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Kongo: Das schwarze Gold für Handys

Kongo: Das schwarze Gold für Handys | Bild: WDR

UN-Soldaten patrouillieren täglich durch die Straßen. Es ist die größte Blauhelm-Mission aller Zeiten. Sie sollen die Menschen in Goma schützen. Denn seit Jahren wird die Region von Gewalt erschüttert. Der Hauptgrund für die Gewalt liegt in den Hügeln außerhalb Gomas. Dort wird um die heißbegehrten Mineralien gekämpft. Helfen die Gesetze aus den USA und der EU wirklich dabei, die Rebellen zu verjagen?

Eine Region ohne Infrastruktur

Coltan-Mine im Osten des Kongo
Im Osten des Kongo wird das Erz Coltan abgebaut, unverzichtbar für jedes Handy. | Bild: WDR / Shafagh Laghai

Wir wollen uns selbst überzeugen und fahren zu einer sogenannten zertifizierten Mine. Es ist eine Fahrt ins Hochland. In eine Region ohne Infrastruktur, ohne auch nur einen einzigen Meter asphaltierte Straße. Immer wieder haben Rebellen diese Gegend überfallen. Um an eines der begehrtesten Mineralien ranzukommen: Coltan. Ohne Coltan kann kein Smartphone hergestellt werden. Nach einigen Stunden Fahrt erreichen wir ein mit Brettern zusammengezimmertes Minencamp.

Seit zwei Jahren gelten die Minen hier als "konfliktfrei". Die Bedingungen dafür sind überall ausgeschildert: keine Rebellen, keine Kinderarbeit, keine schwangeren Frauen. Ist es wirklich so? Wochenlang haben wir verhandelt – bis wir eine Drehgenehmigung bekommen haben.

Für Luwowo – eine der größten Coltan-Minen der Gegend. Zwischen zwei- und fünftausend Arbeiter schürfen hier jeden Tag. Da wo die rote Erde aufhört, fängt der coltanhaltige Sand an. Nicht selten kommt es hier zu Erdrutschen. Helme oder Stiefel trägt trotzdem kaum einer. Immerhin wird aus Sicherheitsgründen nur über Tage geschürft. Keiner muss in tiefe Schächte steigen. Das war früher schlimmer, sagen die Arbeiter. Jeder Sack wiegt 50 Kilo. Noch ist es eine Mischung aus Fels, Sand und Mineral. Mit Schaufeln wird das Erz aus dem Geröll gewaschen. Immer feiner – bis das, was aussieht wie Sand, mit kleinen schwarzen Pünktchen übrig bleibt: Coltan. Das schwarze Gold.

Junge Menschen bleiben Tagelöhner

Tagelöhner in einer Coltan-Mine im Kongo.
Tagelöhner in einer Coltan-Mine im Kongo.

Diese Mine ist in kongolesischem Familienbesitz. Die Arbeiter jedoch werden nicht vom Besitzer bezahlt. Sie sind in einer staatlichen Kooperative zusammengeschlossen. Gegen eine Jahresgebühr bekommt ein Schürfer einen Abschnitt, den er ausbeuten kann. Ihren Ertrag verkaufen sie dann an den Minenbesitzer.

Viele Schürfer stellen billige Arbeiter ein, um ihren Ertrag zu erhöhen. Sie sind das letzte Glied in der Kette. So wie Mathis Ndoki. Mathis hat vor einem Jahr Abitur gemacht. Eigentlich wollte er Lehrer werden. Doch er hat keinen Job gefunden. Also arbeitet er in der Mine – wie so viele junge Leute. "Der Kongo ist sehr reich. Aber Leute wie ich haben nichts davon. Ich kann mir die Jahresgebühr eines Schürfers nicht leisten. Das ist das Problem. Deshalb ändert sich für mich und für viele junge Leute nichts. Wir bleiben Tagelöhner."

