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Italien/Slowakei: Der Fall Ján Kuciak

Italien/Slowakei: Der Fall Ján Kuciak | Bild: imago

Nach der Ermordung von Ján Kuciak wird immer deutlicher, wie weit die Verzweigungen, die Verstrickungen und die Einflussnahme der italienischen Mafia-Organisation Ndrangheta wirklich gehen. Ermordete Journalisten in der Slowakei und in Malta – die Fäden laufen in Süditalien zusammen. Und die Krake des organisierten Verbrechens reicht noch weiter. Systematisch unterwandert die Ndrangheta die Regierungen der Welt, wie Ellen Trapp berichtet. So etwa Rumänien und Bulgarien, aber es gibt auch Indizien, dass die Mafia-Organisation ihre Verbindungen bis nach Kanada und Australien geknüpft hat. Ein Film von Ellen Trapp (ARD-Studio Rom).

Polizist vor Hauseingang
Die Ermittler untersuchen schon lange die Auslandsaktivitäten der Mafia.  | Bild: SWR

Festgenomen in der Slowakei. Doch die slowakische Polizei musste die sieben Personen nach zwei Tagen wieder frei lassen. Es soll sich um Italiener gehandelt haben, über die Kuciak recherchiert hatte. Einer von ihnen: Antonio Vadalla, laut Kuciak, wichtigster Drahtzieher eines mutmaßlichen italienischen Mafia-Netzwerkes. In Kalabrien längst kein Unbekannter. Hier weiß man um die Mafia-Aktivitäten im Ausland. Der Staatsanwalt Gaetano Paci beobachtet mit Sorge, wie leicht es der `Ndrangheta im Ausland gemacht wird, ihr Netzwerk auszubreiten. "Wir haben schon 2002/2003 viele Hinweise gegeben, über den Aufenthalt einer Person, die sie uns ausliefern sollten, wegen Mafia-Verwicklungen. Wir konnten eine relativ klare kriminelle Vergangenheit zeichnen. Daraufhin haben wir 2013 weitere Hinweise geliefert, auch auf Anfrage der slowakischen Polizei. Damals ging es darum zu zeigen, dass die Personen seit ungefähr 20 Jahren dort agieren. Sie haben Unternehmen gegründet, Geschäfte und Firmen eröffnet, in unterschiedlichen Bereichen – sie haben sich ein gut verwurzeltes Netzwerk aufgebaut." 

Seine letzte Recherche

Ján Kuciak und seine Freundin wurden hier wahrscheinlich erst gefoltert, dann hingerichtet, durch Schüsse in Kopf und Herzen. Kuciaks letzte Recherche: mögliche Verbindungen italienischer Mafia-Clans zu slowakischen Regierungsmitarbeitern, wie beispielsweise Maria Troskova, eine Mitarbeiterin des Premiers. Und damit verbunden: Missbrauch von EU-Fördergeldern. Ivan Mego, Kuciaks Kollege, kann noch nicht begreifen, was dem jungen Paar passiert ist. Auch er recherchierte vor zwei Jahren, wie sich die Mafia in der Slowakei ausbreitet, musste aber seine Recherche einstellen. Druck von oben. "Maria Troskova wurde als süßer Köder eingesetzt, sie kann auch gegenüber dem Premier ein Köder oder eine Möglichkeit zur Einflussnahme gewesen sein. Das sind brutale Feststellungen, die auch jetzt noch ein Erdbeben in der Politik verursachen und ein übles Licht auf das Funktionieren des Staates und der Politik in der Slowakei werfen."

 

Ján Kuciak und Martina Kusnírová auf Fotografie
Ján Kuciak und Martina Kusnírová. | Bild: SWR

Kuciak wurde in der Vergangenheit immer wieder bedroht. Er wurde nur 27 Jahre alt. In Italien begibt sich Fabrizio Feo seit fast 40 Jahren regelmäßig in Lebensgefahr. Sein Thema: die Mafia. Der Journalist lehnt seit jeher Personenschutz ab. "Ich beschäftige mich seit 1979 mit der `Ndrangheta, seit Anfang an mit der organisierten Kriminalität, weil ich in der Nähe von Neapel, in Kampanien geboren bin, wo die Camorra immer sehr stark war und ist. Mich mit der Mafia zu beschäftigen, war eine bewusste Entscheidung, denn ich wollte etwas für meine Heimat tun." Fabrizio Feo beobachtet die Ausbreitung der Ndrangheta seit dem Fall der Mauer. Nicht nur in Ost-Europa, sondern auch in Deutschland. Stets mit ähnlichem Konzept. Seit geraumer Zeit eroberten die Mafiosi auch Rumänien und Bulgarien. "In dem Moment, wo man ein Restaurant eröffnet, egal ob das in Duisburg ist oder in Bratislava, haben sie einen Fuß drin. Insbesondere mit öffentlichen Lokalen kann man sich ja vorstellen, kommt alles von ganz alleine. Man kann mit Einheimischen des Ortes in Kontakt treten: Von einfachen Leuten, bis zu Politikern und Unternehmern. So kann man Kontakte knüpfen und Geschäfte machen. Dieser Mechanismus funktioniert in der Slowakei sicher seit 1992/93. Dokumentiert seit 1994."

 

Europäische Zusammenarbeit ist nötig

Staatsanwalt Gaetano Paci
Staatsanwalt Gaetano Paci. | Bild: SWR

Ähnliches gelte für Deutschland. Vor gut einer Woche waren die Italiener unterwegs in Saarbrücken, um dort einen Mafia Boss der Ndrangheta festzunehmen. Gaetano Paci warnt Deutschland davor, die Gefahr zu unterschätzen. In diesem Fall könnten andere Länder durchaus von Italien lernen. "Wir brauchen auf EU-Ebene eine vollständige Vereinheitlichung aller Gesetze. Zum Beispiel müssen wir alle die Möglichkeiten nutzen können, die das UN-Abkommen gegen grenzüberschreitende organisierte Kriminalität vorsieht. Zum Beispiel, dass alle Länder denjenigen unter Strafe stellen können, der eine kriminelle Vereinigung gründet. Nur so können wir alle an einem Strang ziehen. Wenn wir auf gesellschaftlicher Ebene nicht zusammenarbeiten – zum Beispiel zwischen Polizeikräften – wird es schwierig auf dem gleichen Niveau zu arbeiten. Und so lange das nicht passieren wird, wird die Ndrangheta immer mächtiger."

 

Fabrizio Feo wurde oft bedroht. Doch darüber spricht er nicht gerne. Wichtiger ist ihm, dass die Leute begreifen, dass die Ndrangheta immer mehr Länder unterwandert. Er hofft, dass die Slowakei durch den Mord an Ján Kuciak aufwacht und den Kampf gegen die Mafia beginnt.

Stand: 01.08.2019 09:11 Uhr

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