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Indonesien: Ein Höllenjob – Schwefelstecher am Vulkan

Indonesien: Ein Höllenjob – Schwefelstecher am Vulkan  | Bild: NDR

So könnte er wohl aussehen, der Eingang zur Hölle: Blaue Flammen, hochgiftige Schwefelwolken, kochend heiße Dämpfe und Männer, die versuchen diese Hölle zu bezwingen.

Einer von ihnen ist Saleh. Sein Arbeitstag beginnt um kurz nach Mitternacht. Dann schleppt sich der 65-jährige zwei Stunden hinauf zum Vulkan Ijen. Schon allein das erfordert Kondition: "Das ist hart. Ich bin ja nicht mehr der Jüngste. Deswegen komme ich auch nur noch dreimal die Woche hier hoch. Öfter machen das meine Knochen einfach nicht mehr mit." Für die blauen Flammen am Krater hat der Schwefelstecher keinen Blick. Sie sind nur nachts zu sehen und entstehen, wenn mehr als 500 Grad heisser Schwefel an die Oberfläche kommt und mit Sauerstoff reagiert.

Gestank trotz Amtenschutz kaum auszuhalten

Die spektakuläreren Bilder locken auch viele Touristen an, die zwischen den Schwefelstechern in den Krater hinabsteigen. Zu Sonnenaufgang sind die Männer dann wieder unter sich. "Die Touristen hier sind immer so begeistert, für uns ist es nur ein verdammt harter Job", erzählt Saleh.

Um 4 Uhr geht die Sonne auf. Lange Rohre ragen aus dem Berg. Sie sollen den flüssigen Schwefel ableiten. Selbst mit einer Atemschutzmaske ist der Gestank kaum auszuhalten. "Der Schwefel glänzt wie Gold, wenn er noch flüssig ist", sagt ein Arbeiter. "Wir verdienen damit unser Geld. Aber manchmal wird mir dabei so schlecht, dass ich fast ohnmächtig werde."

Das größte Säurefass der Welt

Vulkansee
Das Wasser des Vulkansees ist ein ätzendes Gemisch aus Säuere und Schwefel. | Bild: NDR

Eine Landschaft wirkt wie aus einer entfernten Galaxie. Bei Tagesanbruch kommt der giftblaue Vulkansee zum Vorschein. Experten nennen ihn das größte Säurefass der Welt. Sein Wasser ist ein ätzendes Gemisch aus Säuere und Schwefel. Nur ein paar Meter davon entfernt, kämpft Saleh mit dem Vulkan. Ohne Atemschutzmaske und Arbeitshandschuhe. Die wären viel zu teuer, sagt Saleh. Immer wieder muss er seinen Job unterbrechen. Denn der Wind bläst aus allen Richtungen. Die giftigen Dämpfe beißen sich in Augen, Nase und Mund. Nach ein paar Monaten verliert man Geruchs- und Geschmackssinn, sagt Saleh, dazu kommt Keuchhusten: "Der Rauch legt sich auf meine Lunge, macht das Atmen schwer. Manchmal ist das schon beängstigend, wenn so eine Schwefelwolke kommt und man nichts mehr sieht, aber dann muss man einfach ruhig bleiben."

Weit unten im Tal liegt eine Sammelstation. Hier wird der Schwefel eingeschmolzen und gereinigt. Hauptabnehmer sind die Kosmetikindustrie und die Raffinerien in der Nähe, die damit Zucker bleichen.

In Industrieländern ist Schwefel ein billiges Abfallprodukt der Erdölproduktion. Hier im armen Teil Indonesiens ist es noch billiger, dafür Menschen in den Vulkanschlund zu schicken. "Wir halten uns an die Standards. Die Arbeiter können bei uns immer noch mehr verdienen als anderswo in der Gegend. Deswegen glaube ich, hat das Schwefelstechen im armen Osten der Insel Java noch eine Zukunft", sagt Virga Anugraha.

Sechs Euro Tageslohn

Saleh
Saleh verdient sechs Euro am Tag. | Bild: NDR

Am Fuße des Vulkans lebt Saleh mit seiner Frau – trotz des Knochenjobs in sehr bescheidenen Verhältnissen. Immerhin haben sie immer genug zu essen. Die Arbeit in der Schwefelmine bringt dreimal mehr pro Tag ein als die auf dem Reisfeld. "Ich mache mir Sorgen um ihn, wenn er da oben am Vulkan arbeitet. Aber wir haben keine Wahl und ich bete dafür, dass er immer wieder heil zurückkommt", sagt Salehs Ehefrau Junnah. Der Vulkan bläst den Arbeitern beständig seinen giftigen Atem ins Gesicht. Aber Aufgeben? Nein, sagt Saleh: "Ich mache das solange ich noch kann und hoffe, dass es meinen Kindern und Enkeln mal besser geht und dass sie ihren Träumen nachgehen können."

Bis zu zehn Tonnen Schwefel schleppen die Arbeiter täglich hoch. Es ist wohl einer der härtesten Jobs der Welt. Für die Arbeiter ein Höllenjob, den viele nicht überleben. 50 Jahre ist die Lebenserwartung eines Schwefelstechers. "Manche fallen einfach um oder stürzen ab", sagt Saleh. "Ich habe wohl Glück gehabt." Am Bergkamm angekommen heißt es umladen und dann noch einmal zwei Stunden mit der Karre bergab zur Sammelstation. Für all die Plackerei wird Saleh am Ende des Tages ganze sechs Euro verdient haben. Gerade genug, um zu überleben.

ARD-Studio Singapur, Autorin: Sandra Ratzow

Stand: 28.08.2019 06:43 Uhr

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