Mo., 04.12.17 | 04:50 Uhr
Das Erste
Australien: Korallen-Paradies vor dem Kollaps?
So sieht er aus, der wohl schönste Hörsaal der Welt. Im schwarzen Neopren machen sie sich auf zur Arbeit – die Forscher, Studenten, Assistenten. Hier auf Lizard Island erkunden sie die Unterwasserwelt des Great Barrier Reef. Dr. Anne Hoggett lebt mit ihrer Familie seit 27 Jahren auf der Insel. Niemand kennt das Riff so gut wie sie: Die Forscherin macht sich große Sorgen.
Worst-Case-Szenario Jahrzehnte zu früh
"Die Klimaforscher haben untersucht, was in den kommenden Jahrzehnten durch den Klimawandel passieren wird. Und sie haben vorausgesagt, dass die Korallenbleiche etwa zur Mitte des Jahrhunderts einsetzt. Jetzt haben wir 2017 und die Korallenbleiche ist schon da. Das Worst-Case-Szenario kommt Jahrzehnte zu früh."
Sie leben ein Leben wie aus dem australischen Bilderbuch: Anne und ihr Ehemann Lyle. Ihr Sohn Alex ist an den Stränden von Lizard Island aufgewachsen. Hier hat er als Kind tauchen gelernt. Für die drei ist das Riff nicht nur Forschungsobjekt. Vor allem Heimat. Eine Heimat, die sich dramatisch verändert.
Vor zwei Jahren war die Welt um Lizard Island noch in Ordnung. Die blaue Lagune: Unberührt und schön. Doch nun spielt sich am Meeresgrund eine Katastrophe ab. Das Wasser wird immer wärmer. Die kostbaren Korallen verlieren erst ihre Farbe, dann ihr Leben. Anne taucht durch eine Welt ohne Herzschlag. Grau in grau – ein trauriger Anblick.
"Eine Menge toter Korallen. Ich habe zwei lebendige gesehen – Zwei! und viele, viele tote", erzählt Dr. Anne Hoggett.
Kampf ums Überleben
Blauer Himmel, weißer feiner Sand: Wunderschön. Doch das Great Barrier Reef kämpft ums Überleben. Und Lizard Island steht an vorderster Front. Anne hat keinen Zweifel: Der Klimawandel ist Schuld an der Korallenbleiche. "Es bricht dir das Herz. In den letzten vier Jahren hatten wir zwei massive Zyklone hier. Und jetzt gerade gleich zweimal hintereinander, eine Korallenbleiche. Es wird lange dauern, bis sich das Riff davon erholt."
Farben überall. Das Great Barrier Reef ist ein magischer Ort. Mehr als 2000 Kilometer lang, 3000 einzelne Korallenbänke. Das größte Korallenriff der Erde. Doch nicht weit von den Korallenriffen – ragen riesige Kohlehalden in den Himmel.
In Abbot Point entsteht einer der größten Kohlehäfen der Welt. Ausgerechnet Kohle – der Klimakiller. In Airlie Beach sind sie wütend auf die Regierung, die so etwas zulässt. Kohle und Korallen, finden die Aktivisten, passt nicht zusammen.
"Die Kohle-Industrie ist nicht nachhaltig. Wo sie aufschlägt, hinterlässt sie Geisterstädte", findet ein Aktivist.
"Kohle ist eine Lösung aus dem 18. Jahrhundert für die Probleme von heute", sagt ein anderer.
"Als Reiseveranstalter bin ich einfach nur schockiert. Wenn die wirklich diese Kohlemine in Betrieb nehmen und den Kohlehafen. Mit 4000 Schiffen pro Jahr, was soll das der Welt bringen und Queensland und den Touristen hier und unseren Kindern? Die wünschen sich doch auch, weiterhin die gleiche Schönheit, die wir hier jeden Tag erleben dürfen", fordert ein Aktivist.
Klimaerwärmung in Australien
Gerade mal 10.000 Jahre alt ist das Riff. Es liegt im Sterben, sagen sie hier. Am Strand von Cairns sammeln Frauen und Männer säckeweise Müll. Allesamt Aboriginals. Die Ureinwohner verstehen sich als Hüter der Natur. Auch sie machen sich Sorgen um das Land ihrer Vorfahren. "Eis, Regenwald, Wüste, was auch immer die Elemente in der Welt beeinflusst. Wir werden das besonders in Australien spüren. Hier haben wir ja all diese Elemente auf einem einzigen Kontinent. Deswegen trifft uns die Klimaerwärmung auch so stark", erzählt Victor Bulmer, ein Aboriginal Ranger.
"Ich als Aboriginal will, dass das Riff fortbesteht. Dass die Tiere bleiben, die Seekuh, die Schildkröten. Wir müssen die Menschen aufklären. Habt Respekt vor dem Riff. Wir wollen doch das Riff auch für kommende Generationen bewahren", so Larissa Mundraby.
Ein Schatz der Natur liegt im Sterben
Das Great Barrier Reef ist Australiens bekannteste Touristenattraktion. Zwei Millionen Besucher jedes Jahr: Viele wollen sehen, was andere schon für tot erklären. Auch Keith und Helen aus Melbourne. "Ich fühle mich schon wie ein Fisch. Ich kann’s kaum erwarten", sagt die Urlauberin Helen Hinton.
Wo die beiden Rentner im Wasser schnorcheln, da ist die Welt noch in Ordnung. Clownfish, Papageienfisch, Baracuda. Die Korallen sind die Kinderstuben der Fische. Im Schutz der Korallen werden sie groß. So zeigt sich, was es zu bewahren gilt: Wo Korallen sind, ist Leben. Ohne Korallen liegt auch der Ozean im Sterben.
"Es sind schon weniger Farben. Aber ich bin da nicht sicher. Es verändert sich auch alle paar Jahre", so Helen Hinton.
Ein Wunder dieser Welt: Das Great Barrier Reef – ein Schatz der Natur.
"Jeder sollte das Riff einmal mit eigenen Augen sehen."
Noch ist das Great Barrier Reef zu retten. Man muss es nur wollen. Es ist noch nicht zu spät.
Autor: Philipp Abresch/ARD Studio Singapur
Stand: 31.07.2019 15:12 Uhr
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