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Frankreich: Schluss mit dem Modezirkus?

Hinreißend für den Betrachter präsentiert Michaela den Entwurf einer Abendrobe von Julien Fournié. Es ist die aktuelle Herbst/Winter Kollektion, es ist Haute Couture – die hohe Schule der Schneiderkunst.

Corona-Krise hat die Modewelt verändert

Frankreich: Verändert Corona die Modewelt?
Frankreich: Verändert Corona die Modewelt?

Fournié gehört zu den 15 Spitzendesignern der französischen Hauptstadt. Doch diese Saison ist alles anders: Keine Show, kein Laufsteg. Stattdessen filmen Kamerateams die Kollektion für eine Videopräsentation im Netz. Modeschauen in Zeiten von Corona. "Haute Couture – das ist Bewegung, das ist eine Lichtreflexion auf einer Stickerei. Da kann man noch so viele Filme machen, das bleibt künstlich. Deshalb drehen wir heute, wie eine Haute Couture-Kollektion entsteht, und nicht einfach nur eine Abfolge der Modelle. Ich will es nicht so machen, wie die großen Plattformen, die uns Kleidung wie Suppe verkaufen. Wir zeigen hier, wie ein Haute-Couture Kleid entsteht", erzählt Julien Fournié, Haute-Couture Designer.

So präsentierte Fournié seine Mode vor Corona. Mehrmals im Jahr. Mondäner Rahmen, erlesene Entwürfe zu atemberaubenden Preisen. Jedes Kleid ein Ferrari. Doch ist dieser Aufwand noch zeitgemäß? Die Corona-Krise hat die Modewelt zum Nachdenken gebracht: Zu aufwändig, zu verschwenderisch, zu schnell.

"Das Problem mit der Mode ist: Man rennt die ganze Zeit – wie ein Hamster im Laufrad. Man kommt kaum dazu, die eine Kollektion zu genießen, weil man schon die nächste machen muss. Man hat kaum noch Freude an seiner Arbeit", so Julien Fournié.

Nachhaltigkeit im gesamten Modebetrieb

Frankreich: Kameras filmen die neue Kollektion für eine Videopräsentation im Netz
Frankreich: Kameras filmen die neue Kollektion für eine Videopräsentation im Netz

Denn immer schneller dreht sich das Mode-Karussell. Nicht nur in Paris: Eine Schau jagt die andere. Publikum, Einkäufer, Experten jetten um die halbe Welt, um dabei zu sein. Immer mehr Kollektionen, immer mehr Produktion, immer mehr Konsum. Ein atemloser Moderausch. "Das ist ein Wahnsinn in der Modewelt, ein höllischer Zirkus. Es gibt diesen internationalen Kalender: Angefangen in New York, Paris, London, Mailand. Im Januar sind die Haute-Couture Kollektionen, die Männerkollektionen, dann im März prêt à porter", erzählt Pascal Mourier, Modejournalist.

...und so weiter, und so weiter! – Paris will andere Akzente setzen. Die Stadt der Mode möchte die Stadt der nachhaltigen Mode werden: Umdenken – Hier sucht man schon länger nach neuen Wegen: Isabelle Lefort ist Mitbegründerin von 'Paris good fashion', einem Branchenverein, der die Modewelt umkrempeln will. Mehr Nachhaltigkeit, ist das Ziel: Nachhaltigkeit der Materialien, Nachhaltigkeit des gesamten Modebetriebs.

"Die Covidkrise hat diese Tendenz beschleunigt. Wir müssen mehr daran arbeiten, den derzeitigen Rhythmus der Schauen und die Herstellungs- und Produktionsmethoden zu entschleunigen. Und dazu kommt: man sollte Stoffe und Kleider nicht mehr einfach billig in aller Welt produzieren, man muss mehr lokal, in Frankreich, in Europa produziere", so Isabelle Lefort, Mitbegründerin 'Paris good fashion'. Ein Schnitt kann alles verändern: "Das ist besser", sagt Lutz Huelle, prêt à porter-Designer.

Mode in Zeiten von Corona

Frankreich: Designer Lutz Huelle macht aus Männer-Sweatshirts Frauen-Tops
Frankreich: Designer Lutz Huelle macht aus Männer-Sweatshirts Frauen-Tops

Lutz Huelle lebt seit bald 25 Jahren in Paris. Er hat hier ein eigenes Label, entwirft prêt à porter-Mode – die kleine Schwester der Haute-Couture. Seine Kleider verkauft er vor allem nach Asien. Er entwirft Kleidung, nicht nur für eine Saison, Kleidung, die Bestand haben soll. Die Corona-Krise hat seine Kollektion verändert. Denn: Monatelang gab es keine neuen Stoffe, keine Materialien. Also schneiderte Lutz Huelle Frauenkleider aus Männersachen. "Wir haben das erst gemacht mit 'nem Sweatshirt, das ist eigentlich ganz lang...wir hatten ja nichts. Als ich dann angefangen habe, wieder Kleidung zu machen, oder darüber nachzudenken, da fragt man sich schon: was will man denn überhaupt anziehen, morgen? Nach all dem, was jetzt passiert ist, das kann ja nicht so sein, wie vorher. Muss es nicht alles simpler sein", fragt Lutz Huelle.

Lutz Huelle hat sich fürs Schlichte entschieden. Und er glaubt, dass das Innehalten, das Entschleunigen während der Corona-Krisenmonate und der Ausgangssperre auch die Modewelt verändern wird: "Ich hoffe, ich denke das schon: wenn man das von außen betrachtet muss man schon sagen: das kann so nicht weiter gehen."

Julien Fournié: "Keine aktuelle haute-couture-show".

So geht es  bei Julien Fournié weiter. Sein Video ist gerade fertig geworden. Die Haute-Couture mit ihren exquisiten Stoffen und erlesenen Einzelstücken – geschneidert für die Ewigkeit – ist immer schon nachhaltig. Und der Modezirkus fällt bei Fournié, wie bei allen anderen großen Pariser Modeschöpfern, in dieser Saison aus. Ab morgen laufen die Schauen nur virtuell, im Internet. Mode in Zeiten von Corona.

Autorin: Sabine Rau / ARD Studio Paris

Stand: 05.07.2020 20:47 Uhr

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Westdeutscher Rundfunk
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