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England: Boris Johnson – der Mini-Trump

England: Boris Johnson – der Mini-Trump | Bild: imago images / i Images / Andrew Parsons

Boris Johnson, der liberale Clown, und oberster Cheerleader der Olympischen Spiele. Der Mann, der selbst die peinlichsten Patzer in Pluspunkte für sich selbst verwandeln konnte. Ein Image, das er auch im TV Duell in dieser Woche wiederzubeleben versuchte.

Boris Johnson will Premier werden

"Ich habe die Fähigkeit zu überraschen, zu gewinnen. Niemand glaubte ich würde Bürgermeister von London werden, und: niemand hat geglaubt, ich könnte das Referendum gewinnen. Aber wir haben gewonnen", so Boris Johnson, Politiker. Genau da aber beginnt das Image des fröhlichen Saubermanns zu bröckeln. Buhrufe vor seinem Privathaus, als er sich unmittelbar danach das erste Mal der Öffentlichkeit zeigt. Buhrufe für eine Kampagne, bei der er mit Lügen und falschen Versprechungen arbeitet. Buhrufe für einen Boris Johnson, der sich plötzlich mit dem äußersten rechten Flügel seiner Partei zusammentut.

Dieser Flügel nennt sich die European Research Group, kurz ERG. Eine Partei innerhalb der Partei, die gewöhnlich hinter verschlossenen Türen tagt und seit dem Referendum immer mächtiger und immer angriffslustiger geworden ist. "Sie sind so wie etwas wie ein religiöser Kult. Mit einer fast göttlichen Mission. Sie glauben an ein Land, mit niedrigeren Steuern, in dem alle EU Regeln und Vorschriften wegfallen, ein freihandelnder Piratenstaat, das ist ihre Vision", sagt Matthew Parris, Tory Insider und Journalist.

Eine Gruppe, die deshalb vor allem ein Ziel hat: Den radikalen Bruch mit der EU. Und Boris Johnson ist jetzt ihr Mann. Seit Johnson glaubt, nur mit ihnen Premier werden zu können vertritt er offen den chaotischen 'No Deal', und verharmlost die massiven Risiken und Kosten für die Briten, die selbst regierungseigene Studien belegen.

"Das wichtige ist, sich darauf vorzubereiten. Dann ist das kein Problem. Es wird so gut wie gar nichts kosten, wenn wir uns vorbereiten", so Boris Johnson, Politiker.

Illegale Spende während der Brexitkampagne

Boris Johnson: Ein rücksichtsloser Lügner, der bewusst die Fakten verdreht, um zu gewinnen? Ja, sagt Shahmir Sanni. Er ist der Whistleblower, der aufdeckte, dass 'Vote Leave', Boris Johnsons Brexit Kampagne 2016 über eine halbe Millionen Pfund mehr Geld hatte, als erlaubt war. Mit einer einzelnen Spende. Shahmir übergab die Belege dafür der Presse. Seitdem ermittelt Scotland Yard. Boris Johnson aber behauptet bis heute, davon nichts gewusst zu haben.

"Er lügt. Es ist unmöglich, dass er das nicht wusste. Diese illegale Spende war die größte einzelne Spende, die es während der ganzen Brexitkampagne gab. Und da soll die Gallionsfigur und der Sprecher nichts von gewusst haben? Das macht keinen Sinn", sagt Shahmir Sanni, Whistleblower.

Nach dem Referendum wechselten Shahmir und zentrale Figuren von 'Vote Leave' in die Tufton Street, in ein Netz rechter Lobbygruppen, und setzten sich hier weiter für einen radikalen Bruch mit der EU ein. In engem Kontakt mit der Tory-Partei und den USA, wie Shahmir dort erfuhr.

"All diese rechten Lobbygruppen haben sehr enge Beziehungen in die USA, und zwar zu den Republikanern. Und das Geld, das sie haben, kommt nicht aus Großbritannien. Sie werden von außerhalb bezahlt, um hier Propaganda zu verbreiten", so Shahmir Sanni, Whistleblower.

Interviewer: "Wie können sie da so sicher sein?"

Shahmir Sanni: "Weil ich das mitgehört habe, als ich dort noch gearbeitet habe. Beim Brexit geht es um Chaos. Denn Chaos bringt Profit und manche machen so das große Geld. Warum sonst hätten damals all diese Milliardäre für den Brexit gespendet?"

Geschwächtes Großbritannien als Einfallstor für amerikanische Großkonzerne

Als Trump im Juni zum Staatsbesuch kommt, hören erstaunte Briten von ihm zum ersten Mal, dass bei einem zukünftigen Handelsdeal ihr Gesundheitssystem privatisiert werden könnte. Donald Trump, US-Präsident: "Alles kommt da auf den Tisch. Auch Ihr Gesundheitssystem. Und noch sehr viel mehr!" Eine, die sich im Dickicht internationaler Politik auskennt wie wenige, ist Anne Applebaum. Sie sieht darin eine Gefahr für die britische Demokratie. Denn für die Übernahme der Insel durch amerikanische Firmen habe damals kein Brite gestimmt.

"Wenn Geld aus unbekannten Quellen in die Politik fließt, ist das eine Bedrohung der jeweiligen Demokratie. Und das ist nicht nur in Großbritannien ein Problem, sondern auch in den USA. Lobbygruppen, die die politische Landschaft mit Cash verändern wollen", so Anne Applebaum, Historikerin und Publizistin.

Ein geschwächtes Großbritannien als Einfallstor für amerikanische Großkonzerne. Das war nicht, was Boris Johnson versprochen hatte, als er sich zur Gallionsfigur des rechten Toryflügels aufschwang. Ist er Opportunist genug, um das dennoch geschehen zu lassen? Der rechte Toryflügel jedenfalls ist überzeugt, dass Johnson den 'No Deal' Ende Oktober durchziehen wird. Wir treffen einen der führenden Köpfe.

"Er wird uns nicht in den Rücken fallen. Und ihr Deutschen müsst jetzt verstehen, dass wir diesmal einen Premier haben, der an sein Land glaubt, es wird ein Kulturschock für euch, aber ihr werdet euch daran gewöhnen müssen", so Mark Francois, Stellvertretender Vorsitzender der ERG.

Rücksichtsloser Machtpoker

Noch aber gibt es auch in London Menschen, die sich nicht daran gewöhnen wollen, Tories des alten Schlags wie Dominic Grieve. Einer aus der kleiner werdenden Gruppe derer, die den 'No Deal' verhindern wollen. Viel Hoffnung aber hat er nicht mehr. "Boris Johnson hat einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, um zu gewinnen. Und es ist absolut klar, dass sie ihn an der kurzen Leine führen und kontrollieren werden. Wie er ihnen entkommen will, sehe ich nicht. Kann er das überhaupt noch? Ich glaube nicht, es ist wahrscheinlicher, dass sie ihn und damit auch die nächste Regierung zerstören werden", so Dominic Grieve, Tory Abgeordneter.

Und mit ihm dann womöglich das ganze Land. Boris Johnsons moralischer Schleuderkurs ist jedenfalls das Gegenteil von dem, was er versprach. 'We’re taking back control' – Ein rücksichtsloser Machtpoker, der als politischer Totalschaden enden könnte.

Autorin: Annette Dittert/ARD Studio London

Stand: 15.07.2019 10:55 Uhr

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