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Japan: Stromrebellen im Atomland

Japan: Stromrebellen im Atomland | Bild: WDR

Die Berge von Aizu in der Präfektur Fukushima. Dahinter eine eigene Welt. Hier nehmen sie Dinge gern selbst in die Hand. So wie Yauemon Sato. Er war fast sein ganzes Leben lang Sake-Brauer aus Leidenschaft. Der 72-Jährige leitete die Brauerei in 9. Generation. Aber dann geschah 2011 der Reaktorunfall von Fukushima, 100 Kilometer entfernt vom Sitz des Familienbetriebs mit seiner empfindlichen Produktion.

"Damals dachte ich wirklich, mit dem Sake-Brauen war es das jetzt. Nach 220 Jahren. Da denkt man: Diese Mistkerle! Wer hat die Schuld daran? Sie hatten behauptet, das sei alles zu hundert Prozent sicher", erzählt Yauemon Sato. Zum Glück kam die radioaktive Strahlung nicht nach Aizu. Heute stellen sie hier immer noch Reiswein her. Aber vieles hat sich verändert. Es gibt jetzt diese Firma mit der bunten Faust im Logo.

Nicht alle sind für den Plan der Regierung

Yauemon Sato ist im Hauptberuf kein Brauer mehr. Sondern Energie-Manager. Zusammen mit anderen hat er den Stromanbieter "Aizu Power" gegründet. Sie wollen eine eigene Energieversorgung aufbauen, nur auf der Basis von erneuerbaren Energiequellen. Acht Landgemeinden, 20 Unternehmen und Privatpersonen vor Ort haben das Geld dafür zusammengelegt. Die Zukunft der Region soll frei von Atomstrom sein. "Fossile Brennstoffe und Atomenergie werden die Entwicklung nur herauszögern. Das ist nicht die Lösung. Damit verschleiert man nur das Offensichtliche. Selbst wenn es kurzfristig schwer wird mit der Umstellung, wir müssen das aushalten und trotzdem diesen Weg gehen. Die Führung unseres Landes sollten uns leiten", erklärt Yauemon Sato.

Widerstand gegen die Atomenergie. Im Jahr zwölf nach der Fukushima-Katastrophe sind es nur noch wenige, die die Stimme gegen die Energieriesen erheben. Die Regierung holt abgeschaltete Atomkraftwerke zurück ans Netz. In Mihama im Westen liefert ein Reaktor nach zehn Jahren Unterbrechung wieder Strom. Im Wirtschaftsministerium planen sie wieder mit der Atomkraft. Versorgungssicherheit und Klimaschutz könnten nur unter Ausnutzung aller Energiequellen erreicht werden.

"In Japan ist die Selbstversorgung mit Energie sehr gering, und unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus dem Ausland sehr hoch. Japan verfügt über wenig flaches Land, dadurch ist die Möglichkeit der Einführung regenerativer Energiequellen begrenzt", sagt Ryo Minami von Japans Wirtschaftsministerium.

Werbung für regionale Versorgung

Das Schloss von Aizu, einst Zentrum rebellischer Samurai. Die Region ist bekannt für ihren Widerstandsgeist. Platz für Energiegewinnung aus erneuerbaren Quellen gibt es hier genug, meinen heute die Stromrebellen in Aizu. Doch es ist ein steiniger Weg. Sie müssen erst einmal Abnehmer:innen finden.

Eine landesweite Agrarkooperative unterstützt als Zwischenhändler. Nicht nur Gemüsekisten werden bis an die Haustür der Kundschaft geliefert, sondern auch Verträge für Strom von alternativen Anbietern wie "Aizu Power". In der Kleinstadt Kitakata in Aizu hat sich Asami Iwata dafür entschieden. Die 36-Jährige stammt von hier und ist vor Kurzem nach längerer Zeit in Tokio zurückgekehrt in die Heimat. Im neuen Haus setzt sie auf regionale Versorgung. Auch beim Thema Energie: "Es gibt leider immer noch wenige, die den Stromanbieter wechseln. Das macht mich unruhig, weil es so langsam vorangeht. Ich möchte dazu beitragen, dass immer mehr Leute in ihrem Lebensalltag Dinge begreifen und ändern. Das will ich auch an die Kinder weitergeben."

Für ihre Kinder wünscht sie sich eine Zukunft ohne die Risiken der Atomkraft. Viele hier denken so, meint Frau Iwata. Aber den alternativen Anbietern werde häufig nicht zugetraut, zuverlässig zu liefern. Strom-Pionier Sato vertreibt Energie aus Solaranlagen und Biomasse, betreibt ein kleines Wasserkraftwerk und plant erste Windräder. Der Kraftakt für die Investoren ist ein bescheidener Anfang. Bisher reicht die Leistung rechnerisch nur für knapp 2000 Haushalte. "Wenn man nicht den Anfang wagt, kommt man nie über Atomenergie oder Kohlenstrom hinaus. Der Wandel ist wichtig, der Rest kommt dann", sagt Sato.

Was auch immer die Regierung in Tokio plant: Eines Tages, so träumt Sato, werde der alternative Strom die ganze Region Aizu versorgen.

Autor: Ulrich Mendgen / ARD Studio Tokio

Stand: 05.03.2023 19:11 Uhr

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