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Griechenland: Rechtsruck wegen der Geflüchteten?

Griechenland: Rechtsruck wegen der Geflüchteten? | Bild: SWR

Der Zaun zur türkischen Grenze ist jetzt 37,5 Kilometer lang. Und er soll noch verlängert werden, um Menschen, die über die Türkei in die EU fliehen, noch besser abzuhalten. Ein Wahlkampf-Thema, dass den Konservativen in die Hand spielt. Die Umfragen legen einen Rechtsruck nahe. Die Menschen entlang der Grenze jedenfalls wollen mehr Zaun und sind sauer auf die EU, weil die aus ihrer Sicht zu wenig Geld für die Sperranlage zusteuert. Eine Reportage entlang des Grenzzauns.

Ein fünf Meter hoher Zaun soll Flüchtlinge abhalten

Dimitris Bistinas und seine Kollegen machen sich für ihren Kontrollgang an der griechisch-türkischen Grenze bereit. Rund um die Uhr sind kleine Trupps in Schichten unterwegs: Zusätzlich zum Zaun, der direkt am Fluss Evros verläuft. Das Ufer gegenüber gehört zur Türkei. "Wir suchen hauptsächlich nach Spuren illegaler Einwanderer, die diese Stelle passiert haben, um sie ausfindig zu machen", erklärt Dimitris Bistinas von der Grenzpolizei

Blick von griechischer Seite Richtung Türkei mit griechischer Fahne im Vordergrund
Früher gab es noch Kontakte zur nahen türkischen Seite | Bild: SWR

Kaum zu glauben, dass dieser Zaun überhaupt überwunden werden kann: fünf Meter hoch. Seit drei Jahren wird an ihm gebaut. Im Jahr 2020 erklärte die Türkei einseitig die Grenze für geöffnet. Tausende Migranten versuchen damals hier über die Grenze hier nach Europa zu gelangen. Der Zaun soll sie abhalten: 37 km ist er lang, nach Plänen der Regierung soll er auf knapp 100 km verlängert werden. Flüchtende hält er trotzdem nicht ab: Laut UN gelangten allein in diesem Jahr mindestens 820 Menschen hier ins Land. Das sollen die Trupps der Grenzpolizei verhindern, oder zumindest schwieriger machen. "Ich würde nicht sagen, dass das einfach ist", sagt Dimitris Bistinas, "aber es ist unsere Pflicht und wir machen das." Ins Gelände dürfen wir sie mit der Kamera aus Sicherheitsgründen nicht begleiten. Aber wir werden sie später am Parkplatz wieder treffen."

Der Grenzfluss ist Sperrgebiet

Die Grenze ist Wahlkampf-Thema: Die Evros-Gegend ist der Wahlkreis von Ministerpräsident Mitsotakis. Der hatte versprochen, die Grenze zu verstärken. Das hat er geschafft: Mit dem Zaun, und wo kein Zaun steht mit viel Polizei entlang des Evros. Nur mit Sondererlaubnis darf man an den Fluss. Touristen kommen schon lange nicht mehr ins Delta, seit der Fluss Sperrgebiet ist. Artemis Papakostidi wird Königin des Delta genannt. Sie ist die letzte Fischerin im Sperrgebiet. Alle anderen haben aufgegeben. Die Flüchtenden kommen immer wieder mit Booten aus der Türkei. Besonders im Jahr 2015, damals kamen viele Familien aus Syrien. Denen habe sie geholfen. Jetzt kämen nur noch junge Männer und zu viele. Die sieht sie als Kriminelle, und sich selbst in vorderster Verteidigungslinie Europas. "Und jetzt haben wir Grenzschutzbeamte, den Zaun und die Armee. Auch wir Hüttenbesitzer werden das Delta schützen und niemanden durchlassen."

Fischerin repariert Netz
Im Sperrgebiet leben nur noch wenige Menschen | Bild: SWR

Ihre Fischerhütte wirkt wie am Ende der Welt: obwohl die Türkei so nah liegt: Früher gab es regelmäßig Kontakt zu den Menschen dort. Doch mit der immer stärkeren Abschottung ist der Kontakt abgebrochen. Und das Szenario eines Angriffs des Nachbarn ist immer da. "Ich wünsche mir, dass jede Regierung in Griechenland – egal welche – sich um den Grenzschutz kümmert und nicht einen Zentimeter Land abgibt, nicht einmal einen Eimer Wasser."

Die Flüchtlingspolitik hat viele Griechen nach rechts rücken lassen

Die Grenzregion wählt traditionell konservativ, zunehmend auch rechts-extrem. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, viele Jugendliche wandern ab, die Dörfer überaltern. Der Ausbau der Grenze schafft immerhin einige Arbeitsplätze, erzählen Anwohner. Kritisch sieht hier den Zaun kaum jemand. Anders in Alexandroupoli, der regionalen Hauptstadt. Die dunkle und reservierte Atmosphäre hier in der Evros-Region, Vangelis Petritzikis ist Psychologe und überzeugt, diese Grundstimmung hat etwas mit dem Zaun zu tun. "Sie gibt mir ein Gefühl eines geschlossenen Landes, eines feindlichen Landes, eines Landes, das sich in einer Krise befindet."

Zwei Polizisten und eine Polizistin patroullieren am Grenzzaun
Diesmal wurde kein Flüchtling aufgegriffen

Nach fünf Stunden Patrouille endet die Schicht von Dimitris Bistinas und seine Kollegen. Bei der Patrouille haben sie keinen Flüchtling aufgegriffen. Dieses Mal. "Wir dürfen keine Routine entwickeln. Das wäre riskant für unsere Arbeit. Heute waren ganz gut und morgen werden wir wieder unseren Dienst tun." Für viele Griechen wird diese Grenze ihre Wahlentscheidung mit beeinflussen: Die Flüchtlingspolitik hat viele in der Evros-Region nach rechts rücken lassen.

Autor: Rüdiger Kronthaler, ARD-Studio Rom

Stand: 22.05.2023 09:48 Uhr

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