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Brasilien: 100 Tage Bolsonaro

Brasilien: 100 Tage Bolsonaro | Bild: BR

Wir fahren steil bergauf – hinein in die Favela Fallet in Rio. Im Gemeindezentrum der Armensiedlung: trauernde Mütter. Die Bewohner sind zusammengekommen zu einem Krisentreffen, vor allem Mütter, wie Tatiana Carvalho, deren Sohn vor wenigen Tagen von der Polizei getötet wurde: „Ja“, sagt Tatiana, ihr Sohn Felipe sei ein Gangster gewesen. Doch er habe sich der Polizei ergeben wollen. Das zumindest hätten ihr Augenzeugen aus der Nachbarschaft versichert.

Eine Hinrichtung?

Tatiana zeigt uns Bilder von jenem Morgen, an dem die Polizei insgesamt 15 Jugendliche tötet. Die Anwohner beteuern: Die Gang-Mitglieder starben nicht im Gefecht, sondern wurden hingerichtet, manche mit Messern massakriert, auch Felipe. Die offizielle Autopsie bestätigt das: Tod aufgrund mehrerer Messerstiche.

Eline Vicente da Silva, eine der Mütter, will uns weiter oben das Haus zeigen, in dem, irgendwo im Wirrwarr der Gassen, ihre beiden Söhne von der Polizei getötet wurden.
Dass hier eine gezielte Exekution stattgefunden haben soll, daran zweifelt Eline nicht. Wie als Beweis zeigt sie uns die einzigen beiden Einschusslöcher.

Bilder der Militärpolizei zeigen den Tag der Operation, den Sturm der Favela Fallet. Zu sehen ist jedoch nicht den Moment des Zugriffs, sondern nur die Gefechte danach. Offen bleibt, ob Polizisten tatsächlich zu brutalen Mördern wurden. Dennoch lobt der Gouverneur von Rio diesen Einsatz als Erfolg, noch vor Abschluss der Ermittlungen. Rios Gouverneur ist ein Freund von Brasiliens neuem Präsidenten Jair Bolsonaro.

Bolsonaros Probleme

Der Rechtsextreme hatte den Wahlkampf Dank scharfer Töne für sich entschieden.
Jetzt, nach drei Monaten im Amt, hat Brasiliens Präsident ganz andere Sorgen. Bolsonaro muss eine dringend benötigte Rentenreform durchs Parlament bringen. Kein einfaches Unterfangen, und vor allem anders als seine Law and Order Politik, unbeliebt beim Volk. Die Wut auf Bolsonaro wächst, weil viele Angestellte durch die Rentenreform bald länger arbeiten müssen. Gleichzeitig scheut sich Bolsonaro davor, die üppigen Pensionen der Politiker anzutasten.

Der Protest gegen die Rentenreform, er scheint der Anfang einer Massenbewegung zu sein gegen Präsident Bolsonaro. Gleichzeitig steht und fällt dessen Regierung mit diesem Projekt.
Am Rande der Demo posiert ein Bolsonaro-Anhänger ganz offen mit einer Pistole. Die Stimmung ist aufgeheizt.

Einsatz von Scharfschützen

Zurück in den Favelas von Rio: Hier berichten Einwohner, unter Bolsonaro greife die Polizei immer härter durch. Von diesem Polizeigelände aus sollen mittlerweile sogar Scharfschützen auf Einwohner zielen, genauer gesagt von diesem weißen Turm aus. Ihr Ziel: Bewaffnete Kriminelle aus weiter Ferne töten.
In drei Monaten sollen bis zu zwölf Menschen durch Scharfschützen erschossen worden seien. Der Leiter der Militärpolizei von Rio bestätigt uns gegenüber diese neue Taktik.
Auch die Bewohner der Favela Fallet berichten von Scharfschützen, die über ihren Dächern stationiert sind.

Zum Krisentreffen der Mütter ist auch ein Vertreter der Staatsanwaltschaft gekommen. Die Angehörigen fordern, dass er für Gerechtigkeit sorgt und den Polizeieinsatz aufklärt, zumindest das. Verbrechen der Polizei, die immer öfter passieren könnten unter Brasiliens neuem Präsidenten Jair Bolsonaro.

Autor: Matthias Ebert, ARD Rio de Janeiro

Stand: 07.04.2019 23:22 Uhr

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