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Afghanistan: Der Fall von Kabul

Afghanistan: Der Fall von Kabul | Bild: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Uncredited

20 Jahre Krieg. Und das ist das Ende. Bundeswehrsoldaten holen Deutsche und Ortskräfte aus Kabul raus – unter Lebensgefahr. Ein Staat bricht zusammen in Stunden, in Tagen.

Solche Bilder aus Kabul hat Hamed Baha immer wieder im Kopf, auch als er nach neun Stunden Narkose aufwacht. Er hat es nach Deutschland geschafft, musste mehrfach operiert werden, denn er wurde in Kabul am Flughafen angeschossen.

Eine getrennte Familie

An die Kinder denkt er zuerst, denn sie bleiben mit seiner Frau in Afghanistan zurück. Sie leben in Kabul in Angst. Die Familie versteckt sich bei Freunden, denn, so sagt er, die Taliban haben schon das Haus durchsucht. Die Kinder gehen nicht zur Schule und müssen begreifen, was am Flughafen geschah.
Hamed Baha lebt heute in Stuttgart. Er hat einen deutschen Pass, seine Frau und die Kinder nicht. Als er in Kabul verletzt wurde, blieb ihm keine andere Wahl als ohne sie zu fliehen.

Als Kabul am 15. August erwacht, ahnen viele, dass das Ende nah ist, aber so schnell? Reporter von NDR und WDR haben Augenzeugen getroffen und die berichten auch von ihrer Hoffnung, kurz vor dem Umsturz. Die Macht soll mit den Taliban geteilt werden, in letzter Minute.
Präsident Ashraf Ghani verspricht durchzuhalten. Doch die Leute glauben ihm nicht. Am Vormittag überrascht eine Nachricht aus dem Palast. Der Stabschef verkündet: Kabul ist sicher. Es wird ja verhandelt. Die Taliban sollen vor den Toren der Stadt warten. Der Präsident werde zurücktreten.
Im Palast zieht sich der Präsident zurück. Es kehrt ein Moment der Ruhe ein. Doch plötzlich ist Ashraf Ghani verschwunden, geflohen. Aus Angst oder um ein Blutvergießen zu verhindern? Darüber gibt es bis heute Streit.

Matin Bek, Stabschef afghanische Regierung: "Der Außenminister rief mich an und fragte: Wo ist der Präsident? Ich sagte ihm, er war bei uns und ist jetzt zu Hause. Da sagte er: Nein, er ist abgehauen. Ich konnte ihm nicht glauben. Warum? Die Panik war doch vorbei."

Zusammenbruch des Staates

Verhandlungen gibt es nicht mehr. Die Welt schaut entsetzt nach Afghanistan. Markus Potzel hat bereits den Flug nach Kabul gebucht. Der deutsche Botschafter soll sein Amt antreten. Drei Tage vorher hat der Bundesnachrichtendienst im Krisenstab noch gemeldet: Die Taliban haben kein Interesse, die Hauptstadt einzunehmen. Doch die Realität überholt die Reisepläne. Markus Potzel landet in Doha, schaut wieder von der Seitenlinie zu wie in den Jahren zuvor, als die Taliban mit US-Amerikanern einen Deal aushandelten: "Die haben ihre eigenen Interessen verfolgt, eher weniger Rücksicht genommen auf ihre Bündnispartner. Wir wurden da doch auch durch dieses Doha-Abkommen Februar 2020 vor vollendete Tatsachen gestellt. Ich selbst habe das Abkommen einen Tag vorher gesehen, mit den Anhängen, mit den Annexen. Wir hatten aber keine Einflussmöglichkeiten darauf."

Zurück bleibt eine machtlose afghanische Regierung. Im September 2020 beginnen endlich Friedensgespräche mit den Taliban, aber die machen keinen Sinn mehr. Die Taliban scheinen gar nicht verhandeln zu wollen, denn die haben ihr Ziel schon erreicht: Der Westen wird abziehen.

Doch auch der Westen hat die Taliban gestärkt, hat akzeptiert, dass Wahlen gefälscht wurden, Korruption hingenommen.

Verloren haben viele in Afghanistan. Die Taliban sind gestärkt, der Präsident geflohen. Die afghanische Armee sieht keinen Sinn mehr zu kämpfen.
Hamed Baha wartet immer noch auf seine Kinder und die Frau. Er würde zu Fuß nach Afghanistan laufen. Wenn er nur könnte, sagt er, um endlich seine Familie wiederzusehen.

Autor: Gabor Halasz, ARD Hamburg

Stand: 04.07.2022 12:48 Uhr

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