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Marokko: Gefährliche Cobalt-Mine

Marokko: Gefährliche Cobalt-Mine  | Bild: NDR

Mitten in der Wüste im Anti-Atlas liegt die Oase Sidi Blal. Hier treffen wir den Bauern Mohammed. Er und seine Familie bauen hier Dattelpalmen an, Feigen und Gemüse.  Seit Jahrhunderten leben sie hier in der Oase vom Fluss und seinen Kanälen. Doch inzwischen gebe es ein großes Problem, sagt Mohammed:
"Der Mandelbaum ist abgestorben."
Reporter: “Aber der steht direkt am Wasser?”
Mohammed: "Ja. Er steht direkt am Wasser und ist trotzdem gestorben."

Mohammed, der eigentlich anders heißt, macht die Kobalt-Mine Bou Azzer dafür verantwortlich. Sie liegt weiter oben in den Bergen. Der Schlamm, den der Fluss von dort herunterspült, vergifte das Wasser.

Reporter: "Wenn das Wasser kommt, dann kommt damit auch dieses weiße Zeug?"

Mohammed: "Ja."

Reporter: "Bist Du sicher, dass von der Mine kommt?"

Mohammed: "Ja. Das ist völlig klar." 

Vorwürfe gegen das Bergwerk Bou Azzer, erheben hier viele. Und das schon seit Jahren. 
Reporter: "Wir nehmen jetzt Proben, direkt vor der Mine von Bou Azzer."
Umfangreiche Untersuchungen gab es hier offenbar bislang nicht. Direkt hinter uns liegt die Mine. 
Reporter: "Diese Proben werden ausgewertet bei uns in Deutschland dann. Aber wenn ich mich hier jetzt so umgucke… dann… Ja, bin ich sehr gespannt auf die Probe." Wir nehmen mehrere Proben rund um die Mine. Die Ergebnisse werden später nicht nur uns überraschen.

Die Mine Bou Azzer steht auf einem Schatz. Tief im Boden liegen hier gewaltige Kobalt-Vorkommen. Ein entscheidender Rohstoff für die Autoindustrie der Zukunft. Denn die meisten Batterien für Elektroautos kommen ohne Kobalt nicht aus.

BMW kauft seit 2020 Kobalt aus Marokko

Ein Auto von BMW auf der Messe IAA.
Nach eigenen Angaben will der BMW-Konzern der nachhaltigste Autobauer der Welt werden. | Bild: NDR

München im Sommer: Auf der Internationalen Automobil-Ausstellung feiert die Branche sich selbst. Das Thema Nachhaltigkeit schreiben die Autokonzerne inzwischen ganz groß. Nach eigenen Angaben will der BMW-Konzern der nachhaltigste Autobauer der Welt werden. Wir treffen uns mit dem Chefdesigner Domagoj Dukec.

Reporter: "Bei den Rohstoffzulieferen gucken sie auch, dass die den BMW Standards genügen?"

Dukec: "Genau, genau. Die wir erstellen…, also woher die Rohstoffe kommen, ob Kinderarbeit inkludiert ist, wie die ganzen…das heißt auch Unterzulieferer, da darf auch nirgendwo etwas sein, was nicht unseren Ansprüchen genügt."

BMW kauft seit 2020 Kobalt aus Marokko, aus der Mine Bou Azzer. Denn das sei besonders nachhaltig. Bis 2025 sollen 100 Millionen Euro an den marokkanischen Rohstoffgiganten Managem 100 Millionen Euro fließen. Ein Unternehmen der marokkanischen Königsfamilie.

Nachhaltiges Kobalt, Ein schönes Versprechen. Aber stimmt es auch? Wir treffen uns in Bou Azzer mit ehemaligen Bergarbeitern. Der Ort, direkt an der Mine, war früher einmal das kulturelle Zentrum der Region. Mittlerweile leben hier nur noch 14 Familien. Brahim sagt: "Die Mine ist eine Quelle von Problemen. Sie verursacht Allergien und Staublungen und andere Krankheiten, die das Arsen auslöst." Damit Managem an das Kobalt gelangt, werden die Erze zermahlen und mit Wasser vermischt. Dabei wird offenbar hochgiftiges Arsen freigesetzt. Den Dreck des angeblich nachhaltigen Kobalt-Abbaus finden wir sogar mitten im Dorf.  

