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Italien: Die Plastikfischer von Apulien

Italien: Die Plastikfischer von Apulien | Bild: SWR

In den vergangenen Jahren ist es immer schlimmer geworden: Plastikmüll in den Fischernetzen. Die Fischer vor der Küste Apuliens sortierten es mühsam aus und warfen es zurück ins Meer – wie fast überall auf der Welt. Als einige begannen, den Müll zu sammeln und an Land zu bringen, kam die Polizei: Illegaler Mülltransport wurde ihnen vorgeworfen.

Eine untragbare Gesetzeslage fanden viele. Jetzt haben die Fischer gewonnen. Das Gesetz wird geändert und der Staat will sogar dafür bezahlen, dass sie den Plastikmüll aus dem Mittelmeer fischen. Ellen Trapp, ARD-Studio Rom.

Dazu auch der Podcast "Weltspiegel Thema: Was tun gegen Plastikmüll?"

Es ist die tägliche Frühschicht. Um vier Uhr fährt Gianni Collelli mit seinen Jungs raus aufs Meer. Die Collellis sind Fischer seit Generationen, doch wer weiß, wie lange noch. "Hier bei uns hat sich der Fischbestand etwas erholt, aber leider gibt es viel Plastik, auch weil viele Ausflugsboote unterwegs sind. In den letzten Jahren haben wir viel Plastik gefangen. Doch bisher durften wir das gefischte Plastik nicht an Land bringen, das war gesetzlich verboten."

Doch jetzt ist alles anders. Seit wenigen Tagen ist Gianni nebenberuflich Müllmann des Meeres. Wenn er jetzt Plastik im Netz hat, dann wirft er ihn nicht zurück ins Meer, so wie alle es bisher in Italien getan haben, wegen des Vorwurfs von illegalem Mülltransport. Jetzt sammelt er ihn und nimmt ihn mit an Land. Ein neues Gesetz.

22 Kilo Plastik im Bauch eines Wals

Heute ist die Strömung relativ gering, deshalb landet weniger Plastik im Netz als an anderen Tagen: Sechs Kilo Plastik, statt Fisch. So etwas macht ihn sauer. Der ganze Müll wird langfristig die Fischerei kaputt machen, befürchtet Gianni. "Wir leben von den Früchten des Meeres. Wenn es zu wenig zu fischen gibt, verdient man wenig, hat Probleme, die Familie zu versorgen. Da sind da die neuen Generationen, meine Kinder, die würden gerne Fischer werden. Aber das ist jetzt sehr schwierig, das war früher einfacher, da hatte man am Ende des Tages was verdient."

Plastikmüll an Strand
Das Mittelmeer gilt als besonders schmutzig | Bild: SWR

Am Strand von Sardinien wurde kürzlich ein Wal mit 22 Kilo Plastik im Bauch an den Strand gespült – er ist schlicht verhungert. Und auch in Apulien: Kanister, Verpackung oder Dosen – es ist alles dabei. Kein Tag ohne Plastik. "Wenn wir große Fische fangen, Schwertfische beispielsweise, dann werden die an Bord ausgenommen und dann sieht man oft, dass er Plastik im Magen hat", erzählt Gianni Collelli. "Das kommt öfter vor und gestern war eine Plastiktüte im Belüftungssystem, sie hat es verstopft, der Motor war überhitzt. Gianni und seine Jungs sind Umweltschützer, auch weil ihre Existenz davon abhängt. Die Menschheit ruiniert sich selbst – ihren Planeten, sagen sie. Das erleben sie jeden Tag.

Das Mittelmeer gilt als das schmutzigste der Meere. Die Italiener kapieren so langsam, dass sie was tun müssen. Mit diesem Gesetz, den Mülltransport zu legalisieren, will die italienische Regierung einen ersten Schritt tun, so der Umweltminister. "Den Fischern, die mit uns zusammen dieses Projekt gestalten möchten, verleihen wir einen grünen Punkt", erklärt Umweltminister Sergio Costa. "Das bedeutet: mit dem Fisch, den du gefangen hast, hast du auch dem italienischen Staat geholfen, das Meer zu schützen. Der grüne Punkt zeigt dann, dass Du Dich speziell für das Meer eingesetzt hast. Eine besondere Auszeichnung auf dem Fischmarkt." Darüber hinaus gebe es auch Steuergutschriften für Unternehmen, die umweltfreundlicher arbeiten möchten. Und der Umweltminister freut sich, dass auch Alternativen zum Plastik in Italien entstehen.

