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Großbritannien: Mit Kapitän Cameron auf Schlingerkurs

Großbritannien: Mit Kapitän Cameron auf Schlingerkurs | Bild: BR
Cameron-Figur als Kapitän auf der britischen Insel
Cameron-Figur als Kapitän auf der britischen Insel | Bild: BR

Nein, es war kein klarer Kurs, den Captain Cameron im vergangenen Jahr gefahren hat. Eher ein Schlingerkurs mit dem Ziel, seine Insel in sicherem Abstand von Europa zu halten, - gegen eine Machtübernahme aus Brüssel und - ganz aktuell - gegen eine Invasion aus dem Osten Europas.

Premierminister David Cameron mit Grenzbeamten
Premierminister David Cameron mit Grenzbeamten | Bild: BR

Dazu begab er sich im Dezember höchst selbst an die Grenzen seines Landes, um sicherzustellen, dass Einreisende aus dem Volk der Rumänen und Bulgaren klar identifiziert werden. Denn die sind bekanntlich arm, und kämen nun einzig und allein, um die Insel und deren Sozialsysteme zu entern.

Das behaupteten im Vorfeld jedenfalls die EU-Gegner Großbritanniens im Verein mit der Boulevardpresse: "Nun kommen sie massenhaft - Die dreisten Bettler stehen vor der Tür."

Captain Cameron tat nun das, was ein Kapitän so tut bei Gegenwind: er passte den Kurs an, zeigte Europa die kalte Schulter.

Premierminister David Cameron:

»Die Menschen machen sich Sorgen über zu viele Einwanderer und ich teile diese Sorgen. Es ist eins, wenn sie herkommen, um zu arbeiten. Es ist etwas anderes, wenn sie an das Sozialsystem wollen. Deshalb werde ich jetzt handeln und das ist nur der Anfang meiner Pläne.«

Eilig verabschiedet er so noch vor Weihnachten ein Gesetz, das der osteuropäischen Invasion den Zutritt zu Krankenhäusern und Sozialhilfe versperrt, wenn auch erst mal nur für drei Monate.

Empfang für einen Rumänen am Flughafen
Empfang für einen Rumänen am Flughafen | Bild: BR

Wie nötig das war, war dann gleich in den ersten Tagen des neuen Jahres zu sehen: Ganze drei Rumänen konnten von Mitgliedern des Innenausschusses da direkt persönlich begrüßt werden - zu ihrer großen Überraschung. Die Invasion blieb aus.

Der Druck auf Cameron aber wächst nun trotzdem weiter, denn eigentlich wollen seine konservativen Parteifreunde mehr, viel mehr von ihm.

Philip Davies, Abgeordneter Konservative Partei / Tory:

»Solche Gesetze sind doch nur Augenwischerei. Worum es uns doch wirklich geht, ist, dass wir selbst wieder souverän über unsere Grenzen bestimmen, nicht Brüssel. Und der einzige Weg dahin ist: Raus aus der EU.«

Cameron, ein Kapitän, der so immer weiter abtreiben wird in 2014, ohne wirklich zu wissen wohin, meint Andrew Rawnsley, der die Tories seit vielen Jahren beobachtet.

Andrew Rawnsley, Publizist The Guardian:

»Da ist dieser große Teil seiner Partei, der einfach nur raus will aus der EU. Und was immer er von Brüssel bekommt, es wird nie genug sein. Selbst wenn er zurückkäme mit einem Monat Urlaub in der Karibik für jeden Briten, Geschenk von Brüssel, und Merkel schlägt noch was oben drauf, sie werden immer noch sagen: "Wir wollen raus."«

Daniel Hannan
Daniel Hannan | Bild: BR

Einer der Wortführer der Meuterei lebt hier, im schönen Hampshire: Daniel Hannan, der einzig im Europaparlament sitzt, um es abzuschaffen, und Cameron damit gehörig unter Druck setzt.

Daniel Hannan, Abgeordneter des Europäischen Parlaments:

»Zu dieser EU zu gehören, das ist für uns einfach zu beschränkt. Wir haben einen viel weiteren Horizont: Besonders jetzt, wo der Rest der Welt ökonomisch zulegt, während Europa wirtschaftlich immer unwichtiger wird, macht es überhaupt keinen Sinn für uns, unser Land an diese kleine Ecke der eurasischen Landplatte anzuketten.«

Die Frage ist damit: Nur wohin, Herr Kapitänm mit der Insel? Richtung Westen bleibt da nur noch – in allerdings weiter Ferne - Amerika. Und so erklärte der tapfere britische Steuermann sich vorbehaltlos an Washingtons Seite, als die britischen Geheimdienste durch die Snowden-Enthüllungen ebenfalls in die Kritik gerieten.

An einer gottverlassenen Ecke der Insel – im abgelegenen Cornwall – nämlich wird dem großen Bruder beim Ausspionieren Europas im großen Stil geholfen. Hier kommen von tief unten im Atlantik die Kabel an, die den europäischen Datenverkehr von und nach Amerika transportieren. Daten, die hier angezapft und gespeichert werden. Die Aufregung, vor allem der Deutschen im fernen Europa, für David Cameron ein Sturm im Wasserglas.

David Cameron:

»Ich werde mich dafür nicht entschuldigen. Wir haben Geheimdienste und werden sie weiter haben. Ich kritisiere stattdessen die, die deren Techniken enthüllen, denn das hilft unseren Feinden.«

Simpel - die Welt ist einfach, wenn man ganz allein auf dem Atlantik treibt. Ein dunkler Sturm aber könnte ihn 2014 wirklich in Seenot bringen: Die Schotten wollen nämlich nicht mehr mitsegeln. Und so werden sie am 18. September darüber abstimmen, ob sie nicht lieber unabhängig und zurück nach Europa wollen. Denn stärker fühlen sie sich schon länger ohne die Engländer:

Ein Schotte:

»Wir sind schlau, viel schlauer als die Engländer. Wir haben Muskeln und jede Menge Öl und Rohstoffe.«

Für Cameron wäre ein solches Wegbrechen Schottlands ein echtes Desaster, und so wirbt er wo er kann für die Einheit.

Andrew Rawnsley:

»Denn wenn das wirklich passiert, wenn Schottland wirklich unabhängig wird, dann wird Cameron der Premier sein, der das Königreich verloren hat. Und so will er ganz sicher nicht in den Geschichtsbüchern enden.«

Alles in allem also: Es wird ein aufregendes Jahr für Captain Cameron. Überraschungen nicht ausgeschlossen.

Autorin: Annette Dittert, ARD London

Stand: 15.04.2014 10:36 Uhr

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