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Bolivien: Aufs Dach der Anden mit den ersten indigenen Bergsteigerinnen

Bolivien: Die ersten indigenen Bergsteigerinnen | Bild: BR

Es ist ein Ort, der einen fast magisch anzieht: der Hexenmarkt von La Paz. Hier müssen wir vor unserer Reise aufs Dach der Anden vorbei, beteuert Cecilia Llusco.
Cecilia ist keine gewöhnliche Indigene – sie ist Bergsteigerin und gerade auf der Suche nach einer Opfergabe für den nächsten Aufstieg. Diese besteht vor allem aus bemalten Wachsstücken.

Es kann losgehen, raus aus La Paz, einer Stadt auf knapp 4000 Metern Höhe, umringt von Anden-Gletschern. Einer davon: Der Huayna Potosí, ein mächtiger Sechstausender. Hierher würde eine Indigene wie Cecilia nie ohne ihre Mitbringsel vom Hexenmarkt kommen, denn nur damit könne man die Geister der Berge besänftigen.

Opfer für den Berg

Bevor es los geht, muss der Opfertisch, gefüllt mit Koka-Blättern, Lama-Fell und den Wachsstücken, brennen – eine Gabe für Pacha Mama, Mutter Natur. Cecilia glaubt, dass dies Glück bringt, Gesundheit und sie beim Aufstieg schützt.

Beim Essen frage ich Cecilia, Elena und Dora, wie sie zum Bergsteigen gekommen sind. Wo das doch bislang den Männern vorbehalten blieb. Elena Quispe: "Ich war früher Trägerin für Touristen und habe deren Sachen zu den Hütten geschleppt. Damals aber bin ich nie zum Gipfel mitgegangen." Dora Gonzalez: "Anfangs wurden wir diskriminiert. Man dachte, eine Frau mit Rock könne gar nicht aufsteigen. Doch wir haben gezeigt, dass man auch in den Kleidern es bis ganz nach oben schafft."

Seit fünf Jahren führen sie als erste indigene Frauen Ausländer wie mich auf die Gipfel Boliviens. Traditionell – ohne Funktionskleidung.

Aufstieg mit den Bergsteigerinnen

Der Weg führt immer höher – die Luft wird immer dünner. Wir knacken die 5000-Meter-Marke – Zeit für ein bisschen Doping. Niemals gehen sie auf einen Berg ohne ihren Beutel mit Koka-Blättern: Jetzt ist es auch für mich Zeit für Koka: ab in die Backe! Hilft gegen die Höhensymptome zum Beispiel Kopfschmerzen und Herzrasen.

Weiter oben: der Gletscher. Jedes Mal wenn die Frauen hier hoch kommen, hat er sich weiter zurückgezogen, ist weiter geschrumpft: in wenigen Jahren um ein paar hundert Meter. Dann erreichen wir unser Etappenziel: die Schutzhütte auf 5200 Metern. Erst in der Nacht steht der Aufstieg zum Gipfel bevor. Dann muss das Wetter mitspielen und der eigene Körper, in einer Zone mit weniger als der Hälfte des Sauerstoffs als auf Meereshöhe.

Drinnen wärmen wir uns auf – mit Suppe und Koka-Tee. Die Bergsteigerinnen zeigen mir ihren größten Erfolg: Die Bezwingung des Aconcagua, des höchsten Gipfels Südamerikas mit fast 7000 Metern. Dass jetzt auch die Frauen ganz hoch hinauswollen, finden die männlichen Bergführer gar nicht so schlecht.

Auf den Gipfel

Die Nacht ist kurz und nicht erholsam. Um ein Uhr morgens wird es ernst. Wir quälen uns nur deshalb nachts bei Minusgraden hoch, weil dann der Schnee noch hart ist. La Paz wirkt zum Greifen nah. Schon nach einer Stunde lassen meine Kräfte nach: Das Herz pumpt im Grenzbereich.
Nach viereinhalb Stunden, es ist sechs Uhr 30, die ersten Sonnenstrahlen. Immer schwerer werden die Füße mit den Steigeisen. Mein Kameramann Juan Pablo und ich können kaum mehr einen Fuß vor den anderen setzen. Uns bleibt nichts anderes übrig, als hier auf 5900 Metern aufzugeben: Ja, wir müssen jetzt einfach ehrlich sein: drei Tage Akklimatisierung und im Grunde kaum richtiges Training – das war zu wenig. Hoffentlich schaffen es Cecilia und Elena. Die gehen jetzt da hoch. Es ist das letzte und schwerste Stück: steil und anspruchsvoll. Doch dank Pacha Mama schaffen es die Frauen bis auf 6088 Meter: echte Bergsteigerinnen eben.

Autor: Matthias Ebert, ARD Rio de Janeiro

Stand: 12.05.2019 22:39 Uhr

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