Mo., 21.12.15 | 04:50 Uhr
Das Erste
Madagaskar: Vanille – das schwarze Gold
Ob sie wohl riecht, wonach es hier duftet?
Ein bisschen wie in der Weihnachtsbäckerei ist es auf der Vanillefarm im Norden Madagaskars. Jeden Morgen werden die Vanilleschoten zum Trocknen in die Sonne gelegt, monatelang. So langwierig die Vanilleverarbeitung ist, so lohnend ist sie auch. Hier liegen umgerechnet hunderttausende Euro – Vanille ist in Madagaskar schwarzes Gold.
Mi Hen, Nachfahre von chinesischen Einwanderern, ist seit mehr als 40 Jahren im Vanillegeschäft: "Man riecht sofort, ob eine Schote krank ist, indem man an allen riecht. Das zeichnet einen guten Vanillebauern aus, dass er sofort die schlechten von den guten Schoten mit seiner Nase unterscheiden kann."
Ein Jahr lang Prüfungen und Kontrollen
Bis zum Export müssen die getrockneten Schoten wieder und wieder geprüft werden – eine knifflige Angelegenheit, die ein ganzes Jahr dauert.
Das Dorf Sarahandrano lebt von Vanilleanbau und -verarbeitung. Es wirkt wie aus der Zeit gefallen, ohne Werbetafeln, ohne Elektrizität, ohne Autos. Sobald die Sonne scheint, sind die Straßen voll mit Vanilleschoten, die getrocknet werden. Es duftet.
Mi Hen kennt jeden und jeder kennt ihn. Er ist der mächtigste Vanillebauer hier. Eine Zeitlang war er sogar Bürgermeister. Jeden Tag läuft er zu seiner Plantage außerhalb des Dorfes.
Die frischen Schoten, die die Frauen ernten, sind grün. Vanillepflanzen gehören zur Familie der Orchideen und wachsen lianenartig an Stützbäumen hoch. Sie brauchen viel Schatten. Das ganze Jahr über ist in der Plantage etwas zu tun: zwischen November und Januar müssen die Blüten bestäubt werden, jede einzeln, von Hand. Mi Hen zeigt, wie es geht; ein sehr diffiziler Prozess: "Wenn man beim Bestäuben nicht aufpasst, verliert man eine Schote. Aber selbst die hat schon ihren Wert: Fünf Kilo grüne Schoten ergeben ein Kilo getrocknete schwarze Vanille. Das bedeutet viel Geld. Deshalb wollen alle Vanille anbauen. Und deshalb kommen auch viele Diebe und stehlen die grünen Schoten. Das ist ein großes Problem für uns."
Denn dadurch müssen Mi Hen und die anderen Bauern die Vanilleschoten immer früher ernten, wenn sie noch nicht richtig reif sind. Dadurch leidet die Qualität. Abnehmer für das Diebesgut gibt es viele – mit Vanille lässt sich schnelles Geld machen.
Vanillemarkt in Antalaha
Die Vanille kommt auf dem gleichen Weg in die nächstgrößere Stadt wie Besucher: mit dem Boot: Antalaha ist ein beschauliches Städtchen am Meer. Den Menschen geht es hier besser als in anderen Teilen des krisengeschüttelten Inselstaates Madagaskar. Dank der Vanille. In Antalaha sitzen viele Vanille-Exporteure. Sie kaufen den Bauern aus der Umgebung frische und getrocknete Vanille ab. Einmal richtig getrocknet hält sich Vanille sehr lange und verliert ihren Wert nicht. Das Vanille-Geschäft hat daher viel mit Spekulation und Geduld zu tun. Wie bei Aktien muss man den richtigen Moment abwarten und einen langen Atem haben.
Eine Arbeiterin ist zufrieden: "Ich arbeite schon 25 Jahre lang mit Vanille. Alles dreht sich um Vanille. Ich mache das gerne, weil ich meine Familie davon gut ernähren kann. Zum Kochen benutzen wir sie aber nicht."
Zurück im Dorf bei Vanillebauer Mi Hen. Es wird fast ein bisschen hektisch in der "Weihnachtsbäckerei": "Vanille mag keinen Regen. Deshalb müssen wir ganz schnell alle Schoten einpacken, bevor es losgeht. Sonst verderben sie."
Die frisch geerntete Vanille wird zum Kochen vorbereitet. Erst nach einem Heißwasserbad setzt der Fermentierungsprozess ein, der aus den grünen Schoten das begehrte Gewürz macht.
Die blanchierte Vanille wird warm verpackt. Jeder Arbeitsschritt erfordert viel Erfahrung und große Sorgfalt. Zwei Jahre von der Blüte bis zur Schote, die zum Plätzchen backen verwendet wird.
Und dann scheint die Sonne wieder. Bei Mi Hen, dem Vanillebauern im Dorf Sarahandrano, riecht es wieder wie in der Weihnachtsbäckerei.
Autorin: Sabine Bohland, ARD Nairobi
Stand: 10.07.2019 09:02 Uhr
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