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USA: Nonnen auf Tour im Wahlkampfbus

Gegen die Macht des großen Geldes

USA: Nonnen auf Tour im Wahlkampfbus | Bild: BR

"Wir sind das Volk, wir sind die Wähler!“ Die Parole auf ihrem Bus, ein Glaubensbekenntnis. Ausgerechnet Amerikas Nonnen sind ausgezogen, politikmüde Bürger wachzurütteln. Denn bei den Kongresswahlen am Dienstag droht eine lausige Wahlbeteiligung. Dagegen predigt das Netzwerk der Nonnen auf wochenlanger Bustour durch die USA.

Schwester Simone Campbell
Schwester Simone Campbell | Bild: Bild: BR

Schwester Simone Campbell, Nuns on the Bus:

»Was uns zu dieser Aktion bewogen hat, ist eine Umfrage aus dem Sommer: da wussten 60 Prozent der US-Bürger gar nicht von diesen Wahlen! Höchste Zeit, dass das Volk die Regierung wieder für sich reklamiert!«

Der nächste Stopp Atlanta, Georgia, ein politisch besonders umkämpfter Bundesstaat.

Viele Schwarze sind nach sechs Jahren Obama-Regierung bitter enttäuscht. Schwester Simone will die mächtigen Gewerkschaften mobilisieren. Wer mehr soziale Gerechtigkeit wolle, dürfe seine Stimme nicht verschenken! Die Nonnen fragen nicht, ob jemand Demokrat oder Republikaner ist. Ihr Gegner: die in beiden Lagern grassierende Gleichgültigkeit. Dabei schreie die Kluft zwischen superreich und bettelarm zum Himmel.

Greg Fann, Coalition of Black Trade Unionists:

»Die Leute brauchen einen Job und müssen ordentlich bezahlt werden! Nur so können sie halbwegs angemessen leben. Obama hat darauf gedrängt, aber seine Gegner blockieren ihn. Nun haben wir nur noch Supergierige und extrem Bedürftige!«

Unterschriften für die Demokratie
Unterschriften für die Demokratie | Bild: Bild: BR

Sie schicken Denkzettel an den Kongress in Washington, unterschreiben für ein gerechteres Amerika. Doch nur enttäuschend wenige sind heute zur Kundgebung auf dem Parkplatz gekommen. Schwester Simone und ihre Mitstreiterinnen kennen das schon – vor allem Amerikas Jugend interessiert sich kaum für Politik, ob in der Coca-Cola-Stadt Atlanta oder auf dem platten Land.

Simones Herz gehört Jesus, ihre Stimme Obamas Demokraten. Es ist kein Geheimnis: die meisten dieser Nonnen sind links und liberal. Oft werden sie deshalb von Amerikas konservativen Christen verteufelt.

Mary Priniski, Adrian Dominican Sisters:

»Weil wir Nonnen sind, sollen wir uns aus der Politik raushalten, fordern die. Aber Politik ist, wie wir leben und miteinander umgehen. Wir Schwestern sind auch Bürgerinnen dieses Landes – sind genauso politisch wie andere auch!«

Wo immer sie hinkommen: die Nonnen kritisieren den giftigen Einfluss des großen Geldes. Millionenschwere Wahlkampfspenden.

Schwester Simone Campbell, Nuns on the Bus:

»Die Reichen versuchen, mit ihrem Geld die Politik zu kontrollieren. Doch am Tisch der Demokratie sollte jeder willkommen sein! Wir brauchen alle Stimmen. Das große Geld soll draußen bleiben, denn wenn die Demokratie gekauft wird, ist sie keine mehr… Das ist das Problem!«

Die Wurzel des Übels sehen die Nonnen in Washington. Dort werde das Dach des Kapitols restauriert – dabei sei das Fundament des Parlaments marode, ausgehöhlt vom teuflischen Treiben der Lobbyisten, die im Kongress ein- und ausgehen. Simone und die Schwestern geißeln, dass viele Volksvertreter am Tropf des großen Geldes hängen.

Abgeordnete auf den Stufen des Kapitols
Abgeordnete auf den Stufen des Kapitols | Bild: Bild: BR

Nur für Fotos stehen sie noch friedlich zusammen, denn Dienstag geht es um 471 umkämpfte Sitze in Repräsentantenhaus und Senat. Die Kontrahenten diffamieren sich gegenseitig in ihren Wahlwerbespots. Ihre teuren TV-Kampagnen haben bereits eine Milliarde Dollar verschlungen. Die Kongresswahlen – eine Schlammschlacht.

Ein stiller Moment am Highway in Colorado. Dann geht es schon wieder weiter…

Kurz vorm Wahltag drängen sich die Termine – Schwester Simone und ihre tapferen Mitstreiterinnen fühlen sich inzwischen wie eine übermüdete Rockband auf Tournee.

Schwester Simone Campbell:

»In den ersten drei Wochen hing hier ein Schild im Bus. Da stand das aktuelle Datum drauf, der Wochentag und die Stadt, in die wir fuhren. Vor dem Aussteigen haben wir da immer draufgeguckt, weil wir mitunter nicht mehr wussten, wo wir waren!«

Eine weinende Frau und Schwester Simone Campbell
Eine weinende Frau und Schwester Simone Campbell | Bild: Bild: BR

Noch ein gesichtsloser Parkplatz; hier warten Latinos auf die Nonnen. Darunter viele Illegale aus Mexiko. Schwester Simone weiß um die Sorgen und Nöte dieser Menschen. Die große Reform der Einwanderungsgesetze war im Kongress kläglich gescheitert: erschütternde Berichte von Polizeiwillkür und Deportation. Simone beklagt die ausländerfeindliche Haltung vieler Republikaner, im Wahlkampf besonders aufgeheizt.

Auch Joe Biden predigt Solidarität und soziale Gerechtigkeit. Der Vizepräsident ist im umkämpften Iowa Ehrengast der Nonnen. Obamas Stellvertreter macht sich stark für Amerikas Mittelschicht.

Joe Biden, Vizepräsident USA:

»Es gibt keinen Grund, warum bei uns Menschen trotz 40 Wochenstunden harter Arbeit immer noch unter der Armutsgrenze liegen! Das darf nicht sein in Amerika!«

Mitsprache und Schutz auch für die sozial Schwachen im Land – dafür kämpfen die Nonnen. Schwester Simone bekommt die neuesten Umfragen aufs Mobiltelefon. Demokraten und Republikaner liegen in etlichen Staaten Kopf an Kopf. In 58 Stunden schließt das letzte Wahllokal – bis dahin predigen die Nonnen, was sie als elftes Gebot sehen: Du sollst Deine Stimme nicht verschwenden.

Autor: Stefan Niemann, ARD Washington D.C.

Stand: 05.01.2015 09:23 Uhr

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