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Kenia: Lehrer der Privatschulen ohne Einkommen

Kenia: Lehrer der Privatschulen ohne Einkommen | Bild: SWR

Der Job auf der Baustelle bringt ihm gerade mal vier Euro, eigentlich unterrichtet Joseph Maina an einer privaten Grundschule. Der kenianische Staat hat das Schuljahr im ganzen Land für beendet erklärt. Erst nach der Corona-Pandemie werden die Schulen wieder öffnen. Den Lehrern der staatlichen Schulen wird weiter Gehalt bezahlt, den Privatschullehrern aber nicht. Deshalb muss Joseph Maina sich mit Gelegenheitsjobs durchschlagen, genauso, wie seine 150.000 Kolleg*innen.

Die Möbel verkauft, die Kinder weggeschickt

Sand schippen, statt Geometrie erklären – aber Joseph Mwangi hat keine Wahl. Eigentlich ist er Lehrer an einer privaten Grundschule in Ngong, einer Stadt in Kenia. Aber jetzt muss er jede Arbeit annehmen, die er finden kann. "Ich kämpfe. Ich muss mich immer noch daran gewöhnen. Manchmal finde ich eine Arbeit, aber nur für drei Tage. Und dann habe ich wieder nichts mehr."

Joseph Mwangi trägt Eimer auf Baustelle
Lehrer Joseph Mwangi muss jetzt auf dem Bau schuften | Bild: SWR

Die private Grundschule zahlt Joseph nichts mehr, ihr ist das Geld ausgegangen. Denn seit März sind alle Schulen wegen Corona geschlossen. Josephs Frau Imali bereitet Zuhause Tee vor, den sie dann verkauft. Auch sie ist Lehrerin an einer privaten Schule – und seit März ohne Gehalt. Sie können sich nur noch ein Zimmer leisten, vor Corona hatten sie eine große Wohnung. Ihre beiden Kinder mussten sie zu den Großeltern aufs Land bringen. "Ich hatte Stühle, einen Fernseher, die Sachen, die man halt so hat, sogar ein bisschen Luxus. Aber ich musste das meiste verkaufen, denn wir konnten unsere Miete nicht mehr bezahlen. Und meine Kinder musste ich wegschicken. Von ihnen getrennt zu sein, verstört mich. Sie sind weit weg von mir und ich vermisse sie. Aber was soll ich tun?"

Bis Anfang 2021 sind die Schulen geschlossen

Gemeinsam verdienten sie als Lehrer rund 600 Euro im Monat, kein Vermögen, aber es ging ihnen gut. Jetzt macht Joseph knapp vier Euro am Tag. Und Imali? Sie verkauft Brötchen und Tee an Gelegenheitsarbeiter – für 20 Cent das Stück. Dabei hat sie studiert. Ihr Mann Joseph hilft heute bei seiner Schule. Sie müssen sie räumen. Keine Schüler, kein Geld. Die Miete kann nicht mehr bezahlt werden. Die Gehälter schon lange nicht mehr. So wie Joseph geht es rund 150.000 Lehrern, die an privaten Schulen unterrichten. Ihre Kollegen an staatlichen Schulen hingegen werden weiterbezahlt.

Schulhefte auf Tisch
Lehrer an privaten Schulen werden nicht mehr bezahlt  | Bild: SWR

Privatschule, das heißt in Kenia nicht, dass sie nur für die Reichen ist. Seit 2003 gilt die allgemeine Schulpflicht. Der Staat hat nicht genug Schulen, ohne den privaten Sektor könnte er sie nicht umsetzen. Das Schulgeld der Privaten reicht von umgerechnet ein paar Euro bis zu ein paar Tausend pro Monat. Joseph Mwangi sorgt sich auch um seine Schüler. Denn die Kinder würden bis Januar nichts lernen, sagt er. "Nicht alle Eltern schaffen es, ihre Kinder zu unterstützen, so dass sie Zuhause lernen und Online-Angebote nutzen können. Die Schüler sind sehr beeinträchtigt. Wer nicht lernen kann, bleibt weit zurück. So wie unsere Schüler hier, sie werden abgehängt."

Kinder drohen abgehängt zu werden

Was das heißt, erlebt Angie Wene gerade. Sie wohnt in Mathare, einem Armenviertel von Nairobi. Kenias Kinder habe schulfrei. Um die Pandemie einzudämmen hat die Regierung entschieden, das ganze Schuljahr 2020 ausfallen zu lassen. "Es geht mir schlecht. Ich habe das Gefühl, jemand hat meine Träume zerstört. Ich wollte zur Uni gehen und Jura studieren." Angie Wene, war gut in der Schule, hätte jetzt ihren Abschluss gemacht. Ob sie 2021 wieder zur Schule gehen wird, völlig offen. Das zusätzliche Schuljahr – eine finanzielle Herausforderung für die Familie: Angies Mutter hat ihren Job verloren wegen Corona, hat jetzt Schulden. "Manchmal fragt sie mich: 'Mama, wie machen wir das mit der Schule?' Ich weiß es nicht." Die Familie hat kein Geld mehr. Wenn Angie Wene etwas für sich braucht, dann lässt sie sich auf die Jungs im Armenviertel ein. "Dann muss ich zu diesem Jungen gehen und ihm sagen, was ich brauche. Er gibt mir Geld und danach schauen wir, wie es von da weitergeht." Einer hat für ihre Frisur bezahlt.

Angie Wene
Schülerin Angie Wene leidet unter der langen Schulschließung

Um Jungs zu treffen, zieht Angie sich etwas anderes an. Sie weiß genau, wie riskant dieses Spiel ist. "Als Gegenleistung wollen sie meinen Körper. Ich wollte eigentlich nie früh Sex haben. Ich habe Angst vor den Folgen." Die Zahl der Teenagerschwangerschaften ist gestiegen, seit die Schulen geschlossen sind. Ein ganzes Schuljahr einfach gestrichen, die kenianische Regierung sagt, die Gesundheit der Kinder sei das wichtigste. Die könne sie in den Schulen nicht garantieren. Joseph und seine Frau rechnen ihre Verdienste zusammen. Wie lange werden sie sich ihr kleines Zimmer noch leisten können? "Jetzt sagen sie, es geht im Januar weiter, aber wir können ja nicht sicher sein. Denn wir wissen nicht, wie die Situation dann sein wird. Covid ist vielleicht noch sehr lange hier bei uns." Und damit die Unsicherheit für ihn und seine Familie. Diesen Monat haben sie noch nicht genug verdient.

Autorin: Caroline Hoffmann, ARD-Studio Nairobi

Stand: 07.09.2020 07:35 Uhr

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