Ist Bioplastik die Lösung?

Es gibt nämlich auch gute Nachrichten: in Bologna zum Beispiel, in Italiens Norden. Das Unternehmen Bio-On, ein ganz junges Team rund um Marco Astorri hat alles auf eine Karte gesetzt und 100 Jahre alte Forschungsergebnisse ausgegraben, um damit Bioplastik zu entwickeln. "Uns wird attestiert, dass dieses Produkt in Pulverform schneller abgebaut wird als Zellulose, also Papier. Aber am Ende ist es immer Plastik. Damit kann ich jegliche Art von Objekt herstellen, das man heutzutage so kennt."

Verschiedene Produkte aus Bioplastik
Aus Bioplastik kann man alles mögliche herstellen  | Bild: SWR

Das weiße Pulver ist ein Polymer, es wird von Bakterien hergestellt. Daraus werden Granulat und anschließend alle möglichen Gegenstände hergestellt. Bio-On waren die ersten, die Bioplastik herstellten. Mittlerweile verkaufen sie ihre Lizenzen in die ganze Welt. "Das Wunderbare ist, dass dieses Bio-Polymer, wenn es im Wasser oder in der Erde verbleibt, durch andere Bakterien wieder zersetzt wird", erklärt Marco Astorri. "Das heißt, es ist komplett umweltverträglich in der Natur."

Es zersetzt sich in weniger als drei Monaten. Während herkömmliches Plastik nicht abbaubar ist. Derzeit entwickelt Bio-On auch Kosmetik ohne Mikroplastik Partikel. "Wir haben glaube ich keine Zeit mehr, unseren Planeten zu retten. Wir müssen viel mehr tun, damit das Plastik, das heute benutzt wird und aus Erdöl hergestellt wird, besser genutzt wird. Und es muss auf bestmögliche Art durch natürliche Polymere ersetzt werden." Astorri will alles tun, damit in Italien und in der Welt endlich ein Umdenken stattfindet.

350 Millionen Plastik im Jahr

Fischer Gianni Collelli auf seinem Schiff
Der Plastikfischer: Gianni Collelli  | Bild: SWR

Zurück nach Apulien. Geschätzt 350 Millionen Tonnen Plastik werden jährlich weltweit produziert. Einiges davon landet im Netz von Gianni Collelli. In die Zukunft schaut der Fischer optimistisch, meistens wenigstens. "Ich hoffe, dass es sich deutlich verbessert, wir müssen uns aber stark auf das Aufräumen dessen konzentrieren, was wir in den vergangenen Jahren angerichtet haben."

Im Hafen von Porto Cesareo wird er schon erwartet: Sergio Fai koordiniert die Müllentsorgung mit den Fischern. Heute war die Strömung schwach, deshalb ist Giannis Beute nicht so groß. Kaum Plastik, leider auch nicht besonders viele Fische. Ein anderer Fischer war "erfolgreicher". "Es ist ein synthetisches Netz, es trieb im Meer, es ist auch eine Gefahr, man muss sich vorstellen, ein Boot verfängt sich in diesem Riesennetz." Der Arbeitstag geht für die Fischer mit Müllentsorgung zu Ende. "Das ist alles für heute", sagt Gianni Collelli. Und Sergio Fai meint: "Besser ihn zu entsorgen, als im Meer zu lassen. Ein schönes Problem: die üblichen Netze, Plastik, Plastik, Plastik." Es war zwar nie Giannis Wunsch, als Müllmann des Meeres zu arbeiten. Aber er tut es gerne, damit seine Kinder eine Zukunft haben, und zwar nicht nur als Fischer.

Stand: 20.05.2019 09:17 Uhr

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