So., 11.12.22 | 18:30 Uhr
Das Erste
Kolumbien: Mit Ballett aus der Armut
Er ist in Armut aufgewachsen und hatte einen großen Traum: Ballett zu tanzen. Und Diego aus Kolumbien hat es geschafft. Mit viel Ausdauer und gegen Widerstände.
Beim Tanzen verschwindet die triste Welt
Wenn die Musik beginnt, kommt Lebensfreude in jede Faser von Diegos Körper. Dann verschwindet die triste Welt um ihn herum. Dann wird aus einem Jungen in Armut ein stolzer Balletttänzer: "Es ist mein Kindheitstraum und ich arbeite hart, um mein Ziel zu erreichen", sagt Diego Lopez. "Ich verändere mich, ich trainiere viel." Ballett-Tänzer werden – der Traum. Und es gibt einen Ort, der diesen Traum wahr machen könnte. Der Tag beginnt früh für Diego Lopez, weit oben in den Hügeln von Kolumbiens Hauptstadt. Wer hier wohnt ist arm. Und Diegos Familie ist so arm, dass es gerade für das tägliche Essen reicht. Ballett oder noch mehr, erfolgreicher Tänzer zu werden schien für Diego unerreichbar. "Ich hatte angefangen Drogen auszuprobieren. Ich hatte keine Arbeit, ein Studium war unmöglich, ich hatte kein Ziel im Leben, ich wusste nicht wohin mit mir.
Die Ziellosigkeit ist heute Geschichte. Über zwei Stunden ist der 21jährige täglich unterwegs, um zu dem Ort zu gelangen, dem seine Leidenschaft gilt. Diego hat hier ein neues zu Hause, eine neue Familie gefunden. In der Stiftung Festival Art im Herzen von Bogotá. Acht Stunden täglich verbringt er hier. In nur zwei Jahren ist er die größte Hoffnung, mit der größten Veränderung, dabei war Diego ein schräger Vogel als er urplötzlich vor der Stiftungsleiterin auftauchte. "Ayyy No,no,no", ruft Marleny Hernandez. "Als Diego hier aufgetaucht ist mit seinem Mützchen. Und wie er überhaupt aussah, da dachte ich 'Oh mein Gott!'" Diego war eigentlich zu alt, zu schmal und zu schwach. Dann beginnt die Transformation: Haltung, Anmut, Kraft und Ausdauer. Es wächst ein unerschütterliches Selbstvertrauen, das er vorher nicht hatte.
Kampf gegen Vorurteile
Alle Schüler kommen aus armen Familien. Für sie hat Marleny Hernadez ihre Stiftung gegründet. Setzt ihr eigenes Geld ein, sucht unermüdlich nach Sponsoren. Denn vom Staat gibt es nahezu nie Unterstützung. "Sie sind Menschen mit einer großen Seele, die dabei sind ihre Träume zu erfüllen. Es gibt diesen Drang in ihnen zu tun, wozu sie bestimmt sind, um leben zu können. Sie haben das gleiche Recht auf alles, sie haben die gleichen Chancen verdient." Sie müssen hart arbeiten, sich selbst überwinden. Es braucht gnadenlose Disziplin. Und dabei soll leicht aussehen, was schwer ist. Und sie lernen – ganz nebenbei – Teamarbeit und Führungsstärke.
Dabei mussten sich gerade die Männer gegen Vorurteile durchsetzen: Kein echter Mann tanzt Ballett, das sei viel zu weich. "Als ich es meiner Mutter sagte, fragte sie mich sofort, ob ich schwul sei", erzählt Santiago Nieto. "Ich sagte nein. Dann fragte sie mich, ob ich schwul sein möchte, und ich: ok, nein!" Auch Diegos Mutter war erst gegen das Ballett. Sie ist die Alleinverdienerin, an Wochenenden steht ihr Diego zur Seite. Ihre Tochter leidet an Epilepsie, ein Sohn ist obdachlos. Und dann kommt Diego mit seinen Ballettträumen. "Am Anfang war ich dagegen, ja. Ich sagte ihm: kann es nicht sein, dass du deine Zeit verschwendest? Geh arbeiten, du brauchst Geld!"
Der Traum könnte wahr werden
Alles was Diego macht, macht er mit Liebe. Auch wenn sie nur wenige Cent verdienen durch den Verkauf von Kaffee und einer warmen Mahlzeit. Aber er hofft, dass sie schon bald die Arbeit auf der Straße hinter sich lassen können. "Ich möchte meiner Mama sagen können, dass sie aufhören kann zu arbeiten. Dass sie sich nicht mehr Sorgen soll, dass ich sie jetzt versorge. Und ich will ein Vorbild für andere sein. Zeigen, dass man seine Träume erreichen kann."
Zurück in der Stiftung muss Diego nicht nur im Ballettschuh schuften, sondern auch im Englischunterricht. Denn für eine internationale Karriere ist das unerlässlich. Alles was sie hier lernen, macht sie fit für jedwede Zukunft. Diegos Traum könnte wahr werden. Denn die Stiftung hat schon einige professionelle Tänzer hervorgebracht. Doch schon jetzt hat sich Diegos Leben durch die Stiftung um 360 Grad gewendet. Aus einem armen Jungen ohne Lebensziel wurde ein Tänzer voller Zuversicht. "Ich bin reich, der reichste Mensch der Welt, weil ich liebe, was ich tue"
Autorin: Xenia Böttcher
Stand: 11.12.2022 21:52 Uhr
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