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Italien: Venedig – Warten auf Touristen

Italien: Venedig – Warten auf Touristen | Bild: imago

Die Tauben sind noch da, sonst wirkt San Marco, Venedigs Hauptpiazza, wie ausgestorben. Das war im Mai. Die Reisebeschränkungen wegen der Corona-Pandemie sind zu dieser Zeit auf ihrem Höhepunkt. Die Stadt, die eher über zu viele Besucher klagt, sehnt sich erstmals nach Touristen. Denn alles hängt hier am Tourismus, Hotels, Restaurants und Souvenirläden. Die Reisebeschränkungen sind inzwischen weg, aber Corona ist noch da. Nur nach und nach kommen die Menschen in diesem Sommer wieder in die Lagunenstadt.

Umsatzeinbußen von bis zu 90%

Taxibootfahrer Luciano Baroni
Taxibootfahrer Luciano Baroni verdient kaum noch etwas | Bild: SWR

Es ist die schönste Stadt der Welt findet Luciano Baroni. Er fragt sich, wann werden endlich wieder Besucher hierherkommen, um sich davon selbst ein Bild zu machen. In diesem Sommer bleibt es ruhig, klagt Baroni. Er und sein Sohn kennen Venedig so leer nur im Winter. Der Kanal ist eine klassische Route der Gondeln, hier wäre sonst die Hölle los", sagt der Taxibootfahrer Luciano Baroni. "Seht selbst: Und wir haben Juli und nicht Januar." Geschätzt 90% weniger Umsatz, stöhnt Baroni und nutzt die Flaute, seinem Sohn das Taxibootfahren beizubringen. "Als es Tourismus gab, also Leute da waren, war es ein guter Job." Viele Jahre klagten die Venezianer über zu viele Touristen. Zwei Lager stritten über "noch mehr Geld verdienen?" oder "die Lagune schützen?" Eintrittsgeld oder ein Verbot von Kreuzfahrtschiffen? Nach "over" leidet die Stadt jetzt am "under"-tourism.

Claudio Vernier führt eine Bar am Markusplatz, die seit 1948 im Familienbesitz ist. Weil kaum Leute da sind, öffnet er seine Tore erst mittags. "Die Pandemie und vorher das Hochwasser haben den Tourismus praktisch zum Erliegen gebracht. Venedig lebt leider ausschließlich vom Tourismus, eine Art Monokultur. Und ich habe Umsatz-Einbuße von 80%." Für 2/3 seiner Mitarbeiter heißt das: Kurzarbeit oder arbeitslos. Vernier weiß, wer fehlt: Es sind die Gäste aus den USA, Asien, Russland und den arabischen Ländern. Es kommen Franzosen, Schweizer, Österreicher und Deutsche. Die meisten von ihnen mit dem Auto. Wie die Weidachers aus Bayern. "Ich fahre lieber nach Italien", sagt Sabine Weidacher, "statt irgendwo in ein 'betroffenes Bundesland' in Deutschland. Weil Italien, dadurch, dass die so gebeutelt waren, ist es heute für mich sehr, sehr sicher."

Corona als Fluch und Segen zugleich

Ausstellungsraum im Guggenheim Museum
Auch in den Museen herrscht Leere  | Bild: SWR

Das freut die Direktorin des Guggenheim Museums, Karole Vail. Auch wenn sie bisher nur vier Tage die Woche das Erbe ihrer Großmutter Peggy Guggenheim zeigen kann. Ihnen fehlt schlicht Geld, auch sie kämpfen ums Überleben. "In jeder Lockdown-Woche haben wir circa 150.000 Euro verloren, weil wir keine Eintrittsgelder eingenommen haben, wir haben keine Sonderveranstaltungen organisiert, Museumsshops waren geschlossen. Es war also sehr schwierig." Bis zu zwei Millionen Euro hat das Guggenheim Museum verloren. Mit einer Spenden-Aktion wollen sie es schaffen, dass das Museum zur Normalität zurückkehrt, der neuen Normalität. Sechs Tage geöffnet, aber nur maximal 600 Besucher täglich.

Ein Steinwurf entfernt, am Kanal Grande, leitet Paolo Morra ein fünf Sterne Hotel. Sein Team hat in den vergangenen Wochen permanent mit Kunden gesprochen. Denn die rufen jetzt nochmal an, weil sie wissen wollen, wie sicher der Besuch in Venedig ist. Die Pandemie bleibt omnipräsent. Zwar profitierte das Hotel davon, dass andere noch nicht wieder öffneten, über Stornierungen klagt Morra doch auch. Aber er bleibt optimistisch. "Als wir mit dem Besitzer entschieden haben, das Haus zu öffnen, hofften wir, dass es Leute gibt, die sich bewusst entscheiden zu kommen, weil sie nicht das Venedig von 2019 sehen wollen. Mit deutlich weniger Touristen. Die Leute kommen, um die Stadt zu genießen."

Boot auf dem Canal Grande
Die Venezianer waren eine Zeit lang unter sich | Bild: SWR

Für die Venezianer ist die Pandemie Fluch und Segen zugleich: Sie hatten für einige Wochen ihre Stadt ganz für sich alleine. Aber da Tausende vom Tourismus leben, geht es bei vielen jetzt wirklich um die Existenz. Es war eine wirklich interessante Erfahrung zu verstehen, was im Leben wirklich wichtig ist", sagt Barbesitzer Claudio Vernier. "Das könnte uns in Zukunft vielleicht helfen. Ich hoffe nicht, dass es nur bei Worten bleibt". Und Taxibootfahrer Luciano Baroni meint: "Meiner Meinung nach werden wir Ende Oktober bilanzieren können, wer diese Krise überlebt und wer nicht." Sie hatten es finanziell gesehen jahrelang zu gut, heißt es hier, und müssen jetzt begreifen, dass nichts im Leben selbstverständlich ist.  

Autorin: Ellen Trapp, ARD-Studio Rom

Stand: 09.08.2020 21:47 Uhr

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