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USA: Faule Geschäfte mit Studentenkrediten

USA: Faule Geschäfte mit Studentenkrediten | Bild: BR

Craig Clavette hat ein Problem, ein schwerwiegendes Problem: Er ist erst 30 Jahre alt und er hat schon Schulden, große Schulden.

Aus dem Keller hat er eine Kiste geholt, voll mit Mahnungen und Zahlungsaufforderungen. Summen, die er nicht aufbringen kann. Täglich rufen ihn in die Inkassounternehmen an und machen Druck.

Craig hat über 200.000 Dollar Schulden, weil er studiert hat an einer sogenannten for profit school, einer kommerziellen Universität, die Geld mit Studenten verdient.

Craig Clavette
Craig Clavette | Bild: Bild: BR

Craig Clavette:

»Die haben mir gesagt: 'Gut, das Ganze wird teuer für dich, aber es ist die Sache wert. Mit unserer Ausbildung bekommst du sicherlich einen guten Job und damit kannst du dann deine Schulden zurückbezahlen.'«

Craig hat den Versprechungen des Art Institute (AI) geglaubt: AI bietet Studiengänge in Design, Kunst, Mode an und lässt sich diese Perspektive teuer bezahlen, sehr teuer. Zur Finanzierung vermittelt die Schule Kredite an die Studenten, öffentlich garantierte von der Regierung und private von Banken. Als Craig mit 20 unterschrieb, glaubte er genau das richtige zu tun.

Craig:

»Die haben mich da hinein geredet, und das Ganze noch mit einem extra Zuckerguss versehen.«

Ist Craig nur ein dummer Junge, selber schuld oder steckt da System hinter?

Wir sind in Boston bei einer juristischen Beratungsstelle. Hier berät die Rechtsanwältin Toby Merril junge Studenten. Sie kennt viele Craigs, die sich ausgenommen fühlen. Sie vermutet, dass die privaten Universitäten ganz gezielt vorgehen.

Toby Merril
Toby Merril | Bild: Bild: BR

Toby Merril, Legal Service Center:

»Das Geschäftsmodell zielt auf Menschen, die nicht sofort merken, dass sie ausgenommen werden sollen, auf solche mit geringeren Einkommen, auf Leute, die verzweifelt versuchen, ihr Leben zu verbessern. Wir haben hier ganz in der Nähe ein Art Institute und ich kenne eine ganze Reihe von Leuten, die sich hier hoch verschuldet haben und schreckliche Erfahrungen gemacht haben.«

Die Universitäten des Art Institute werden betrieben von dem privaten Unternehmen Education Management Corporation (EDMC). An dieser Firma hält die Investmentbank Goldman Sachs 43 Prozent. EDMC ist mit über 100 Standorten der zweitgrößte Anbieter von kommerziellen Universitäten in den USA mit über 100.000 Studenten. Diese werden mit Milliarden staatlich subventioniert.

Das kleine Städtchen Torrington nahe New York: hierhin ist Craig nach seinem Bachelor in Media und Design zurückgezogen. Er lebt wieder bei seiner Mutter. Den von der Universität versprochenen guten Job hat er bis heute nicht gefunden. Craig schlägt sich durch, mit zwei Jobs als Bartender, und als Verkäufer an einer Tankstelle. Er muss jeden Monat 1200 Dollar aufbringen, Tilgung und Zinsen für die privaten Studentendarlehen. Dafür arbeitet er hart.

Die Studentendarlehen wird er sein Leben lang nicht los. So will es das Gesetz.

Craig:

»Selbst wenn du einen Offenbarungseid leistet – das Studentendarlehen wirst du nicht mehr los, es sei denn, du bist behindert und berufsunfähig.«

Wir zeigen den "Fall Craig" jemandem, der die Geschäftspraktiken bei EDMC aus eigener Erfahrung kennt: Kathleen Bittel hat bei dem Unternehmen gearbeitet. Sie hat rekrutiert, als Werberin die Studenten zur Unterschrift bewegt und betreut. Und sie bereut es bis heute:

Kathleen Bittel
Kathleen Bittel | Bild: Bild: BR

Kathleen Bittel:

»Ich habe Hunderte von diesen jungen Leuten gesehen. Es bricht mir das Herz, was die mit denen machen. Es ist so falsch. Was Craig hier berichtet, habe ich Hunderte von Malen erlebt, ich war dabei. Sie stehlen diesen jungen Leuten ihre Zukunft. Sie versprechen ihnen das Blaue vom Himmel und geben ihnen nichts außer Schulden.«

Ausbeutung pur in diesen Universitäten? Der Träger des Art Institutes schreibt uns: Die Vorwürfe bezögen sich die Vergangenheit, die Wirklichkeit heute sehe anders aus und auf der Webseite versichert der Vorstandsvorsitzende:

Edward H. West, EDMC:

»Wir halten uns in unserer Geschäftspolitik an die Gesetze und Vorschriften von Bund und Bundestaaten.«

Kathleen mag diesen Beteuerungen nicht glauben: Um an die staatlichen Fördergelder zu kommen, die öffentlichen Studentenkredite, habe das Unternehmen Zahlen frisiert. Das mache sie heute noch wütend.

Kathleen:

»Ich musste die Erfolgszahlen fälschen. Alles drehte sich um‘s Geld, denen ging es nicht um eine gute Ausbildung.«

Schwere Vorwürfe einer Kronzeugin, deren Aussage inzwischen die Justizbehörden auf den Plan gerufen haben. Staatsanwälte wie Glenn Kaplan fordern von EDMC gerichtlich die staatlichen Subventionen zurück. Es geht um elf Milliarden US-Dollar. Das Unternehmen nennt diese Verfahren substanzlos und wehrt sich.

Glenn Kaplan
Glenn Kaplan | Bild: Bild: BR

Glenn Kaplan, Justizministerium Massachusetts:

»Wir ermitteln gegen EDMC. Wir überprüfen sorgfältig die Anschuldigungen und Beschwerden.«

Übrigens Darlehen, wie sie Craig in Boston unterschrieben hat , sind von den Darlehensgebern in der Regel längst weitergereicht worden: Sie sind zusammen mit vielen, vielen anderen Studentendarlehen als Sicherheiten in Wertpapiere verpackt worden und als Asset Backed Security beispielsweise an die Hypo Real Estate in Deutschland weiterverkauft worden.

Glenn Kaplan, Justizministerium Massachusetts:

»Da verdienen die doppelt dran: Einmal, weil die kommerziellen Universitäten soviel teuer sind als die anderen Universitäten in den USA und dann nochmal, wenn die privaten Studentenkredite von den Investmentbanken weiterverkauft werden.«

Ein nahezu perfektes System, um aus Studenten wie Craig möglichst viel Geld herauszuholen. Er wird sein Leben lang für diese Schulden einstehen müssen.

Craig:

»Ich nehme täglich Antidepressiva; ich sehe keinen Ausweg.«

Autor: Markus Schmidt, ARD New York

Stand: 16.03.2015 00:13 Uhr

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