So., 14.12.14 | 19:20 Uhr
Das Erste
Jemen: Vormarsch der Huthi-Rebellen - Hoffnung auf mehr Demokratie?
Sada ist die Hochburg der Huthi-Rebellen im Norden des Jemen. Gut 250 Kilometer trennen Sada von der Hauptstadt Sanaa - und ein langer Kampf gegen Jemens Regierung. Er begann 2004 und mit der Revolution 2011 war er noch lange nicht vorbei.
Dhaif Allah al Schami gehört zur Führungsriege der Huthis. Vor der Revolution schickte die Regierung Bomben und danach war es auch nicht viel besser, sagt er. "Die neue Regierung hat einen Fonds geschaffen, um Sada wieder aufzubauen, aber den gab es nur auf dem Papier. Die Politiker haben sich alles selbst unter den Nagel gerissen und sie bekamen immer weiter Geld aus dem Ausland, auch aus Europa."
Huthis haben Ruf als entschlossene Kämpfer
Sada ist eine mittelgroße Stadt mit 40.000 Einwohnern, konservativ und mehrheitlich schiitisch. Die Volksdroge Kat entspannt und macht angenehme Gedanken, und so wirken viele Männer am Nachmittag eher schläfrig. Aber die Huthis haben einen Ruf als zu allem entschlossene Kämpfer. Tausende starben in den Jahren des Krieges. Seit der Kampf gegen die Regierung begann, sind nur noch selten Ausländer hier, Kamerateams fast nie.
Die Huthis kämpfen gegen Al Kaida und Islamisten, doch Israel und Amerika betrachten sie politisch auch als Feinde. Keiner trinkt hier die bekannte US-Koffeinbrause, es gibt nur die jemenitische Alternative: Dilsi-Cola.
Wut auf die amerikanische Politik
Die Wut auf die amerikanische Politk hat eine lange Geschichte: Im Kampf gegen Al Kaida verbündeten sich die USA mit der korrupten jemenitischen Machtelite. Diese ließ Bomben auf die Huthis werfen und bis heute töten amerikanische Drohnen immer wieder auch unbeteiligte Zivilisten. Die Huthis sagen: Amerikas Krieg gegen Al Kaida habe das Land in den Ruin geführt.
"Die meisten Yemeniten sind heute bettelarm. Das ist eine Folge des wirtschaftlichen Niedergangs, und der allgegenwärtigen Korruption. Und dagegen kämpfen wir an der Seite des Volkes", erklärt Dhaif Allah Al-Schami.
Kampf gegen Korruption und Vetternwirtschaft
"Tod für Amerika, Tod für Israel, Verflucht seien die Juden, Sieg dem Islam" - das ist der Huthi-Slogan. Erfolgreicher als ihr Anti-Amerikanismus ist aber ihr Kampf gegen Korruption und Vetternwirtschaft. Darum bekennen sich im Jemen auch immer mehr Sunniten zur ursprünglich schiitischen Huthi-Bewegung. "Manche Medien behaupten, es gebe im Jemen einen Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten. Das ist total falsch. Unsere Bewegung basiert darauf, dass wir alle Muslime sind und von den Vereinigten Staaten und ihren Verbündeten angegriffen werden", sagt Dhaif Allah Al-Schami.
In ihrer Hochburg Sada haben die Huthis den Kampf mit der Hauptstadt für sich entschieden. Das sieht man auch auf dem Waffenmarkt. Noch direkt nach der Revolution 2011 machten die Händler hier glänzende Geschäfte, jeder deckte sich mit Waffen ein. Aber jetzt gibt es offenbar überhaupt keinen Bedarf mehr. "Seit die Huthis in der Hauptstadt Sanaa einmarschiert sind, geht bei uns die Nachfrage zurück. Gewehre gehen noch einigermaßen, aber sonst ist nichts mehr los", erzählt ein Waffenhändler.
Regieren wollen die Huthis nicht
Die Huthis haben sich auf den Weg nach Sanaa gemacht, in die Zentrale der Macht. Sie kämpfen nach eigenen Angaben gegen Korruption, für Gerechtigkeit und Demokratie. Regieren wollten sie sie nicht, sondern die Revolution vollenden. Die Huthis haben Jemens Hauptstadt überall ihren Stempel, ihren Slogan, aufgedrückt. Sie sorgen für Ordnung in Sanaa und diktieren der Regierung ihre Forderungen allein durch ihre militärische Präsenz.
Als sie im September die Hauptstadt übernahmen, kamen mehr als 300 Menschen ums Leben.Jetzt wirkt die Stimmung entspannt. Aber immer noch gibt es vereinzelt Schießereien und Bombenanschläge. Einst war der Altstadt-Suq in Sanaa ein Touristenmagnet, das ist Geschichte. Seit der Revolution 2011 taumelt der Jemen von einer Krise in die nächste.
"Der arabische Frühling ist tot"
Menschenrechts-Aktivist Samir ist müde. Denn auch die nach-revolutionäre Regierung habe für die Leute hier nichts getan. Alle rätseln, was die Huthis wirklich wollen. In die Regierung wollen sie nicht, sagen sie. Samir bleibt skeptisch. Bislang ging es allen früher oder später immer nur um die Macht, sagt er. "Eine Revolution gab es hier nie. Was als arabischer Frühling bezeichnet wird, ist vorbei - und zwar in allen arabischen Ländern. Der arabische Frühling ist tot.“
Die Huthis kontrollieren Jemens Hauptstadt, Seite an Seite mit Armee und Polizei. Im Moment haben sie das Sagen. Sie haben Macht. Nur was sie damit anstellen werden, das weiß derzeit niemand.
Autor: Volker Schwenck, ARD-Studio Kairo
Stand: 05.01.2015 09:16 Uhr
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