Die Mine ist in der Region ein wichtiger Arbeitgeber

Auch Brahim hat zehn Jahre in der Mine gearbeitet – bis 2020. Werden die Minenarbeiter auf die gefährliche Arbeit vorbereitet? Brahim und Familie antworten: "Sie sagen dir vorher nicht, dass diese Arbeit gefährlich sein kann. Und auch nicht, mit was für Stoffen du es da zu tun hast. Das ist nicht in ihrem Interesse."
Die Mine ist in der Region ein wichtiger Arbeitgeber. 1.300 Menschen arbeiten dort.  Nur wenige wollen offen sprechen. Uns Reportern von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung, dem französischen Reporterre und dem marokkanischen Hawamisch gelingt es dennoch, mit zehn ehemaligen und aktuellen Arbeitern zu reden. Sie erheben schwere Vorwürfe. Es geht um Kettenverträge, fehlende Atemmasken und um Krankheiten, die zur Entlassung führen.

2012 beendet die Polizei einen Streik. Bis heute bekämpft der Rohstoffkonzern die Arbeit kritischer Gewerkschaften, erzählt uns Gewerkschaftsführer Omar Oubouhou. Beim großen Streik 2012 habe ihn die Polizei verprügelt und ins Gefängnis geworfen. Bis heute hält er Kontakt zu den Bergleuten, heimlich. An den Missständen in der Mine habe sich nichts geändert: "BMW hat in Marokko da einen Vertrag unterzeichnet, der genau das Gegenteil von dem bewirkt, was BMW behauptet. In der Realität führt das Abkommen zu einem Desaster. Und zwar sowohl für die Arbeiter als auch für die Umwelt."

Seit Anfang des Jahres nimmt das Lieferkettengesetz Konzerne wie BMW in die Pflicht: Sie müssen nun eigentlich überprüfen, ob ihre Zulieferer Menschenrechte und auch Umweltstandards einhalten. Das gilt natürlich auch für die Mine Bou Azzer.

Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung hat Wasser-Proben analysiert

Karte mit der Mine Mine Bou Azzer und der Oase Sidi Blal.
Die Probe an der Mine weist einen Arsenwert von 18.900 Mikrogramm pro Liter auf.  | Bild: NDR

Wir treffen Wolf von Tümpling vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung. Er hat unsere Wasser-Proben analysiert: "Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals in einer Wasserprobe eine solche Arsenkonzentration bestimmt zu haben."  Die Probe an der Mine weist einen Arsenwert von 18.900 Mikrogramm pro Liter auf. Zum Vergleich: Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt einen Grenzwert für Trinkwasser von 10 Mikrogramm. Selbst sieben Kilometer entfernt, in der Oase Sidi Blal, ist das Wasser noch immer massiv arsenbelastet.

Der Minenbesitzer Managem argumentiert bisher:  Erhöhte Arsenwerte hätten nichts mit der Mine zu tun. Sie hätten einen natürlichen Ursprung. "Die Meinung von Managem überzeugt mich an der Stelle nicht. Es ist klar, dass in Gebieten, wo Arsen natürlicherweise vorkommt, auch leicht erhöhter Arsen-Konzentrationen im Wasser nachweisbar sein werden. Das andere ist aber, dass die Konzentration hier derartig hoch sind, dass das eigentlich auszuschließen ist", sagt Tümpling.

Auf Anfrage weist Managem alle Vorwürfe zurück. Der Konzern halte sich an alle internationalen Bestimmungen. BMW fordert nun eine umfassende Prüfung von Managem. Sollte es zu Verstößen gekommen sein, so müsse sein Zulieferer handeln. Mohammed will an solche Versprechen längst nicht mehr glauben. Immer wieder hätten sich die Bewohner von Sidi Blal an Managem und an die Behörden gewandt – passiert sei jedoch nichts.

Autoren: Benedikt Strunz, Sebastian Pittelkow

Stand: 12.11.2023 20:21 Uhr

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