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Frankreich: Weltoffenheit gegen Abschottung

Frankreich: Weltoffenheit gegen Abschottung | Bild: NDR

"Ich will wieder Ordnung in Frankreich herstellen" – "Ich möchte, dass die Franzosen frei leben können in einem stolzen Frankreich." Marine Le Pen will französische Präsidentin werden. Pompöse Auftritte sollen dabei helfen. In der Hafenstadt Nizza sind schon junge Unterstützer für Marine Le Pen unterwegs. Bryan, 20 Jahre alt, Student, verteilt Flugblätter. Unterwegs sind er und seine Parteifreunde heute auf der Promenade von Nizza, wo im letzten Juli das Attentat war. Terror, sagt der Front National, gehe vor allem von Nicht-Franzosen aus. Damit meint er die, die aus Einwandererfamilien kommen. "Entweder sie akzeptieren unsere Flyer oder sie belächeln uns, wie gerade. Selbst wenn die Leute die Flyer nicht annehmen wollen, gibt es nie eine wirklich aggressive Stimmung. Es ist eine Art freundschaftliche Ablehnung", sagt Bryan.

Debatte auf der Straße

Bryan (links) im Gespräch mit einem Mann.
Bryan macht Wahlkampf für Marine Le Pen. | Bild: NDR

Marine Le Pen hat der rechtsextremen Partei ein freundlicheres Antlitz verpasst. Ein Teil ihres Erfolgs. Ein älterer Herr sagt Bryan gründlich die Meinung. "Ich bin nicht einverstanden", sagt er, "das stimmt alles nicht. Ihr wollt den alten Franc wieder einführen und raus aus Europa. Ich bin 81 Jahre alt. Damals, 1954, 55, 57, da war das mit dem Franc okay, aber jetzt nicht mehr." "Mein Herr, wir reden über das Jahr 2017", entgegnet Bryan. "Was ist das Problem? Wir rechnen einfach einen Franc für einen Euro. Sogar Wirtschaftsnobelpreisträger sind für den Austritt aus der EU." Nein, die EU müsse solider, dynamischer und stärker werden, sagt der Mann. "Darum geht's." "Aber wir wollen ein Europa der Nationen", ruft Bryan, "verstehen Sie das nicht?" Mit ihm könne man doch nicht reden, sagt der Mann noch im Gehen.

Politik statt Studium

Die Studentin Emma.
Emma hat ihr Studium unterbrochen, um Wahlkampf für Emmanuel Macron zu machen. | Bild: NDR

Auch Emma macht Wahlkampf - für einen, der momentan als einer der Favoriten gilt: Emmanuel Macron. "Ich habe mich schon mit 14 Jahren engagiert", sagt sie. "Da war ich ein Jahr lang bei der kommunistischen Partei. Das war aber nichts ideologisches, sondern eher ein rebellisches Engagement." Jetzt meint sie es ernst. Ihr Abitur hat sie mit 14 gemacht, hat angefangen zu studieren. Für Emmanuel Macron hat sie ihr Studium unterbrochen und arbeitet jetzt als Praktikantin für ihn. Auch sie kommt aus dem Süden Frankreichs – dort, wo der rechtsextreme Front National traditionell sehr stark ist. Emma ist unterwegs nach Toulon zu einer Wahlveranstaltung von Emmanuel Macron. "Ich denke, viele Politiker nehmen sich nicht die Zeit, die Dinge den Franzosen zu erklären, weil sie glauben, dass die das ohnehin nicht verstehen", sagt sie. "Das ist doch, als würde man die Franzosen für Idioten halten. Macron wendet sich an den Intellekt und nicht an die Ängste, wie es andere Parteien machen."

