtschaftlich lohnt. Und ich bin davon überzeugt, dass es das wird!"
Im Zementwerk in Brevik wissen sie, dass die Menge an CO2, die sie hier einfangen werden, für das Klima kaum einen Unterschied machen wird. Aber sie hoffen, dass bald mehrere Werke nachziehen. Schon nächstes Jahr wollen sie hier CO2 einfangen und es tief unter dem Meeresboden verschwinden lassen.
Autor: Christian Blenker, ARD-Studio Stockholm
Stand: 03.12.2023 20:59 Uhr
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