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Mexiko: Kein Funkloch dank Geistesblitz

Die Hügel und Täler im Süden von Mexiko sind bedeckt mit einem Wolkenmantel. Sobald der sich lüftet entdeckt man: kleine Dörfchen. Abgeschieden, mit einer Hand voll Menschen. Eine Welt mit einer anderen Zeit. Warm ist es bei Zoila. "Lecker, sehr würzig geworden", sagt Zoila Lopez.

Ein Dorf ohne Telefonnetz

Mexiko: Ganze Bergregionen sind abgeschnitten vom mexikanischen Funknetz
Mexiko: Ganze Bergregionen sind abgeschnitten vom mexikanischen Funknetz

Ihre Tortillas bereitet sie ganz in Handarbeit zu – so wie es schon immer war. Ihr Sohn kommt, vielleicht. Vielleicht heute; vielleicht morgen – Zoila weiß es nicht, denn sie hat kein Telefonnetz. "Da ich meinen Sohn sehr lieb habe, würde ich gerne mit ihm telefonieren. Dann könnten wir öfter reden, ich könnte ihn fragen wie es ihm geht, dann habe ich auch weniger Sorgen", so Zoila Lopez. Alle hier gehören zu den Mixtecas – "Wolkenvolk" – heißt das übersetzt. Manchmal läuft man zwei, drei Stunden um Verwandte zu besuchen, die sind dann nicht da, dann läuft man eben wieder zurück.

Zoila und ihr Mann leben von der Feldarbeit, doch bei aller Liebe zur Tradition – es ist 2018! Wo bleibt die Moderne? Manchmal, eher selten, wenn der Wind gut steht weht Netz herbei. Doch es ist etwas im Gange. Nicht die Spatzen pfeifen es von den Dächern, vielmehr der Dorffunk...

Dorffunk: "Guten Tag liebe Nachbarn...diese Nachricht ist für sie alle, ob sie ein Telefon haben oder nicht...am Montag werden wir ein lokales Telefonnetz bekommen, kommt und informiert euch."

Netz als ein Sozialprojekt ohne Gewinne

Mexiko: Funkloch in den Bergregionen Mexikos – kein Empfang
Mexiko: Funkloch in den Bergregionen Mexikos – kein Empfang

Da kommen sie aus der fernen Stadt. Es ist nicht irgendeine Telefongesellschaft, nein. Es ist eine Kooperative von Indigenen, die ein Telefonnetz für Indigene anbietet. Weil es sonst keiner tut. Das halbe Dorf packt mit an. "Hier zu investieren ist für die Unternehmen viel zu teuer. Darum sind die Menschen hier absolut abgehängt. Außerdem wollen die Unternehmen viel Geld mit ihren Verträgen verdienen und das haben die Menschen hier nicht", erzählt Elizabeth Castillo, Kooperative TIC.

Hilf dir selbst, sonst hilft dir keiner. Alle Technik ist Marke Eigenbau, selbst erdacht und ausgetüftelt. Bevor es losgeht, damit hier alles klappt, geht ein demütiges Bittgebet an die Schutzheiligen ihrer Täler. Der Pakt wird mit Bier und Limonade als Geschenk besiegelt.

Das eigene Netz läuft so: Die Kooperative hat bei einem gewöhnlichen Internetanbieter einen einfachen Vertrag abgeschlossen. Der Clou: Das Signal aus dem diesem Vertrag teilen sie mit allen, über die Antennen leiten sie es Tal um Tal weiter. Pfiffig und legal. Zwei Euro Grundgebühr, das passt zu den Menschen hier. Das Netz ist ein Sozialprojekt ohne Gewinne. Roberto de la Cruz ist Überzeugungstäter.

Neue Möglichkeiten für die Einwohner

Mexiko: Pfiffige Idee: Dank neuem Funkmast jetzt Handyempfang
Mexiko: Pfiffige Idee: Dank neuem Funkmast jetzt Handyempfang

"Es ist für die Gemeinschaft wichtig. Aber es ist auch ein wichtiger wirtschaftlicher Impuls. Es hilft den Menschen ihre Produkte zu verkaufen", erzählt Roberto de la Cruz. Ein wirtschaftlicher Impuls – vielmehr eine neue Zeitrechnung! Ein Dorf weiter, drei Stunden entfernt, steht das Netz schon. Sieht man direkt, oder? Die Köpfe versunken im Bildschirm. Alles potentielle Kunden für den neuen Lieferservice von Carmela Saravia. Eine Frau mit eigenem Business, das ist in der patriarchalischen Welt hier eine Revolution.

"Es fühlt sich gut an und es hilft mir wirklich finanziell. Es ist moderner und ich habe so schon viele neue Kunden gewonnen", so Carmela Saravia, Unternehmerin.

Wer bestellen will, muss sich jetzt sputen, das Mittagessen ist schnell weg. Warme Kost geliefert bei Wind und Wetter kommt gut an. Stammgast bei Carmela ist Rodolfo, der Sohn von Zoila. Zwei Tage mussten wir ihn suchen, weil wir keinen Empfang hatten. Hier sitzt er also und weiß nicht, dass er sehr bald einen Anruf bekommt.

Regierung will Gebühren abkassieren

Mexiko: Bisher immer nur Funkloch: Jetzt kann Zoila Lopez ihren Sohn anrufen
Mexiko: Bisher immer nur Funkloch: Jetzt kann Zoila Lopez ihren Sohn anrufen

Der neue Sendemast ist fast fertig. Und es wird nicht nur ein neues Netz, nein. Hier kämpft auch David gegen Goliath. Die mexikanische Regierung hat nichts für die Bewohner hier getan, will jetzt aber Millionen an Gebühren abkassieren, die Kooperative sei ja ein Netzanbieter – wenn auch nur für dreitausend Menschen. Den Fortschritt will man sich hier nicht stehlen lassen und macht weiter. Zoila ist voller Vorfreude. Fast schon aus Gewohnheit reckt sie die Hände in den Himmel. Gar nicht nötig, der ferne Sohn auf einmal so nah.

Zoila Lopez: "Wie geht‘s mein Junge, wo bist du?"
Rodolfo Lopez: "Hallo Mama, mir geht’s gut und dir?"
Zoila Lopez: "Komm morgen zu uns, ja? Ich sende dir Kleidung und Geld."
Rodolfo Lopez: "Vielen Dank."
Zoila Lopez: "Gut, pass auf dich auf, ich liebe dich sehr."

Morgen also kommt der Sohn, die Zeit der Ungewissheit ist vorbei. Die weiten Täler rücken plötzlich enger zusammen. Und das soll so bleiben.

Autorin: Xenia Böttcher / ARD Studio Mexiko

Stand: 30.08.2019 03:43 Uhr

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