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Syrien: Die Kinder des Krieges

Syrien: Die Kinder des Krieges | Bild: BR

Sie spielen in Ruinen und suchen sich ihren Weg durch Trümmer – Kriegskinder in Syrien.

Ein Hof mit einer Gruppe Schülerinnen und ein Schulgebäude
Mädchen vor ihrer Schule | Bild: BR

Immerhin: die Schule ist wieder geöffnet in diesem Dorf, das lieber namenlos bleiben möchte, irgendwo im Norden.

Die Schule war Quartier der Freien Syrischen Armee und wurde beschossen. Nun hat Rupert Neudecks Hilfsorganisation Grünhelme das Gebäude repariert. Vormittags gehen die Mädchen zur Schule, nachmittags die Jungen. 

Eine Schülerin: "Wir leben immer in Angst. Wenn wir nach Hause kommen, gibt es weder Wasser noch Strom. Immer wenn ein Flugzeug über uns auftaucht, befürchten wir, dass es was abwirft. Auch hier in der Schule haben wir Angst. Mitten in der Nacht wachen wir auf vom Krachen der Explosionen."

Eine andere Schülerin: "Keine Seite wird eine Lösung bringen. Die Regierung tritt nicht zurück, sondern beschießt uns, und die Opposition gibt auch nicht nach, sie schießt zurück. Und wir sitzen dazwischen und kriegen es ab".

Die provisorische Zivilverwaltung hat den Lehrplan überarbeitet, Staatsbürgerkunde gibt es nicht mehr, dafür spielt die Religion eine größere Rolle. Es soll eine Art Alltag entstehen in den sogenannten befreiten Gebieten, aber manche wären vor der Befreiung gern gefragt worden.

Ein Mädchen mit Kopftuch
Der Wunsch nach einem Ende der Kämpfe | Bild: BR

Eine Schülerin: "Immer wenn bewaffnete Opposition in ein Gebiet kommt, wird es von der Regierung beschossen. Wir möchten lieber, dass die Freie Syrische Armee sich zurückzieht, damit das aufhört. Es geht doch um den Schutz der Bevölkerung."

Die zahlt einen hohen Preis für den Freiheitskampf – und die Zahl der Toten und Verletzten steigt täglich. Besonders hier, in Aleppo, einst Weltkulturerbe-Stadt und zweitgrößte Metropole Syriens. Hier halten inzwischen die Kinder den Alltag am Laufen. Sie sind es, die stundenlang Schlange stehen, um Wasser zu holen, das sie dann in viel zu schweren Kanistern oder Eimern nachhause schleppen.

Von diesem kleinen Laden leben zwei Brüder mit ihren Familien. Viel haben sie nicht mehr anzubieten. Das Leben in Aleppo ist teuer geworden und täglich kann es vorbei sein.

Der Vater: "Da im Nachbarviertel ist eine Rakete eingeschlagen. In zwei Zimmern unserer Wohnung kamen die Decken runter. Die Kinder waren im Haus, aber Gott hat nicht zugelassen, dass ihnen etwas zustößt."

Strom gibt es hier nicht mehr. Wasser holen die Kinder aus dem Nachbarhaus. Keines von ihnen geht mehr in die Schule. Sie überleben – irgendwie.

Ein Mann mit seinen Kindern
Abu Hassan | Bild: BR

Abu Hassan: "Hast du den Knall gehört?“ sagt der Vater. So gehe das ständig, am schlimmsten sei es in der Nacht. Wenn schon die Kinder am Klang erkennen, ob es eine Rakete ist, ein Flugabwehrgeschoss oder ein Flugzeug. Was bedeutet das? Und wenn sie überleben, was wird dann aus ihnen?"

Sie sind schon was geworden: Arbeiter. Die älteren Jungen müssen seit anderthalb Jahren dazuverdienen. Das Geld reicht trotzdem nicht. Viele Arbeitsplätze gibt es nicht mehr.

Jungen arbeiten in einer Näherei
Jungen arbeiten in einer Näherei | Bild: BR

Diese Textilfabrik ist inzwischen auf Kinder angewiesen, Jungen wie Ahmad, der Sohn des Lebensmittelhändlers. Er näht für sieben Dollar die Woche. Die erwachsenen Arbeiter sind teils geflohen, teils wagen sie den Weg nicht mehr oder sie kämpfen jetzt, statt zu nähen.

Und auch die Kämpfer sind oft noch halbe Kinder. Krieg ist für sie Abenteuer und viel zu frühes Erwachsenwerden. Sie bewachen zum Beispiel diesen Übergang zwischen dem sogenannten befreiten Aleppo und dem Rest der Stadt.

Ein Geschoss ist eingeschlagen. Kurz bricht Chaos aus. Aber die meisten hier erschüttert so was längst nicht mehr.

Ein Junge: "Da sind halt zwei Raketen eingeschlagen."

Ein Junge auf der Straße
"Warum sollte ich weglaufen, zuhause kann es einen doch auch treffen." | Bild: BR

Er habe sich längst dran gewöhnt, sagt der Junge. Als wäre die Gefahr für Kinder weniger bedrohlich als für Erwachsene: "Warum sollte ich weglaufen, zuhause kann es einen doch auch treffen."

Sein Freund tut ganz abgeklärt: "Man stirbt doch nur einmal, oder?"

Der Tod droht überall – auch 50 Kilometer nördlich von Aleppo, wo es angeblich sicherer ist. Dieses Mädchen wurde von Granatsplittern getroffen. Es war mit seinen Freunden in der Gasse Fahrrad fahren.

Die Klinik wird von Cap Anamur aus Köln unterstützt, einer der wenigen weltlichen Hilfsorganisationen, die überhaupt noch in Syrien im Einsatz sind. Meist sind die Menschen hier ausgerechnet auf die Hilfe von Leuten angewiesen, die selbst Waffen tragen.

Doch die Mädchen in der nahen Oberschule sehen nur längst keine Lösung mehr durch Gewalt:

Eine Schülerin: "Es ist doch unsere Zukunft, die draufgeht, wenn die Revolution so weitergeht. Die Opposition im Exil hält Konferenzen ab und wählt eigenmächtig Vertreter, ohne uns zu fragen. Aber wir sind es, die hier die Opfer bringen. Und zwar, damit wir eines Tages in Freiheit und Demokratie leben, mit selbstgewählten Führern."

Die Toten seien tot und bei Gott, sagt sie noch, nun müsse man an die Lebenden denken.

Autoren: Jörg Armbruster / Esther Saoub

Stand: 22.04.2014 13:50 Uhr

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Bayerischer Rundfunk
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