SENDETERMIN So., 27.01.13 | 19:20 Uhr | Das Erste

Thailand: Pillen-Mafia – Im Land der gefälschten Medikamente

Thailand: Die Pillen-Mafia | Bild: NDR

Der Nachtmarkt im Touristenviertel in Bangkok ist ein Fälscherparadies. Luxustaschen, Edeluhren und  selbst Medikamente sind hier auf offener Straße zu haben. Rezeptpflichtige Pillen zum Schnäppchenpreis werden hier angeboten. Kritische Fragen will hier niemand hören.

Mit versteckter Kamera geben wir uns als interessierte Käufer aus! Starkes Valium oder die Potenzpille Viagra - alles Original, versichert uns diese Verkäuferin. Das, was sonst von einem Arzt verschrieben werden muss, liegt zwischen gefälschten Markenjeans. Und der Preis ist Verhandlungssache.

Männliche Touristen am thailändischen Strand.
Der Strand von Pattaya: Die Nachfrage nach Viagra ist hoch in der Sexhochburg Thailands. | Bild: NDR

Ortwechsel: Am Strand von Pattaya ist alles käuflich. Die schnelle Liebe und die kleine blaue Viagra-Pille. Wir treffen Dieter und seinen Kumpel. Dieter lebt seit über 20 Jahren in Pattaya und kennt sich aus. Das Geschäft mit der Sexpille Viagra sei hier Alltag. "Eine echte ist sehr teuer, die sich keiner leistet. Man nimmt grundsätzlich ein billiges Produkt, die Leute sind aber zufrieden."  Angst vor Nebenwirkungen haben sie nicht. "Die Leute, die hierhin kommen, wollen Freude und Spaß haben. Man sollte sich untersuchen lassen, um die Sachen zu nehmen. Aber viele nehmen diese Sachen mit Alkohol."

Testkäufe mit versteckter Kamera

Viagra-Werbeschild in Thailand.
"Wir haben Viagra" - Arztpraxen und Apotheken werben offen für die Sexpille.  | Bild: NDR / Norbert Luebbers

Mit der versteckten Kamera machen wir einen Test. Wir wollen wissen, wie leicht es ist, selbst in Apotheken an das rezeptpflichtige Medikament zu kommen? Statt Beratung wird dann sofort der Taschenrechner gezückt und der Preis präsentiert.

Alle Anbieter behaupten, dass sie das Original verkaufen. Doch die Packungen sehen jedes Mal ein wenig anders aus. Und auch der Preis ist jedes Mal ein anderer. Und: Auf Nachfrage gibt es fast immer Rabatt. In zehn Apotheken haben wir uns als Käufer ausgegeben. Niemand wollte ein Rezept sehen, niemand hat uns auf Risiken und Nebenwirkungen hingewiesen.

Gepanschte Produkte

Sextourismnus - in Pattaya ist alles billig.
In Pattaya ist alles billig.

Hält der Inhalt auch das, was auf der Packung versprochen wird? Schließlich gehört Viagra zu den am häufigsten gefälschten Medikamenten weltweit. Wir geben acht Proben in ein Universitätslabor: Vier vom Straßenverkauf in Bangkok, vier aus Apotheken in Pattaya. Schon in Reagenzglas zeigt sich: Es handelt sich bei den Pillen nicht um das gleiche Medikament. In Methanol aufgelöst zeigt jede eine andere Farbe.

Die Laborergebnisse bestätigen die Vermutung. Sieben der acht Proben sind gepanscht. Nur eine Pille aus einer Apotheke ist das Original. "Die anderen Proben enthalten alle zwar alle den Viagra-Wirkstoff, aber in deutlich geringeren Mengen - 50 Prozent und weniger. Eine Probe war sogar völlig wirkungslos", fasst Tongtavuch Anukarahanonta von der Mahidol Universität  Bangkok das Ergebnis zusammen.

Rattenkot, Dreck, Bleifarbe oder Aufputschmittel

Die meisten falschen Pillen kommen aus China. In dreckigen Hinterhöfen werden die gefälschten Medikamente zusammengebraut. Ganz offen liegen giftige Substanzen herum. Für die Pharma-Konzerne steht viel auf dem Spiel. Es geht um Riesengewinne, den Schutz der eigenen Marke. Und letztendlich um das Leben von Menschen.

