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Moldau: Angst vor Russland!

Moldau: Angst vor Russland! | Bild: picture alliance/dpa/AP | / Aurel Obreja

Die Anreise im Winter ist etwas abenteuerlich. Wir sind unterwegs in den Nordosten der Republik Moldau, nach Naslaveca – direkt an die Grenze zur Ukraine. Der Ort, sonst eher sehr beschaulich, war plötzlich im Fokus der Öffentlichkeit: Die 68-jährige Olga Zhereblovskya hatte im vergangenen Jahr den Krieg quasi direkt vor der Haustür. Die Trümmerteile einer russischen Rakete waren am Rande des Ortes gelandet. Abgeschossen von der ukrainischen Luftabwehr. "Ich hab damals die Kuh gemolken. Ich dachte erstmal für den Moment, es ist ein Flugzeug. Da ist etwas sehr tief geflogen und dann ist alles nicht weit von hier heruntergekommen – da drüben auf der Insel."

Auf der Mini-Insel im Dnistr sind die meisten Trümmer-Teile dann gelandet. Vermutlich sollte die russische Rakete ein Wasserkraftwerk auf ukrainischem Boden treffen. "Es war wirklich beängstigend. Ich dachte erst, es wäre ein Jet, es gab so einen Lärm und dann eine Explosion, ich dachte, das wars jetzt, das ist das Ende der Welt", erinnert sich Olga Zhereblovskya. Nur der Fluss trennt Moldau von der Ukraine. Mehrfach hat Russland inzwischen den Luftraum Moldaus direkt verletzt. Deswegen fühlt sich der Krieg hier so nah an.

Moldau zwischen Armut und Aufbruch

Zu Besuch in Chisinau, der Hauptstadt Moldaus: In einer der Haupteinkaufsstraßen singen sie von Liebe – träumen von einem besseren Leben, von etwas Wohlstand.
Entstanden aus den Trümmern der Sowjetunion, leben gerade einmal noch 2,6 Millionen Menschen in Moldau. Das kleine Land jongliert derzeit zwischen Armut und Aufbruch. Die, die geblieben sind, ächzen unter galoppierender Inflation, steigenden Energiepreisen: "Wir sind ja auch ein künftiges EU-Land, haben aber keine europäischen Löhne. Und so versuchen wir halt irgendwie durchzukommen", erzählt Passantin Ana.

Das Durchschnittseinkommen in Moldau liegt bei umgerechnet nur 530 Euro. Und so lastet auf den Menschen hier die wirtschaftliche Angst und die Angst, dass der Krieg auch zu ihnen kommen könnte. "Wir können nicht mal Pläne für Morgen oder Übermorgen machen. Wir denken darüber nach, was am Abend passiert, ob wir noch leben oder losrennen oder ob die Mobilisierung beginnt. Wir wissen einfach nicht was wird", erzählt Passant Dragoș Scutelnicu.

Angst vor Umsturzversuch durch Russland

Eine Frau mit Kopftuch
Die 68-jährige Olga Zhereblovskya hatte im vergangenen Jahr den Krieg quasi direkt vor der Haustür. | Bild: NDR

Kriegsgefahr, Inflation, sogar Umsturzgerüchte – das Land erlebt gerade höchst turbulente Zeiten. Und dann tritt in der vergangenen Woche auch noch die Regierung zurück. Neuer Ministerpräsident wird Dorin Recean – prowestlich und ehemaliger Geschäftsmann. Sicherheitspolitik macht er zu seinem Top-Thema, denn seit Monaten gibt es in Chisinau Hinweise auf gezielte russische Einflussnahme. Auch Präsidentin Sandu hatte zuletzt darüber informiert. Geheimdienstberichten zufolge, plane Russland einen Umsturzversuch, so Sandu. Moskau dementiert umgehend.

Die Stimmung ist seit Jahren angespannt. Auch, weil noch immer 1.500 russische Soldaten im Land stationiert sind, in der Region Transnistrien. Zwei Posten passieren wir jeweils, von und nach Pohrebea. Der Ort liegt zwar östlich des Flusses, gehört trotzdem formal zu Moldau, liegt in einer Sicherheitszone. Alexej und seine Frau wohnen ihr ganzes Leben hier. Anfang der 1990er-Jahre haben Kämpfer aus dem benachbarten Transnistrien hier Krieg geführt. "Ja,ja, wir haben hier mehr als genug gesehen. Es kommt wie es kommen soll. Transnistrien ist Transnistrien, so ist das, sie sind getrennt. Wir gehören nicht dazu. Hier die Dörfer, wir gehören zu Moldau", sagt das Paar.

Region Transnistrien wird von Russland unterstützt

Und so haben sie sich hier im Niemandsland seit drei Jahrzehnten eingerichtet. Die autonom-regierte Region Transnistrien liegt nur einen Steinwurf entfernt. Sie haben sie immer im Blick. Von Russland unterstützt, international jedoch nicht anerkannt. Etwa 375.000 Menschen leben dort.

Zurück nach Chisinau, der Hauptstadt: Größer könnte der Gegensatz kaum sein. Wochenende ist Partyzeit – auch in der ehemaligen Kantine, heute ein Club. Doch selbst hier tanzt inzwischen die Angst mit: "Wenn der Krieg Moldau erreichen sollte, wird es für uns eine Katastrophe, genau wie für die Ukrainer. Ich wünsche mir für unsere Gesellschaft kein solches Schicksal und ich mache mir große Sorgen, dass dies passieren könnte", sagt Alina Zhunusbekova.
Plötzlich international im Scheinwerferlicht: Moldau, das kleine Land mit den großen Sorgen. 

Autorin: Sabine Krebs, ARD-Studio Moskau     

Stand: 19.02.2023 19:47 Uhr

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