Wenigstens, bestätigt Mathis, gäbe es keine bewaffneten Gruppen mehr in der Mine. Er erinnert sich noch an die Zeit, als das anders war, als Rebellen hier das Sagen hatten. Sein Vater wurde während dieser Zeit von Milizen getötet. Doch seit die Minen zertifiziert sein müssen, um exportieren zu können, unternehmen die Regierungs-Verantwortlichen etwas gegen die Rebellen, sagt Mathis. Da hätte das Gesetz aus Amerika schon geholfen.

Die Menschen haben keine Angst mehr um ihr Leben

Das schwarze Gold, unverzichtbar für Handys.
Das schwarze Gold, unverzichtbar für Handys.

Keine Waffen – damit wirbt auch seine Stadt, Rubaya, und etwas ironisch: "Willkommen in der Sonnenstadt". Ein wenig erinnert Rubaya an alte Wildwest Goldgräberorte. Es gibt nirgendwo Strom. Und Wasser nur aus den wenigen Brunnen. Aber es gibt Überlebenskünstler. Die Menschen haben keine Angst mehr um ihr Leben. Und keiner muss hier hungern. Das ist nicht unbedeutend – in einem der ärmsten Länder der Welt. Mathis lebt mit seiner Mutter und vier Geschwistern in einer winzigen Hütte. Er verdient umgerechnet etwa 1,70 Euro am Tag – davon müssen sie alle leben.

Als ältester Sohn ist er verantwortlich für Familie. Seine Mutter ist unzufrieden, macht ihm Druck. Die kleinen Geschwister hätte sie aus der Schule nehmen müssen – weil kein Geld für die Schulgebühren da seien. Mathis hat neun Stunden gearbeitet. Verzweifelt wirkt er. "Ja es ist sehr hart für mich. Es ist fast unmöglich, die Schulgebühren zu bezahlen und die Familie zu ernähren. Beides schaffe ich nicht. Ich habe ja fast nichts."

Die Gesetze aus Amerika und der EU hätten zwar die Rebellen verjagt. Oder zumindest ruhig gestellt. Aber zu mehr Wohlstand haben sie nicht geführt. Das ist eine Schwachstelle der Gesetze. Eine andere ist das Barcode-System zum Kennzeichen der Säcke. Seit es das Gesetz aus Amerika gibt, versucht die kongolesische Regierung ihre Lieferkette transparent zu machen. Dafür wird jeder Sack mit Coltan abgewogen und mit einem Code versehen. So sollen Unternehmen im Westen sicherstellen können, das ihr Coltan aus einer zertifizierten Mine kommt. Doch es ist nicht ausgeschlossen, dass die Plastiktags gefälscht werden. Und dann doch Säcke aus illegalen, von Rebellen kontrollierten Minen, in die Lieferkette untergeschmuggelt werden.

Gesetze sind erster Schritt in die richtige Richtung

Hier wird Coltan abgebaut - in einer Mine im Osten des Kongos.
Hier wird Coltan abgebaut - in einer Mine im Osten des Kongos.

Wir treffen Ben Mwangachuchu, den Besitzer der Mine. Es kann nicht alles über Nacht perfekt funktionieren in einem Land wie dem Kongo, sagt er. Aber die Gesetze seien ein erster Schritt in die richtige Richtung. "Was das Gesetz aus Amerika bewirkt hat ist: Es hat bewaffnete Gruppen aus einigen Minen verjagt. Wir haben mittlerweile mehrere internationale Unternehmen gehabt, die sich unser System angeschaut haben und gesagt haben: Ja, damit sind wir einverstanden. Bedeutet das, dass wir im Kongo keine Probleme haben? Das wäre wohl gelogen", sagt Ben Mwangachuchu.

Es ist Sonntag in Rubaya. Die Minenarbeiter haben frei – und Zeit in die Kirche zu gehen. Auch für Mathis sind die Stunden hier heilig. Sie können beten, ohne Angst um ihr Leben zu haben. Noch vor ein paar Jahren war das anders. Etwas gegen die Gewalt unternehmen und dabei die Chancen für den Kongo erhalten – die Zertifizierung ist zumindest ein erster Schritt – hin zu mehr Fairness im Geschäft mit den Mineralien.

ARD Studio Nairobi/Autorin: Shafagh Laghai

Stand: 05.12.2016 12:29 Uhr

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