"Wir haben grässliche Substanzen in einigen der gefälschten Medikamente gefunden. Rattenkot, Dreck, Bleifarbe, Aufputschmittel. Alles das wurde benutzt, um unsere Produkte zu kopieren", erzählt Scott Davis, Sicherheitsexperte des  Viagra-Herstellers Pfizer.

Kampf gegen die Pillen-Mafia

Gefälschte Viagra-Pillen
Fast 90 Prozent der Potenzpillen in Thailand sollen gefälscht sein. | Bild: NDR / Norbert Lübbers

Viagra-Hersteller Pfizer beschäftigt eigene Undercover-Ermittler, um der Pillen-Mafia das Handwerk zu legen. Sie kaufen in verschiedenen Apotheken Stichproben und prüfen sie direkt vor Ort auf Echtheit.

Handelt es sich um eine Fälschung, wird die thailändische Polizei eingeschaltet. Doch festgenommen werden meist nur die kleinen Fische - die Angestellten der Apotheke. Die Hintermänner der internationalen Pillen-Mafia bleiben oft im Dunkeln. Es geht um Milliarden-Umsätze. Das Geschäft mit gefälschten Medikamenten ist mittlerweile so lukrativ wie der Drogenhandel.   

Korrupte Polizisten und überforderte Aufsichtsbehörden haben es der Pillen-Mafia in Thailand bisher leicht gemacht. Verlierer sind ahnungslose Touristen - wenn selbst der Gang zur Apotheke nicht immer die Echtheit der Medikamente garantiert. "Es kann doch nicht unser Ziel sein, Touristen zu erklären, wie man echtes oder falsches Viagra erkennt. Es muss darum gehen, dass sie zum Arzt gehen, sich ein Rezept verschreiben lassen und solche Medikamente nicht auf der Straße kaufen", sagt  Pathom Sawanpanyalert von der thailändischen Arzneimittelbehörde Thailand.

Thailand bietet eigene Pille an

Nachtclub im thailändischen Pattaya.
Frauen als Ware: Männer kommen nicht wegen des schönen Strandes nach Pattaya.  | Bild: NDR / Norbert Lübbers

Ein frommer Wunsch, denn am Strand von Pattaya bilden Geiz, Trieb und Gedankenlosigkeit eine unheilvolle Allianz. Jetzt will der staatliche Pharmakonzern mit einer eigenen blauen Pille den Schwarzmarkt austrocknen. Die Thai-Version heisst Sidagra, ist legal und kostet gerade mal einen Euro pro Stück. Damit ist sie billiger als die meisten Fälschungen. Die billige Pille für den Herrn. Schon merkwürdig. Statt den Sextourismus im eigenen Land zu bekämpfen, spült der Staat nun weitere Potenzpillen auf den Markt. Einer zweifelhaften Gattung von Touristen kann’s nur recht sein.

Autor: Norbert Lübbers, ARD-Studio Singapur

Stand: 22.04.2014 14:11 Uhr

0 Bewertungen
Kommentare
Bewerten

Kommentare

Kommentar hinzufügen

Bitte beachten: Kommentare erscheinen nicht sofort, sondern werden innerhalb von 24 Stunden durch die Redaktion freigeschaltet. Es dürfen keine externen Links, Adressen oder Telefonnummern veröffentlicht werden. Bitte vermeiden Sie aus Datenschutzgründen, Ihre E-Mail-Adresse anzugeben. Fragen zu den Inhalten der Sendung, zur Mediathek oder Wiederholungsterminen richten Sie bitte direkt über das Kontaktformular an die ARD-Zuschauerredaktion: https://hilfe.ard.de/kontakt/. Vielen Dank!

*
*

* Pflichtfeld (bitte geben Sie aus Datenschutzgründen hier nicht Ihre Mailadresse oder Ähnliches ein)

Kommentar abschicken

Ihr Kommentar konnte aus technischen Gründen leider nicht entgegengenommen werden

Kommentar erfolgreich abgegeben. Dieser wird so bald wie möglich geprüft und danach veröffentlicht. Es gelten die Nutzungsbedingungen von DasErste.de.

Sendetermin

So., 27.01.13 | 19:20 Uhr
Das Erste

Produktion

Norddeutscher Rundfunk
für
DasErste