Werbung für Marine

Marine Le Pen
"Ich will wieder Ordnung in Frankreich herstellen", sagt Marine Le Pen. | Bild: NDR

In Nizza sind Bryan und die anderen im Parteibüro des Front National. Überraschend ist heute ein junger Mann gekommen und möchte Parteimitglied werden. Bryan zeigt ihm Prospekte: "Das hier sind die 144 Versprechen" von Marine. Wie alle anderen nennen sie sie nur beim Vornamen: Marine. Der Name Le Pen und der Parteiname Front National kommen kaum noch vor. "Der Grund warum ich mich für den Front National engagieren möchte, ist Jean Marie Le Pen", sagt der junge Mann. "Ich respektiere diese Frau, aber ich komme vor allem wegen ihm." "Ach, echt?", sagt Brian überrascht und weiß offenbar nicht recht, wie er mit dieser Leidenschaft für den alten Front National umgehen soll. "Wir wollen eigentlich nicht mehr über ihn sprechen. Wir stehen alle hinter Marine", sagt er.

Wahlkampf mitten in der FN-Hochburg

Toulon ist eine Hochburg des Front National. Bei den Regionalwahlen 2015 haben 41,8 Prozent die rechtsextreme Partei gewählt. Emma findet es wichtig, genau dorthin zu gehen und Wahlkampf zu machen. Sie glaubt, dass viele nur deshalb rechtsextrem wählen, weil sie von den Konservativen und Linken enttäuscht worden sind. Am Nachmittag wird Macron erwartet. Unterstützerin Emma trifft sich vorher mit Freunden – sie sind jung, sie sind enthusiastisch und sie glauben, dass Macron Frankreich retten kann. Wie überall, wo er auftritt stehen die Menschen Schlange. Drinnen sorgt Emma dafür, dass jeder einen Platz bekommt. "Ich bin für Macron, weil ich Lust hatte, mich für mein Land zu engagieren", sagt sie. "Er ist nicht im Parteiapparat genährt worden wie viele andere Politiker heutzutage. Er ist ein neuer Mann mit seinen Ideen. Emmanuel Macron hat eine Methode, die eher selten ist." Er könne so gut erklären, meint Emma. Und so wie sie saugt auch das Publikum in Toulon Macrons Ideen auf.

Macron will Freiheit verteidigen

Emmanuel Macron
Emmanuel Macron setzt sich für Freiheit und soziale Gerechtigkeit ein. | Bild: NDR

Er fordere das Recht, die Freiheit radikal zu verteidigen, und eine radikale soziale Gerechtigkeit, sagt Macron: "Nur so werden wir es schaffen." Als hätten sie darauf gewartet, dass einer ausbricht aus den etablierten Parteien der Vergangenheit und aufbricht zu etwas Neuem. "Wir sind eine Generation, die extrem viel Angst hat", sagt Emma. "Wir fürchten den Terrorismus, wir fürchten, keine Arbeit zu finden. Und da verstehe ich, dass einige im einfachen Diskurs von Marine Le Pen Zuflucht suchen."

Beide Seiten kämpfen für Frankreich

Bryan ist schon wieder unterwegs. Längst sind nicht alle Flyer verteilt. "Meine Großeltern sind ja keine Franzosen, sie sind Italiener", erzählt er. "Frankreich hat ihnen Arbeit gegeben und ihnen ermöglicht, hier eine Familie zu gründen. Ich habe immer ein positives Bild von meinem Land gehabt, sie haben mir die Liebe zu Frankreich weitergegeben. Also alles, was mit Frankreich zu tun hat: den Patriotismus, die Flagge… Das ist mir wichtig. Und deshalb engagiere ich mich politisch für Frankreich in dieser Partei."

Emma glaubt auch an Frankreich, aber noch mehr an Macron. Der 39-Jährige ist für Freiheit, für Europa, für Gerechtigkeit. Genau das, was auch Emma sich wünscht und wofür sie kämpft: "Taucht nicht in diesen Hass-Diskurs ein. Bei uns werdet ihr aufgenommen", sagt sie. "Uns habt ihr noch nicht ausprobiert, und für mich ist das eine Option, die viel besser ist und viel befriedigender für die Zukunft."

Die Veranstaltung ist vorbei. Emma, die 17-Jährige mit den großen Ideen für eine bessere Welt, ist glücklich. Und in Nizza kämpft Bryan weiter für ein Frankreich, das sich selbst an erster Stelle sieht und alles Fremde am liebsten außen vor lassen würde.

Autoren: Ellis Fröder und Mathias Werth, ARD-Studio Paris

Stand: 14.07.2019 12:40 Uhr

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