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Ghana: In Zukunft mit Atomstrom
Handy aufladen ist heutzutage selbst beim Viehzüchten in der Einöde kein Problem mehr. Kleine Solarpanels liefern vielerorts in Afrika Strom für den Hausgebrauch. Die großflächige Versorgung mit Elektrizität ist in den meisten Ländern allerdings eine Herausforderung. Ein veraltetes Stromnetz und Probleme mit Kraftwerken führen regelmäßig zu Stromausfällen. Ghana ist da keine Ausnahme – vergangenes Jahr gingen die Menschen sogar auf die Straße – so katastrophal war die Energieversorgung. Doch das soll besser werden.
"Kernenergie ist sehr sauber"
An dieser Straße in einem Vorort von Ghanas Hauptstadt Accra liegt ein Stück Zukunft. Die ghanaische Kernenergie-Kommission. Ein Testreaktor war hier bereits jahrelang in Betrieb. Aber warum ein AKW in einem Land, wo fast immer die Sonne scheint? "Kernenergie ist sehr sauber. Und sehr nachhaltig", sagt Stephen Yamoah vom Institut für Kernenergie. "Industrieanlagen kann man mit Solarenergie nicht betreiben. Wir brauchen eine verlässliche Basis – dann kann man mit Sonnenenergie unterstützen."
Testreaktor läuft seit mehr als 20 Jahren
Ein AKW für Ghana war schon ein Projekt der ersten unabhängigen Regierung des westafrikanischen Landes. Präsident Kwame Nkrumah träumte von einem Forschungsreaktor, den die Russen liefern sollten. Doch dann kam ein Machtwechsel. Das Reaktorgebäude blieb leer. Die Kühltürme waren nie in Betrieb. Spätere Regierungen erweckten den Traum wieder zum Leben mit dem aktuellen Testreaktor aus China, der seit mehr als 20 Jahren läuft – obwohl Atomkraft seit Tschernobyl und Fukushima in Verruf geraten ist. "Beim allem, was man macht, muss man vorsichtig sein", sagt Benjamin Nyarko, Direktor der Atomkommission Ghanas. "Beim Essen muss man vorsichtig sein, was und wieviel man isst. Also, im ganzen Universum muss man vorsichtig und auf Sicherheit bedacht sein."
Schulungszentrum wird gebaut
Die Atomkommission baut zurzeit ein Schulungszentrum für alle Länder, die mit dem hiesigen Reaktortyp arbeiten. An diesem maßstabsgetreuen Modell soll geübt werden. Für den echten Testreaktor warten sie gerade auf neue Brennstäbe aus China – aus nicht waffenfähigem Uran. Haben sie denn gar keine Angst vor Atomkraft? "Doch, klar", sagt Kernwissenschaftler Henry Cecil Odoi. "Vor allem hier in Afrika. Sie haben ja von Boko Haram und so gehört. Diese Leute können jederzeit zuschlagen. Wenn man waffenfähiges Uran hat, ist man natürlich ein Ziel." Aber das, sagt er, sei auch wirklich das einzige Problem.
Atomic Apotheke und eine atomare Bushaltestelle
Was die Ghana Atomic Energy Commission genau macht, hat sich in der Bevölkerung noch nicht überall herumgesprochen. Obwohl die Straße, an der sie liegt, wie zur Beschwörung Atomic Road heißt, es die Atomic Apotheke gibt, die Protonen-Schreinerei, den Neutronen-Zubringer, Blumentöpfe wie Reaktorhüllen und – die atomare Bushaltestelle. "Also, ich finde, Ghana sollte Atomkraft haben dürfen. Erstens als Schutz gegen alle Mächte, die uns bedrohen. Und zweitens für Strom", sagt ein Passant. Und ein anderer meint: "Wir wissen, dass die dort Chemikalien produzieren. Und Bomben und solche Kleinigkeiten." Bomben werden hier natürlich keine gebaut, nur ein Atomkraftwerk geplant.
Wenig Zulauf an der Schule für Nuklearwissenschaften
Ein Stück die Atomic Road hinunter, an der Protonenstraße, liegt die höhere Schule für Nuklearwissenschaften. Ein riesiger Komplex – ganz zufällig läuft gerade: der Generator. Studenten rennen dem Institut nicht gerade die Bude ein – man habe mit mehr Zulauf gerechnet, heißt es. Dennoch: An die atomare Zukunft Ghanas glaubt der Direktor der Atom-Kommission nach wie vor: "Wir wollen ein Industrieland werden. Wir wollen unsere Wirtschaft von niedrig auf mittel bringen und irgendwann ein entwickeltes Land werden", sagt Benjamin Nyarko. "Aber wenn wir das wirklich wollen, dann müssen wir das Energieproblem lösen. Denn ohne Energie kann man keine Arbeit machen."
Frühestens 2029 kommt Atomstrom aus der Steckdose
Das weiß auch der Generatorspezialist Sekyre Ebenezer an der Atomstraße. Seit sich Ghanas Stromproblem in diesem Jahr etwas gebessert hat, hat er nicht mehr so viel zu tun. "Ich finde die Atomkraft-Pläne gut", sagt Ebenezer. "Wenn das AKW genug Energie erzeugt, muss ich keine Generatoren mehr reparieren und kann mir einen besseren Job suchen." Bis es so weit ist, muss er vermutlich auch noch diese Stromerzeuger reparieren. Denn vor 2029, heißt es in der Kernenergie-Kommission, kann der erste Atomstrom nicht aus der Steckdose kommen.
Autorin: Sabine Bohland, ARD Studio Nairobi
Stand: 16.07.2019 02:01 Uhr
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