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Norwegen: Spitzbergen zwischen Tourismus und Klimawandel

Norwegen: Spitzbergen zwischen Tourismus und Klimawandel | Bild: BR

Das Kreuzfahrtschiff kommt gegen Mittag, und die Touristen strömen nach Longyearbyen, die größte Siedlung von Spitzbergen. Ein bisschen Abenteuerstimmung für das Fotoalbum, Mitbringsel aus der Arktis – das suchen sie hier. Doch Hilde Røsvik, Anwohnerin und Chefin der Lokalzeitung, ist wenig begeistert über das Treiben. So viele Reisenden seien ein Ärgernis: "Die Leute hier nervt es einfach, wenn die Touristen an ihre Häuser kommen und einfach durch die Fenster gucken. Oder wenn sie einfach so Fotos machen, besonders von den Kindern. Man sollte doch Respekt haben. Wir sind doch keine Sehenswürdigkeit, wir leben hier."

Die Damen von der Touristeninformation haben jetzt ein kleines Video produziert: Verhaltenstipps für Zugereiste. Bei Fotos bitte fragen! Müll gehört in den Papierkorb, und Zigarettenstummel in den Ascher! Aber zu streng sein wollen sie nun auch wieder nicht sein mit den zahlungskräftigen Touristen, denn Urlaub in der Arktis soll das Geschäft der Zukunft werden.

Eine neue Zukunft für den Ort?

Longyearbyen muss sich neu erfinden. Früher förderten sie hier Steinkohle, aber das ist fast vorbei. Und die Menschen spüren: Es verändert sich etwas. Der Klimawandel bedroht den Ort. Statt Schnee gibt es jetzt häufiger Regen, die Erde saugt sich voll wie ein Schwamm. Und irgendwann kommt sie an den steilen Hängen ins Rutschen. Hier, am Ortsrand, standen mal Häuser. Doch 2015 wurden sie von einer Lawine begraben. Zwei Menschen starben.
Der kleine Friedhof am Westhang von Longyearbyen soll bald umgewidmet werden. Der letzte Erdrutsch im Juni vergangenen Jahres verfehlte das Gräberfeld nur knapp.

Kürzlich haben sie in der Gemeinde sogar ein Klimagebet gesprochen. Auf dass das Leben im Fjord von Longyearbyen lebenswert bleibt und das Meer nicht das Land frisst so wie unterhalb des Flughafens.

Ein Land im Klimawandel

Die Deutsche Christiane Hübner lebte mit ihrer Familie direkt am Ufer, aber dann mussten sie das Häuschen räumen, weil es im Winter kaum mehr Eis gibt auf dem Fjord und der Wind die Wellen ungehindert an die Küsten treibt. Nun steht ihr Haus 200 Meter landeinwärts – sie hofft, dass das dauerhaft so bleibt.

Manche hier sagen, es sei doch schön, wenn es durch den Klimawandel wärmer würde auf Spitzbergen. Aber Christiane Hübner macht sich Gedanken über die Konsequenzen, genauso wie die internationale Forschergruppe aus Longyearbyen, die 60 Kilometer nördlich in der kargen Wildnis des Dicksonfjords unterwegs ist auf einer Expeditionsreise: Die Wissenschaftler interessieren sich fürs Arctic Greening, die immer grüner werdende Arktis. Was malerisch aussieht, ist botanischer Überlebenskampf. Nur die anpassungsfähigste Art hat Bestand, lautet das Naturgesetz. Und falls neue Pflanzen die arktischen Moose und Flechten verdrängen, hat das Auswirkungen auch auf den Permafrostboden, denn höher wachsende Pflanzenarten isolieren ihn besser – im Winter kann er nicht mehr tief gefrieren. Und im Sommer taut er immer weiter auf, gibt umweltschädliches CO2 frei. Ein verhängnisvoller Kreislauf wird in Gang gesetzt.

Wie schnell der Klimawandel das empfindlichen Ökosystem der Arktis verändert, kann kein Wissenschaftler exakt vorherbestimmen. Aber das arktische Winterwunderland, mit dem sie auch in Zukunft viele Touristen nach Spitzbergen locken wollen, könnte irgendwann verloren sein.

Gut möglich also auch, dass sie die Sache mit dem Tourismus weiter durchziehen. Aber was bleibt dann noch vom ursprünglichen Spitzbergen? Wie wird sich das Leben ändern?

Autor: Jan Liebold

Stand: 06.08.2019 14:15 Uhr

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