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Marokko: Mit Comics für Frauenrechte

Marokko: Mit Comics für Frauenrechte | Bild: SWR

"Hshouma!" ("Schäm Dich!"). So heißt ein Buch von Zainab Fasiki. Ein Comic-Buch, das in Marokko für Aufsehen sorgt. Zainab Fasiki zeichnet, seit sie ein Teenager ist. Bilder von sich selbst, wie sie nicht sein darf: groß, stark, mutig – und nackt. Deshalb hat sie den Titel "Hshouma!" gewählt. Das ist der Standard-Spruch, den Frauen und Mädchen zu hören bekommen, wenn sie sich nicht so benehmen, wie es von ihnen erwartet wird. Die marokkanische Verfassung garantiert Frauen zwar Gleichberechtigung. Ihr Alltag ist aber voll von strengen, ungeschriebenen Regeln, an die sie sich zu halten haben.

Ungeschriebene Regeln für Frauen und Mädchen

Zainab Fasiki zeichnet, seit sie ein Teenager ist. Mit 19 fängt sie an, ihre Bilder in soziale Netzwerke zu stellen. Bilder von sich selbst, wie sie nicht sein darf: groß, stark, mutig – und nackt. "Ich war ein rebellisches Mädchen. Ich habe mich nicht um Regeln geschert. Selbst für meine Eltern war es schwer, mich zu erziehen. Mich nackt zu zeichnen, war für mich eine Art Therapie. Ich wollte mich heilen, weil ich so deprimiert war."

Stift zeichnet Comic
"Die meisten Marokkaner hassen meine Kunst" | Bild: SWR

"Die meisten Marokkaner hassen meine Kunst", steht da. Für den Weltspiegel zeichnet Zainab Fasiki, was sie so zu hören bekommt, wenn sie zeichnet: "Hure!" – "Schlampe!" – "Zur Hölle!" Und besonders oft: "Hshouma!" "Hshouma!" – "Schäm Dich!" Das ist der Standard-Spruch, den Frauen und Mädchen zu hören bekommen, wenn sie sich nicht so benehmen, wie es von ihnen erwartet wird. Die marokkanische Verfassung garantiert Frauen zwar Gleichberechtigung. Ihr Alltag ist aber voll von strengen ungeschriebenen Regeln, an die sie sich zu halten haben.

"Hshouma" heißt auch das Buch, mit dem Zainab Fasiki für Wirbel gesorgt hat. Erstmal kommt es daher wie ein reiner Aufklärungscomic. Aber dann sieht und liest man für Marokko Unerhörtes: "Sex kann auch ohne Liebe stattfinden – für eine Nacht oder mehr" … "Für viele marokkanische Frauen, die ungewollt schwanger werden, ist Abtreibung ein großes Tabu." … "Müsste man außerehelichen Sex und sexuelle Orientierung nicht entkriminalisieren?"

Sexuelle Belästigung ist überall

Dass "Hshouma" ein Buch geworden ist, hat einen Grund. Beschimpfungen, sogar Morddrohungen wegen ihrer Arbeit ist Zainab Fasiki schon lange gewohnt. Aber dann passiert etwas, was in ihr einen Schalter umlegt. In Casablanca wird eine junge Frau von einer Gruppe Männer vergewaltigt. Am helllichten Tag, in einem öffentlichen Bus. Der Fall macht weltweit Schlagzeilen. Zainab zeichnet – und erinnert sich. Auch sie ist als Studentin im Bus fast jeden Tag begrapscht worden. "Sexuelle Belästigung ist überall: im öffentlichen Verkehr, am Arbeitsplatz, zu Hause und im Internet" liest Zainab Fasiki aus ihrem Buch vor. "Es ist nicht "Hshouma", einen Badeanzug zu tragen. Die eigentliche Schande ist es, Frauen zu belästigen und zu vergewaltigen – und ihnen dann die Schuld dafür zu geben."

Frauen mit Kopftuch auf der Strasse
Zainab Fasiki schreibt für Marokko Unerhörtes | Bild: SWR

Ein Arbeiterviertel in Agadir. In einem Kulturzentrum hat eine Stiftung einen Workshop für Jugendliche organisiert. Zainab Fasiki macht sowas gerne. Für Comics braucht man nur Stift und Papier, sagt sie. Das kann sich fast jeder leisten – und dann: einfach los. Eine zeichnet den Stress zu Hause. Ein Mädchen will ausziehen, die Eltern sind dagegen. "Ich bin schon 24 und kann für mich selbst denken. Ich bin frei und mache, was ich will." "Bravo", sagt Zainab. "Mit 19 ging´s mir ganz genauso!" Sie haben viel zu erzählen. Von Unfreiheit, von Kontrolle. Von der Sehnsucht nach kleinen Fluchten. Ein paar Stunden zeichnen sie mit Zainab, und dann hat jede den Dreh für ihre Geschichte raus: "Hier waren wir Berberfrauen noch Königinnen", sagt dieses Mädchen. "Schön. Frei. Und hier: Schande. Bedeck Dich!"

"Man muss Tabus brechen"

In den sozialen Medien ist "Hshouma" mittlerweile ein viraler Begriff. Das Buch haben in Marokko aber nur wenige Händler im Sortiment. Es sind die, die sich was trauen – und die finden, dass junge Menschen solche Bücher brauchen. "Das Buch wird gelesen", sagt Salma Slaoui von der Buchhandlung Livres et loisirs. "Sei es zu Hause, sei es auf dem Weg zur Schule, sei es, dass die Jugendlichen einen anderen Umschlag drum machen, um den Titel zu verstecken. Aber es wird gelesen!"

Zainab Fasiki liest in Buch
"Hshouma!" – "Schäm Dich!" heißt das Buch von Zainab Fasiki | Bild: SWR

Öffentlich schmusen oder sich küssen ist in Marokko verpönt. "Der Strand ist unser sicherer Ort", sagt das Mädchen. Und auch Zainab ist oft hier, wenn sie mal frische Luft braucht, aber nicht unter Leute will. Ich bin gern allein, sagt sie. Aber es ist doch verrückt, dass junge Leute sich bei uns für komplett normale Dinge verstecken müssen. "Warum reden wir nicht davon, dass sie die Freiheit haben müssen, Lust und sexuelle Wünsche auszuleben? Diese Freiheit zählt in unserer Kultur überhaupt nicht, und das finde ich lächerlich. Man muss all diese Tabus brechen." Und immerhin das hat Zainab Fasiki erreicht. "Hshouma" heißt nicht mehr nur "Schäm Dich!" Es ist in Marokko ein Schlachtruf geworden – für alle, die einfach nur sein wollen, wie sie sind. Sie liest vor: "Ich erwarte nicht, dass dieses Buch meine Gesellschaft verändert. Aber ich hoffe, dass Ihr Euch mit jedem Satz besser in die Opfer des Patriarchats und des Extremismus hineinversetzen könnt. Liebe und Frieden."

Autorin: Natalia Bachmayer, ARD-Studio Madrid

Stand: 01.05.2023 00:07 Uhr

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