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USA: Mit Keksen die Welt verbessern

USA: Mit Keksen die Welt verbessern | Bild: picture alliance / Photoshot

Shawna Swanson sorgt dafür, dass die Produktion wie am Schnürchen läuft – und die Qualität stimmt. Nicht zu dünn, kein Gramm zu wenig – jeder Brownie muss perfekt sein. Wie viele Beschäftigte hier hat sie keinen Schulabschluss, keine Ausbildung – und hat es dennoch zur Vorarbeiterin geschafft: "Es gibt Leute, die haben keine Arbeitserfahrung. Dann stellen sie Dich nicht ein, weil Du keine Erfahrung hast. Was sie nicht kapieren: Du brauchst erstmal die Erfahrung, um sie zu haben. Wenn man Menschen nicht die Möglichkeit gibt, dann kommen sie nie voran und müssen sich ständig nur durchkämpfen."

Shawna hat ewig gekämpft. Mit 16 schwanger, viel zu früh raus aus der Schule, zig Bewerbungen, nur Absagen. Und die große Sorge, die Behörden könnten ihr ihre vier Kinder wegnehmen. Da kam der erlösende Anruf aus der Großbäckerei, bei der sie seit Monaten auf der Bewerberliste stand: "Diesen Moment werde ich nie vergessen. Damals hatte ich schon so oft nein gehört, war völlig verzweifelt." Dass es überhaupt so weit kommen konnte – auch heute geht das ihr das noch nahe. "Ich habe das Gefühl, ich verdanke Greyston mein Leben. Wenn meine Familie auseinandergerissen worden wäre, das hätte ich nicht ertragen. Alles, weil Du einmal eine falsche Entscheidung getroffen hast. Ich brauchte eine Chance. Und Greyston hat sie mir gegeben."

Greyston: Geld verdienen – und Gutes tun

Yonkers bei New York. Ein Zen-Buddhist hatte hier vor mehr als 40 Jahren die ungewöhnliche Geschäftsidee. Geld verdienen – und Gutes tun. Kein Lebenslauf, keine Referenzen, kein Drogentest. Joseph Kenner hat früher an der Wall Street gearbeitet. Heute managt er Greyston – und ist begeistert von dem Offenen Einstellungsverfahren. Nur den Namen auf eine Liste setzen – und der erste Schritt zu einem festen Job ist getan. Sobald eine Stelle frei wird, geht sie an Nummer eins auf der Liste. "Unser Motto ist: Wir stellen nicht Leute ein zum Backen. Wir backen, um Leute einzustellen. Uns geht es um die Menschen. Wie können wir sie zurückbringen auf den Arbeitsmarkt? Das übernehmen auch viele unserer Partner, Body Shop oder Ikea etwa. Von uns lernen sie, dass es wichtig ist für Außenwirkung, es aber auch dem eigenen Unternehmen nutzt", sagt Joseph Kenner, CEO bei Greyston.

Fast 16 Tonnen Brownies pro Tag

Zwei Frauen in einer Großbäckerei.
Shawna Swanson (re.) hat sich zur Vorarbeiterin hochgearbeitet.

Vier Jahre Gefängnis, und keine Zukunft. Auch für Dion Drew hat vor 14 Jahren bei Greyston ein neues Leben begonnen. Schon als Jugendlicher hat er mit Drogen gedealt, um seine Mutter finanziell zu unterstützen. Heute ist er Shawnas Chef, spricht auf internationalen Konferenzen über seine Karriere. "Das war damals meine allererste Stelle. Ich bin froh, mit meinen Leuten zusammenarbeiten zu können, weil ich ihnen helfen möchte, weiterzukommen. So wie ich. Ich habe auch am Band angefangen und mich zum Schichtleiter hochgearbeitet“, sagt Dion Drew, Senior Supervisor bei Greyston. "Mit Andre bin ich aufgewachsen, wir kennen uns seit unserem achten Lebensjahr. Er hat dasselbe erlebt wie ich: rein und raus aus dem Knast. Jetzt mixt er hier den Teig. Wir dachten nie, dass wir das schaffen würden. Es ist ein wunderbares Arbeitsklima." Fast 16 Tonnen Brownies brutzeln jeden Tag in den Öfen – die allermeisten werden an Ben und Jerry’s geliefert - und landen zerstückelt im Schokoladen-Eis, eine der beliebtesten Sorten der amerikanischen Marke.

Viele Beschäftigte haben eine Gefängniskarriere hinter sich. Auch Bernard Anderson – nach einem Raubüberfall saß er lange hinter Gittern. Heute gilt er als einer der loyalsten Mitarbeiter. Brownies backen – für ihn ein Traumjob: "Wenn meine Kinder gefragt wurden, wo ihr Vater ist, dann konnten sie früher immer nur sagen, der ist wieder im Gefängnis. Jetzt können sie sagen, der arbeitet oder ist zu Hause. Das ist mir wichtig." Shawna Swanson sagt:  "Er tut Dinge, die für ihn lange unerreichbar waren. Und bleibt bei der Stange. Diese Leute arbeiten seit Jahren hier, fühlen sich der Firma verpflichtet. Die brauchten nur eine Chance."

Greyston arbeitet mit Sozialarbeitern zusammen

Ein Mann spricht in die Kamera.
Joseph Kenner hat früher an der Wall Street gearbeitet. Heute managt er Greyston.

Mittagspause für die Frühschicht. Dion ist immer mittendrin – hier macht er den Dienstplan. Erfährt auch, wo es drückt bei den Mitarbeitenden. Wer Probleme daheim hat, Unterstützung braucht. Greyston arbeitet mit Sozialarbeitern zusammen, die helfen können. "Wir wollen, dass alle glücklich sind, arbeiten und engagiert bei der Sache sind. Wenn die Moral schlecht sind, dann reißen die Leute nur ihre Stunden ab, um Geld zu verdienen", erklärt Dion Drew.

Feierabend für Shawna. Zeit für die Kinder. Und ein Wiedersehen mit ihrer früheren Kollegin. Emelia Okoampa-Ansah hat es geschafft. Ein eigenes Bistro, ihr großer Traum. Aber ihr geht es wie vielen Restaurants – das Geschäft brummt, und es fehlt an Mitarbeitenden: "Ich habe Probleme, Leute zu finden. Deshalb will ich nach dem Greyston-Vorbild anzuheuern. Auch Mitarbeitende, die den Job nicht kennen. Ich hab es probiert und mir fest vorgenommen, mehr solcher Leute einzustellen."

Shawnas Kinder wissen bis heute nicht, wie verzweifelt ihre Mutter war, vor ihrer Zeit in der Bäckerei. Aber sie haben gemerkt, dass sie entspannter mit Geld umgeht. "Ich bekomme viel mehr von ihr als vorher. Geld und Spiele zum Beispiel", sagt André Swanson-Faulk. Und seine Mutter ergänzt: "Früher war es auch schwieriger, Zeit mit ihnen zu verbringen. Jetzt kann ich Hausaufgaben mit ihnen machen. Vieles ist besser geworden, seitdem ich nicht mehr nachts arbeite – in meiner neuen Position."

Die Stelle bei Greyston hat Shawnas Leben komplett umgekrempelt. Sie habe Glück gehabt, sagt sie noch, aber es müsse viel mehr Firmen geben, in denen nicht die Vergangenheit der Menschen zählt, sondern ihre Zukunft.

Autorin: Marion Schmickler, ARD-Studio New York City

Stand: 23.04.2023 19:57 Uhr

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